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Die Welt ist eine Katastrophe. Luftangriffe, Kampfflieger, Verletzte, Tote und jetzt beginnt es auch noch für 40 Tage und Nächte zu regnen. Alles ist schief gelaufen. Jan Jonas Vater ist eines Tages tot, wer weiß, möglicherweise hat er, sein Sohn, ihn umgebracht. Und damit beginnt für Jan eine dramatische Reise hin zu seiner eigenen Vernichtung oder ist das, was da am Ende in einem grünen Kleidchen winkt, vielleicht doch das Glück?
Mit ungeheurem sprachlichem Furor, mit Witz, Drastik und Anspielungsreichtum führt Thomas Jonigk den Leser in ein Spiegelkabinett des Schreckens. Aber wo der
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Produktbeschreibung
Die Welt ist eine Katastrophe. Luftangriffe, Kampfflieger, Verletzte, Tote und jetzt beginnt es auch noch für 40 Tage und Nächte zu regnen. Alles ist schief gelaufen. Jan Jonas Vater ist eines Tages tot, wer weiß, möglicherweise hat er, sein Sohn, ihn umgebracht. Und damit beginnt für Jan eine dramatische Reise hin zu seiner eigenen Vernichtung oder ist das, was da am Ende in einem grünen Kleidchen winkt, vielleicht doch das Glück?
Mit ungeheurem sprachlichem Furor, mit Witz, Drastik und Anspielungsreichtum führt Thomas Jonigk den Leser in ein Spiegelkabinett des Schreckens. Aber wo der Schrecken groß ist, ist auch die Aufklärung, das heißt der Kommissar, nicht weit. Der virile, gut aussehende mutmaßliche Vatermörder trifft auf den gütig-gelassenen, hässlichen Kriminalkommissar und wird süchtig nach dessen Geschichten und Gleichnissen. So wie der Roman sein Gesicht wechselt von der zynischen Darstellung eines restlos entfremdeten Sexualneurotikers über die Krimi-Parodie zur psychotherapeutischen Selbstfindung , so verändert sich auch die Identität des Helden: wer ist das, der da am Schluss, Arm in Arm mit dem froschgesichtigen Mädchen, gemeinsam mit anderen glücklichen Paaren in die Arche geht? Ein schmerzhafter, furchtbar komischer Roman über Verwundungen und Narben, Welthaltungen und Schuld und Sühne, und gleichzeitig ein großes literarisches Vergnügen.
Autorenporträt
Thomas Jonigk, 1966 in Eckernförde geboren, studierte Mediävistik, Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Theaterwissenschaft. Gemeinsam mit dem Regisseur Stefan Bachmann gründete er die freie Berliner Theatergruppe Theater Affekt, war als Dramaturg in Theatern und Opernhäusern u.a. in Berlin, Bonn, Zürich, Wien und Lyon tätig und arbeitete als Regisseur an der Volksbühne Berlin und am Schauspielhaus Wien. Seit 1994 werden seine Theaterstücke mit Erfolg aufgeführt (u.a."Du sollst mir Enkel schenken", 1994,"Rottweiler", 1994,"Täter", 1999,"Triumph der Schauspielkunst", Dramolett zu Cechovs Kirschgarten, 2000,"Die Elixiere des Teufels", nach Motiven von E.T.A. Hoffmann, 2003,"Heliogabal", Libretto zu Peter Vermeersch, 2003,"Ach!, Monolog", 2004. Sein erster Roman"Jupiter"erschien 1999.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.02.2007

Ästhetik des Tiefdrucksystems
Thomas Jonigk sucht die Arche in der versinkenden Welt

Vierzig Tage Regen schickte Gott, als er die sündige Menschheit mit einer Sintflut bestrafte. "Vierzig Tage" heißt Thomas Jonigks neuer Roman, in dem es viel regnet, Wasser sowohl als Bomben vom Himmel. In einer apokalyptischen Welt, in der jeder gegen jeden zu kämpfen scheint, ohne dass die politischen Zusammenhänge noch nachvollziehbar wären, bewegen sich ziellose Romanfiguren, allen voran Jan, dessen Vater stirbt, der sich verliebt, der verunglückt und der am Ende vielleicht gerettet wird, vielleicht stirbt.

Thomas Jonigk, Jahrgang 1966, ist als Theaterschriftsteller bekannt geworden, seit Mitte der neunziger Jahre wurde er für seine Stücke mehrfach ausgezeichnet, 1995 von "Theater heute" zum Nachwuchsdramatiker des Jahres gewählt. Mit Stefan Bachmann zusammen hat er schon früh die freie Berliner Theatergruppe "Theater Affekt" gegründet, als Dramaturg hat er seither an vielen wichtigen Häusern gearbeitet. "Vierzig Tage" ist sein zweiter Roman, sein erster, "Jupiter", handelte nicht vom Weltuntergang, sondern von persönlicher Erniedrigung und sexueller Gewalt unter Männern. Das Eingangskapitel, das die in grauenvoller Detailliertheit, aber distanzierender Sprache eine Massenvergewaltigung auf einem Männerklo beschreibt, wurde 1999 als Wettbewerbsbeitrag beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt kontrovers aufgenommen, teils als misslungene Provokationsliteratur, teils als produktive Reflexion über Gewalt verstanden.

