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Nicht nur die Studenten revoltierten - Professoren im Kampf gegen die »68er«.Studenten stürmen Hörsäle, ein Wissenschaftler soll aus dem Fenster geworfen werden - 1968 und die Folgejahre waren für die Universitäten in der Bundesrepublik eine bewegte Zeit. Doch nicht nur die Studenten revoltierten. Es gab auch eine Gegenbewegung der Professoren.Der 1970 gegründete »Bund Freiheit der Wissenschaft« (BFW) war das Sammelbecken jener Hochschullehrer, die durch die Studentenbewegung die Lehr- und Forschungsfreiheit in Gefahr sahen. Ihr Ziel: eine gleichberechtigte Teilhabe der Studenten an der…mehr

Produktbeschreibung
Nicht nur die Studenten revoltierten - Professoren im Kampf gegen die »68er«.Studenten stürmen Hörsäle, ein Wissenschaftler soll aus dem Fenster geworfen werden - 1968 und die Folgejahre waren für die Universitäten in der Bundesrepublik eine bewegte Zeit. Doch nicht nur die Studenten revoltierten. Es gab auch eine Gegenbewegung der Professoren.Der 1970 gegründete »Bund Freiheit der Wissenschaft« (BFW) war das Sammelbecken jener Hochschullehrer, die durch die Studentenbewegung die Lehr- und Forschungsfreiheit in Gefahr sahen. Ihr Ziel: eine gleichberechtigte Teilhabe der Studenten an der Regierung der Universität zu verhindern. Mitglieder waren u. a. Thomas Nipperdey, Wilhelm Hennis, Ernst Fraenkel und Richard Löwenthal. Seinen Gegnern galt der BFW als Kampfbund zur Verteidigung der Ordinarienherrschaft. Er selbst sah sich als Bündnis aller Staatsbürger, »die nicht tatenlos zusehen wollen, wenn mit der fragilsten seiner Institutionen auch der Staat ins Schwanken gerät«.Nikolai Wehrs schildert die Geschichte dieser Koalition konservativer, liberaler und sozialdemokratischer Gelehrter im Kampf gegen die »Demokratisierung« der Universität. Er kontrastiert so das gängige Bild der »68er« - und bietet eine neue Erklärung für das Ende des Reformoptimismus in den 1970er Jahren.
Autorenporträt
Nikolai Wehrs, geb. 1978, Studium der Geschichte und Germanistik in Freiburg und Berlin; seit 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder).Veröffentlichungen u.a. zur Geschichte der Universität, zur Intellectual History der Bundesrepublik und zur politischen Kultur der Zwischenkriegszeit.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Dominik Geppert liest Nikolai Wehrs' Buch über den 1970 gegründeten "Bund Freiheit der Wissenschaft" mit Interesse. Die These des Autors, wonach der Bund Ausgangspunkt für die Unruhen von 1968 gewesen sei, scheint ihm vorbildlich recherchiert und gut lesbar verfasst. Institutionsgeschichte, Darstellung der Hochschulreform und Intellektuellengeschichte zugleich bietet ihm der Band. Dabei räumt der Autor laut Geppert auch mit Mythen auf, demjenigen etwa vom Bund als "akademische NPD" (Wolf Lepenies) oder vom bahnbrechenden Erfolg des Bundes. Auch das Scheitern des Bundes rückt ihm der Autor in neues Licht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.12.2014

Professoren in Not
Bund Freiheit der Wissenschaft: Reaktion auf den radikalisierten Studentenprotest

Heutzutage, da Professoren und Studenten gemeinsam auf den Bologna-Prozess schimpfen und unter immer neuen Runden im Hamsterrad der Studienreform ächzen, vergisst man leicht, wie polarisierend die Hochschulpolitik Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre gewirkt hat. Nikolai Wehrs interpretiert sie in seinem Buch über den "Bund Freiheit der Wissenschaft" (BFW) als oft übersehenen Ausgangspunkt der Studentenunruhen von 1968. Der im November 1970 in Bad Godesberg als akademischer Selbstverteidigungs-Verein gegen die Exzesse der revoltierenden Studenten gegründete und bald an über vierzig Hochschulstandorten aktive Bund - so seine These - sei Produkt und zugleich Katalysator des Streits um die künftige Aufgabe und Ausgestaltung der deutschen Hochschulen gewesen.

Die hervorragend recherchierte und flüssig geschriebene Studie bietet dem Leser mehr als die Institutionengeschichte eines Vereins. Sie ist zugleich eine kluge Abhandlung über die Anfänge der westdeutschen Hochschulreform und ein Beitrag zur Intellektuellengeschichte der Bundesrepublik. Der Autor räumt darin mit einer Reihe von Legenden auf, die sich hartnäckig um den "Protest der Professoren" ranken. Vor allem widerspricht er der Vorstellung, im BFW hätten sich reaktionäre Anhänger der alten Ordinarienuniversität zur Abschirmung ihrer überkommenen Privilegien versammelt.

Der Bund war keine "akademische NPD", wie der Soziologe Wolf Lepenies nach dem Besuch der Gründungsversammlung ebenso polemisch wie unzutreffend behauptet hatte. Seine Initiatoren zählten nicht zu den älteren, meist konservativen Professoren, die schon während des "Dritten Reiches" auf ihre Lehrstühle gekommen und oft in das Regime verstrickt gewesen waren. Vielmehr gehörten sie überwiegend jener Generation an, die nach dem Krieg studiert, bei Aufenthalten in den Vereinigten Staaten, England oder Frankreich positive Auslandserfahrungen gesammelt und den Wiederaufbau in der jungen Bundesrepublik als aufregenden Aufbruch zu neuen und besseren Ufern erlebt hatte.

