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Mit den Schlachten am Bergisel 1809 ist Andreas Hofer in die Rolle des Landesvaters geschlüpft und wurde nach seiner Hinrichtung in Mantua zum Tiroler Mythos erhöht. Bis heute, 200 Jahre später, sind Hofer und die Helden des großen Tiroler Freiheitskampfes in verschiedenen Gestalten und Inszenierungen lebendig: als Bewahrer des unteilbaren, katholischen Tirol, als Retter der deutschen Nation oder als Verkörperung des beharrlichen Widerstandes gegen jede Anpassung und Unterwerfung. Den verschiedenen Inszenierungen rund um die Gestalt Andreas Hofers geht Ekkehard Schönwiese auf die Spur. Er…mehr

Produktbeschreibung
Mit den Schlachten am Bergisel 1809 ist Andreas Hofer in die Rolle des Landesvaters geschlüpft und wurde nach seiner Hinrichtung in Mantua zum Tiroler Mythos erhöht. Bis heute, 200 Jahre später, sind Hofer und die Helden des großen Tiroler Freiheitskampfes in verschiedenen Gestalten und Inszenierungen lebendig: als Bewahrer des unteilbaren, katholischen Tirol, als Retter der deutschen Nation oder als Verkörperung des beharrlichen Widerstandes gegen jede Anpassung und Unterwerfung. Den verschiedenen Inszenierungen rund um die Gestalt Andreas Hofers geht Ekkehard Schönwiese auf die Spur. Er findet sie im Tiroler Wastl , dem lustigen und moralisch integren Tiroler in den Wiener Vorstadttheatern; in melancholischen Helden, Märtyrerinnen der Unschuld und jeder Menge Figuren, die in den vergangenen 200 Jahren für die Ideen von Gottes- und Vaterlandstreue, zweifelhaftem Heldentum und Nationalismus instrumentalisiert wurden.
Ein spannender Streifzug durch ein Stück Kulturgeschichte und ein aufschlussreicher Blick hinter die Kulissen, wo Helden geschminkt werden und Aufklärung verraten wird.
Autorenporträt
Ekkehard Schönwiese, geboren 1944 in Graz, Studium in Wien (Dissertation zum Volksschauspiel im nördlichen Tirol). Dramaturg und Regisseur mit Schwerpunkt Volkstheater, Autor von über 40 Theaterstücken, Betreuung der 280 Bühnen des Landes Tirol im Rahmen des Tiroler Theaterverbandes. Aufbau des Österreichischen Zeitzeugenarchivs .
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.12.2009

Mit ihm sein Land Tirol
Drei Bücher über Andreas Hofer und den Aufstand von 1809 stutzen einen Heldenmythos zurück

Jahrhundertfeiern sind die rites de passage des Geisteslebens: Wer hinüberwill in einen anderen Zustand der Verklärung oder der Verdammnis, muss sich erst dem Fegefeuer der Neubewertungen stellen. Wie unsinnig immer der Nimbus der runden Zahl dabei auch sein mag, sein Zelebrieren gehört zur unausrottbaren gesellschaftlichen Praxis. Jedenfalls sitzen in Jubiläumsjahren Gelder - auch für ernstzunehmende wissenschaftliche Projekte - lockerer als sonst, und so manches, was ohnedies der Interpretation und Reinterpretation harrte, lässt sich unter diesen Rahmenbedingungen dann tatsächlich anpacken.

Für Tirol waren es die sich nun zu Ende neigenden Zweihundertjahrfeiern des Aufstandes von 1809, die dessen Ablauf und seinen Anführer Andreas Hofer wieder einmal ins Gedächtnis und in die Medien katapultierten. Dies ist nicht selbstverständlich, denn derart viel Sinnvolles und Unsinniges wurde zu diesem Thema bereits gesagt, dass kaum eine Nische zu bleiben scheint, in der große Überraschungen lauern könnten.

Bezeichnend dafür ist, dass eine sachkundige Hofer-Biographie gar nicht erst neu geschrieben werden musste, sondern bereits seit 1984 vorlag. Ihr Verfasser Meinrad Pizzinini, Historiker und Kustos am Tiroler Landesmuseum, bemühte sich schon damals um Distanz sowohl gegenüber einer simplifizierenden Verehrung Hofers als Volksheld als auch gegenüber dessen pauschaler Abqualifizierung als Reaktionär. Die Darstellung der historischen Abläufe sollte für sich sprechen und dem Lesepublikum die Grundlagen für eine eigene Bewertung an die Hand geben. Faktenorientiert leuchtete Pizzinini das gesamte historische Panorama aus, in dem der Sandwirt agierte und das dieser für einige Momente auch mitbestimmte. Breiten Raum fand darüber hinaus auch die Mythenbildung, die noch zu Lebzeiten Hofers einsetzte: Ideologische Instrumentalisierung, verklärendes Pathos und nationaler Kitsch wurden danach zu Dauerbegleitern der Rezeption. Pizzininis Biographie liegt jetzt, mit einem veränderten, auch kulturhistorisch ausgesprochen interessanten Bildteil versehen, in einer Neuauflage vor und festigt damit ihre Stellung als ein Standardwerk, auch wenn neuere Methoden der Geschichtsschreibung keinen und Forschungsergebnisse des letzten Vierteljahrhunderts eher bibliographischen als inhaltlichen Niederschlag gefunden haben.