Im Vergleich dazu geht Jonigk mit seinem zweiten Buch weitaus weniger nahe an die Ekelgrenze; leichte Kost ist es dennoch nicht. Der Roman setzt ein am Totenbett von Jans Vater; der Protagonist wartet auf den Notarzt und lässt seine Kindheit und seine Vaterbeziehung Revue passieren. Bevor noch der Arzt da ist, führen die dabei ausgelösten Affekte zu inzestuösen Handhabungen am Leichnam. Bei Eintreffen des Arztes stellt sich die Frage, ob vielleicht Jan selbst den Vater umgebracht hat. Draußen fallen Bomben, irgendwelche Terroristen attackieren Deutschland, die Menschen scheinen sich darum nicht weiter zu kümmern, Jan und seine Arbeitskollegen leben ihr gleichgültiges Leben weiter. Jan geht zu Prostituierten, eine Vergewaltigung kommt auch vor, beiläufig. Draußen regnet es, vierzig Tage lang, Tief "Noah" geht übers Land.

Ein Kriminalkommissar tritt in Jans Leben, vielleicht geht es um eine Morduntersuchung im Hinblick auf den Tod des Vaters, vielleicht auch nicht. Der Kommissar erzählt Jan seltsame und schöne Geschichten, von jungen Männern, die sich für das Leben einer Tigerin opfern oder deren Glauben durch einen misstrauischen Hofhund ins Wanken gebracht wird, er lädt ihn zu sich nach Hause und zu seiner Frau Ilonka ein, hier erlebt Jan regressive Kindheitsgefühle. Ein froschgesichtiges Mädchen im grünen Kleid taucht geisterhaft auf, vielleicht existiert es wirklich, vielleicht ist Jan verliebt. Am Ende erfolgt ein Abstieg in die Hölle, vielleicht aber auch nur in den Küchentrakt eines mittelmäßigen Restaurants.

Als Roman lässt sich Jonigks Werk kaum lesen, so sehr soll es ganz offensichtlich unzusammenhängend und nichtnarrativ sein. Das im Einzelnen und Zerstückelten Beschriebene ist oft unappetitlich und berührt häufig moralische Schmerzgrenzen. Sich einzulesen kostet einige Überwindung. Eigenartig, dieser in der deutschsprachigen Literatur immer wieder anzutreffende Kult der Unlesbarkeit, diese Unnahbarkeit des tief Gedachten, die vom Leser eine Art masochistischer Hingabe, zumindest aber große Zähigkeit verlangt. In diesem Fall gibt es dafür allerdings auch eine Belohnung: Denn Jonigk ist ein großartiger Stilist, der Text ist von großer sprachlicher Perfektion und voller unglaublicher poetischer Momente.

Im Verlauf der Buchs wird die Ästhetik des Ekels zudem herabgemildert zu einer Ästhetik des Unbehagens oder des Lächerlichen, die man fast liebevoll nennen könnte. So bei der Beziehung zwischen dem hässlichen Kriminalkommissar Wahlburg und seiner hässlichen Frau Ilonka, deren Liebe eines der wenigen wirklich schönen Dinge in Jonigks düsterer Welt zu sein scheint. Jonigk findet wunderbare Beschreibungen für dieses schiefe Paar, etwa wenn der Kommissar "den Stolz, den er für seine Frau empfindet, gar nicht zurückhalten kann, so sehr ist sie das, was richtig für ihn ist. Er gewährt ihr Vorrang vor allem Unentdeckten auf der Welt, das einmal Spuren hinterlassen wird." Solche Passagen finden sich immer wieder, wenn man sich auch durch viele Körperflüssigkeiten durchkämpfen muss, um dahin zu gelangen.

CATHERINE NEWMARK

Thomas Jonigk: "Vierzig Tage". Roman. Literaturverlag Droschl, Wien 2006. 160 S., geb., 16,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Catherine Newmark musste sich erst durch einige Körperflüssigkeiten zum poetischen Kern des Buches durchkämpfen. Dort angekommen, fühlt sie sich ganz ausgezeichnet. Zwar muss Newmark für ihr Rezensentinnenglück diesmal "weniger nahe an die Ekelgrenze" gehen als bei Thomas Jonigks erstem Roman, ganz ohne unappetitliche Szenen und moralische Torturen kommt sie trotzdem nicht davon. Mit einer guten Portion Masochismus gelingt es Newmark, sich durch die Zusammenhanglosigkeit eines, wie sie glaubt, bewusst zäh und geradezu unlesbar gehaltenen Textes zu kämpfen, den sie lieber keinen Roman nennen möchte. Dann aber, Wunder, wandelt sich die "Ästhetik des Ekels" in eine "fast liebevolle" Ästhetik des Lächerlichen und die geschilderte Apokalypse bekommt ein paar Lichtpunkte.

© Perlentaucher Medien GmbH