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"Menschliche Katastrophen als Stillleben", so wurden Bernhard Strobels Erzählungen von Kritikern beschrieben. Die Menschen auch in seinen neuen Geschichten sind entsetzlich genervt voneinander, und diese Gereiztheit steht jeweils knapp vor einer beängstigenden Entladung. Die lethargischen, schweigsamen (oder sprechfaulen?) Helden dieser Texte leben fast ausschließlich in ihren kleinen Häuschen, nicht in der Stadt, nicht am Land, sondern in der Region dazwischen; es gibt den kleinen oder größeren Garten, es gibt die obligatorische Garage, es gibt Nachbarn und es gibt Kinder. Und das Ergebnis…mehr

Produktbeschreibung
"Menschliche Katastrophen als Stillleben", so wurden Bernhard Strobels Erzählungen von Kritikern beschrieben. Die Menschen auch in seinen neuen Geschichten sind entsetzlich genervt voneinander, und diese Gereiztheit steht jeweils knapp vor einer beängstigenden Entladung.
Die lethargischen, schweigsamen (oder sprechfaulen?) Helden dieser Texte leben fast ausschließlich in ihren kleinen Häuschen, nicht in der Stadt, nicht am Land, sondern in der Region dazwischen; es gibt den kleinen oder größeren Garten, es gibt die obligatorische Garage, es gibt Nachbarn und es gibt Kinder. Und das Ergebnis ist das schiere Gegenteil von Idylle: Vorwürfe, Aggressionen, Misstrauen, viel Unausgesprochenes und Geheimnisse, die Strobel, der "Meister des Weglassens", seinen Personen ohnehin belassen würde, da er ihnen so wenig nahetritt, wie diese Personen Distanz zueinander halten. Die Groteske rund um diese Kleinstadthelden zeigt aber manchmal auch ihre komischen Seiten, etwa in der meisterhaften,in jedem Satz verblüffenden Brieferzählung, in der ein Rollstuhlfahrer in einem Krankenhaus seine Misanthropie nur allzu bereitwillig an den Nagel hängt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.02.2015

Der Tropfen am Tellerrand
Geschliffener Minimalismus: Bernhard Strobels Erzählungen über die ganz alltäglichen Abgründe des Lebens

Was teilt sich mit über unsere Wünsche und Ängste, wenn wir miteinander sprechen? Dass die Triebfedern unseres Handelns oft unausgesprochen bleiben, wissen wir alle und müssen es auch immer wieder erleben. So geht es auch den Figuren in "Ein dünner Faden". In diesem Band mit Erzählungen richtet der 1982 in Wien geborene Bernhard Strobel seine Aufmerksamkeit auf Menschen in alltäglichen Situationen in einer namentlich nicht näher benannten, ländlichen Gegend. Auf der Handlungsebene ereignet sich nicht viel, das wirklich Wichtige wird nie ausgesprochen. Aber es brodelt bedrohlich unter der Oberfläche.

"Mich interessieren als Figuren die von der Gesellschaft an den Rand Gedrängten. Diese glücklichen Leben, die aus der Werbung und aus den Medien immer auf uns eindringen, das sind Luftblasen", hat Bernhard Strobel, der in Wien Skandinavistik und Germanistik studiert hat und auch als Übersetzer arbeitet, in einem Gespräch mit seinem gleichaltrigen Kollegen Clemens J. Setz einmal gesagt. Strobel, der ausschließlich Erzählungen schreibt, will an die Substanz.

In "Alles ist bestens", der ersten Geschichte in "Ein dünner Faden", beginnt ein schöner Sommermorgen damit, dass die Polizei vor der Türe des Erzählers steht. Eine Scheune im Dorf ist am Abend vorher abgebrannt, man vermutet Brandstiftung, und der Erzähler gehört zum Kreis der Verdächtigen, denn kurz vor dem Brand wurde er in der Nähe der Scheune gesehen. Als die Polizei das Haus unverrichteter Dinge wieder verlässt, fragt sich der Erzähler, ob seine Frau das Gespräch wohl mitgehört hat. Sie lässt sich nichts anmerken, er ebenso wenig. Es erwächst eine Atmosphäre gegenseitiger Verdächtigungen, eine wachsende Anspannung macht sich breit. Sie erreicht eine Qualität, die den Schluss nahelegt, dass in dieser Ehe weit mehr als nur diese Frage unbeantwortet ist. Nichts ist hier bestens, im Gegenteil. Und nichts wird eindeutig aufgelöst, wenngleich die Erzählung noch mit einer Pointe aufwartet.

Strobels Erzählstil ist packend vom ersten Satz an. Wenn man beim Lesen immer noch ein bisschen wacher und aufmerksamer wird, ist das nicht nur der geschliffenen Sprache, sondern auch der Deutungsoffenheit der Texte geschuldet, die doch immer durchdacht wirkt, nichts Beliebiges hat.

Glänzend und geschliffen wie die Erzählungen ist auch der Titel des Bandes, bei dem man an die Redensart "etwas hängt an einem seidenen Faden" denken darf, die eine Bedrohung nahelegt, auch wenn "alles bestens" zu sein scheint. Dünn sind die Fäden, mit denen die Figuren verbunden sind, und wenig belastbar scheint auch das Netz aus Konvention und Regeln. Es ist so dürftig wie der Faden, an dem in der titelgebenden Erzählung ein Tropfen am Tellerrand hängt und nicht herunterfällt. Die Stimmung am Familientisch ist in dieser Geschichte zum Zerreißen gespannt, nachdem der Erzähler von einem Besuch bei einem todkranken Freund nach Hause zurückgekehrt ist und dort seine Frau mit ihrer besten Freundin in einer erotisch aufgeladenen Stimmung vorgefunden hat. Wenn am Ende dieser Erzählung doch noch "ein Faden reißt", wird man einmal mehr überrascht sein.

Mit "Ein dünner Faden" setzt Bernhard Strobel nach zwei vorangegangenen Bänden mit Erzählungen, "Sackgasse" (2007) und "Nichts, nichts" (2010), konsequent sein eindrucksvolles, ästhetisches Programm des nüchternen, minimalistischen Erzählens, des Verzichts auf jeglichen Sprachschmuck in der Beschreibung fort. Nichts ist im Alltag seiner Figuren so einfach, wie es scheint, und dies gilt es auszuhalten, ohne dass die Erzählungen psychologisierende und effekthascherische Lösungen forcieren würden. Man wagt angesichts von so viel Originalität die Metapher vom Sog dieses Erzählens kaum zu verwenden - doch sie trifft einfach zu. Strobels Erzählungen bohren tief hinunter in die Abgründe des menschlichen Daseins.

BEATE TRÖGER

Bernhard Strobel:

"Ein dünner Faden".

Erzählungen.

Droschl Verlag, Graz 2015. geb., 152, S., geb., 19,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Tief in die menschlichen Abgründe gerät Beate Tröger mit Bernhard Strobels Erzählungen. Das ästhetische Programm des Autors, schnörkellos minimalistisch Alltägliches zu beschreiben, überzeugt sie durch seine Konsequenz und den daraus entstehenden Sog. Dass sich beim Erzählen gut auf Effekte verzichten lässt, erkennt die Rezensentin hier und wie sich mit wenigen Mitteln und einer "geschliffenen" Sprache eine in Bann ziehenden Atmosphäre der Bedrohung erschaffen lässt, die buchstäblich an die Substanz geht.

© Perlentaucher Medien GmbH