Stärker an aktuelle Forschungsdebatten angebunden präsentiert sich der Sammelband "Abschied vom Freiheitskampf?", der das Jahr 1809 sowohl in seinem historischen Kontext als auch in seinen Nachwirkungen breit auszuleuchten versucht. Die Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen, die in der Frontstellung zwischen alten bäuerlichen Privilegien und dem bürgerlichen Gesetzbuch der napoleonischen Ära ihren unversöhnlichen Ausdruck fand, bildet eine Klammer der Aufsätze. Als eine andere könnte man die Dialektik einer Modernisierung sehen, die die Gesellschaft nicht nur in Gewinner und Verlierer zerteilte, sondern ebenso gut betrogene Betrüger produzierte.

Der zweite Teil des Buches, der die Nach-Bilder der Ereignisse in Geschichtsschreibung, Literatur, Kunst, Kino und Festkultur aufspürt, bedient sich der derzeit hoch im Kurs stehenden Konzepte von "Erinnerungskultur" und "Gedächtnispolitik", um die Hartnäckigkeit zu beschreiben und zu verstehen, mit der sich ein doch eher peripheres geschichtliches Ereignis als Landesmythos etablieren konnte. Dass derart kritische Zugangsweisen nun auch in die Kernzonen historischer Regionalforschung vorgedrungen sind, deutet auf einen Bewusstseinswandel hin: Ideologisierungen werden zurückgedrängt, quellenbasierte Befunde dafür bereitwilliger zur Kenntnis genommen und unbefangener ausgesprochen.

Auf einen Sturz der Helden-Hagiographie zielt auch das Pamphlet "Schluss mit dem Hofertheater!" ab. Im Stil einer avantgardistischen Abrechnung mit dem toten Übervater selbst, aber auch mit seinen höchst lebendigen, noch immer zahlreichen Verehrerinnen und Verehrern nimmt es sich der vielen Umstände im Land Tirol an, die es einem dort verunmöglichen, seinen Frieden mit herrschenden Geschichtsbildern zu machen.

Der Autor des Buches, Ekkehard Schönwiese, ist Theatermann und weiß um Inszenierungen Bescheid: sowohl die unfreiwillig komischen der Schützenverbände als auch diejenigen, deren es bedarf, um derartige Traditionalisten zu provozieren. Manchmal wirkt dieser Angriff auf die Provinzialität allerdings selbst etwas provinziell und nimmt Tirol vielleicht etwas zu ernst. Wichtig ist ein solches Buch aber allemal, dokumentiert es doch einen Widerstandswillen gegen ein historistisches Getue, das - aus dem 19. Jahrhundert kommend - noch immer bleischwer über Teilen der österreichischen Provinz hängt.

Weil aber die Teilung Tirols manche Tiroler noch immer zu Kampfrhetorik hinzureißen vermag und es sich für manche Politiker gut auf der Klaviatur der Heldenverehrung spielen lässt, wird Andreas Hofer als heimlicher Landesvater Gesamttirols - historische Befunde hin oder her - wohl auch in nächster Zukunft nicht so einfach zu stürzen sein.

STEPHAN STEINER

Meinrad Pizzinini: "Andreas Hofer". Seine Zeit - sein Leben - sein Mythos. Tyrolia Verlag, Innsbruck 2008. 372 S., br., 39,95 [Euro].

Brigitte Mazohl, Bernhard Mertelseder (Hrsg.): "Abschied vom Freiheitskampf?" Tirol und "1809" zwischen politischer Realität und Verklärung. Wagner Verlag, Innsbruck 2009. 524 S., br., 49,- [Euro].

Ekkehard Schönwiese: "Schluss mit dem Hofertheater!". Ein Streifzug durch 200 Jahre Tiroler Heldenmythos. Haymon Verlag, Innsbruck 2009. 256S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Stephan Steiner hat zum Jubiläumsjahr gleich drei Bücher rund um den Freiheitskampf in Tirol und seinen Protagonisten Andreas Hofer gelesen. Der Theaterregisseur Ekkehard Schönwiese nimmt sich den "Inszenierungen" des historischen Geschehens in der Gedenkkultur an, und wenn seine polemischen Angriffe beispielsweise auf die "unfreiwillig komischen" Schützenvereinsfeiern auch mitunter selbst etwas "provinziell" wirken, wie Steiner findet, so ist ihm dieser Einspruch gegen das "historische Getue" doch sehr willkommen.

© Perlentaucher Medien GmbH