Wissenschaftler wie die Politologen Wilhelm Hennis, Kurt Sontheimer und Hans Maier, die Historiker Thomas Nipperdey und Ernst Nolte, der Philosoph Hermann Lübbe, die Soziologen Erwin K. Scheuch und Friedrich Tenbruck standen für methodisch-theoretische Innovation, kulturelle Westorientierung und hochschulpolitische Reformbereitschaft. Parteipolitisch hielten viele von ihnen zur Sozialdemokratie. Der Studentenbewegung waren sie anfangs meist mit Wohlwollen begegnet, ehe sie - nicht selten nach derben Schmähungen, teils auch nach tätlichen Angriffen durch protestierende Studenten - ihre Meinung änderten und sich konservativeren Positionen zuwandten.

"Die Radikalität der studentischen Protestbewegung", so Wehrs, "die Illiberalität ihrer Diskussionsverweigerung und ihre Unempfindlichkeit gegenüber der persönlichen Würde der von ihnen attackierten Funktionsträger des Hochschulwesens" hätten auch ehemals sympathisierende Hochschullehrer auf Distanz gehen lassen. Unter dem Eindruck dieser Enttäuschung trat bei den Gründern des BFW Reformskepsis an die Stelle des früheren Enthusiasmus für Neuerungen. Die Veränderung der Universitäten erschien ihnen nicht mehr als notwendiger Auftakt zur Modernisierung einer freiheitlichen Gesellschaft, sondern als Vehikel eines bedrohlichen Systemwechsels. Insofern hatte der radikalkonservative Publizist Armin Mohler nicht ganz unrecht, wenn er Mitte der 1970er Jahre eine "Invasion APO-geschädigter Liberaler ins konservative Lager" konstatierte.

Das Aktionsbündnis der enttäuschten Liberalen - und das ist der zweite Mythos, den Wehrs entkräftet - war dabei zu keiner Zeit so erfolgreich, wie die Begründer gehofft und dessen Gegner befürchtet hatten. Das Etikett der "erfolgreichsten Lobbyvereinigung nächst dem Bauernverband", das die "Frankfurter Rundschau" dem BFW anheftete, deckte sich nicht mit der Realität. Der Autor beschreibt einen Zusammenschluss, der bald unter Finanznot litt und kaum konstruktive Vorschläge zur Hochschulpolitik in die Diskussion brachte. Nur an wenigen Universitäten florierte der Bund, vor allem im westlichen Teil Berlins, wo das Treibhausklima der eingeschlossenen Frontstadt für dessen Ableger, die in ihren Aktionen oft besonders provozierende "Notgemeinschaft für eine freie Universität" (NofU), außergewöhnlich günstige Bedingungen schuf. Anderswo waren die Mitglieder des BFW bald untereinander zerstritten, apathisch oder passten sich nachträglich dem ultrakonservativen Schreckbild an, das die Kritiker von Beginn an gezeichnet hatten.

Unter den zu Spitzenzeiten knapp 4000 Mitgliedern dominierten vielerorts nicht Professoren oder Assistenten, sondern Gymnasiallehrer und Elternvertreter. Die außeruniversitären Gruppen verschoben das Themenspektrum des Bundes weg von der Hochschulreform zu Fragen der Schulpolitik. Parteipolitisch waren die Gemeinsamkeiten mit der SPD lange vor dem Austritt des Willy-Brandt-Vertrauten Richard Löwenthal 1978 geschwunden. Der Bund entwickelte sich zu einer bildungspolitischen "Vorfeldorganisation der CDU", wie Wehrs schreibt. Er war zwar robuster als jene "Seifenblase", von der Peter Glotz im Herbst 1970 prophezeit hatte, sie werde bald platzen. Seit Mitte des Jahrzehnts tendierte er jedoch zur Erstarrung, ehe er in der folgenden Dekade weitgehend in der Bedeutungslosigkeit verschwand.

Wirkung entfaltete der BFW weniger durch konkrete Ideen oder Initiativen, sondern als Schallverstärker des Krisenbewusstseins. Er habe, so Wehrs, die Konflikte an den Universitäten vermehrt, verfestigt und konsequent publik gemacht, so dass die Lage an den Hochschulen in der deutschen Öffentlichkeit als besonders prekär wahrgenommen wurde. Der Stimmungswechsel in der politischen Großwetterlage habe mehr zum Abstoppen des Reformschwungs beigetragen als die staatlichen Finanzierungsprobleme seit der Weltwirtschaftskrise 1973. Die Hochschulreform, so Wehrs' Fazit, sei nicht an fiskalischen Zwängen gescheitert, "sondern am anhaltenden Widerstand ihrer Gegner, an einer von Hochschullinken und BFW-Professoren beidseitig betriebenen Polarisierung und schließlich an einer daraus resultierenden allgemeinen Erschöpfung". Ob die bildungsreformerische Hyperaktivität unserer Tage einer solchen Ermattung vorzuziehen ist, darüber lässt sich streiten.

DOMINIK GEPPERT

Nikolai Wehrs: Protest der Professoren. Der "Bund Freiheit der Wissenschaft" in den 1970er Jahren. Wallstein Verlag, Göttingen 2014. 539 S., 44,- [Euro].

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»hervorragend recherchiert und flüssig geschrieben« (Dominik Geppert, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.12.2014)