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Wie ein Museum verfügt das Album über die Fähigkeit, räumlich und zeitlich von einander getrennte Objekte einander begegnen zu lassen.Die Idee des Albums wandert in vielfältigen Ausprägungen in die gegenwärtige künstlerische und wissenschaftliche Praxis ein. Scrapbooks, soziale Netzwerk-Plattformen, und Kunstprojekte schaffen neue Formen von Alben. In exemplarischen Lektüren und in übergreifenden Beiträgen werden hier die historischen Wandlungen und kulturellen Einflüsse beschrieben, die aus dem Album ein Netzwerkmedium von besonderem kultur- und medienwissenschaftlichem Interesse machen.…mehr

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Produktbeschreibung
Wie ein Museum verfügt das Album über die Fähigkeit, räumlich und zeitlich von einander getrennte Objekte einander begegnen zu lassen.Die Idee des Albums wandert in vielfältigen Ausprägungen in die gegenwärtige künstlerische und wissenschaftliche Praxis ein. Scrapbooks, soziale Netzwerk-Plattformen, und Kunstprojekte schaffen neue Formen von Alben. In exemplarischen Lektüren und in übergreifenden Beiträgen werden hier die historischen Wandlungen und kulturellen Einflüsse beschrieben, die aus dem Album ein Netzwerkmedium von besonderem kultur- und medienwissenschaftlichem Interesse machen. Dabei erweist sich das Album als künstlerisches Objekt und Darstellungsformat, das alle anderen medialen und kulturellen Formen integrieren, repräsentieren und symbolisch verarbeiten kann.Mit Beiträgen von: Matthias Bickenbach, Stephanie Bung, Georges Didi-Huberman, Birgit R. Erdle, Franz M. Eybl, Heike Gfrereis, Marianne Hirsch, Ute Holl, Ute Jung-Kaiser, Peter Keicher, Leo A. Lensing, Helmut Lethen, Vivian Liska, Kurt Mühlberger, Annegret Pelz, Ute Pott, Eva Raffel, Alexander von Reiswitz, Werner Wilhelm Schnabel, Monika Seidl, Gisela Steinlechner, Anja Tippner, Ulrike Vedder, Margarete ZimmermannIm Wallstein Verlag erschienenRicarda Dick: Peter Altenbergs Bildwelt. Zwei Ansichtskartenalben aus seiner Sammlung (2009)
Autorenporträt
Anke Kramer, geb. 1973, studierte Germanistik und Romanistik in Tübingen und Aix-en-Provence, war Redakteurin am Lexikon Mythenrezeption (Der Neue Pauly, Supplement V), Research Associate an der Newcastle University und Fellow am IFK Wien. Sie ist wissenschaftliche Assistentin am Institut für Germanistik der Universität Wien.

Annegret Pelz, seit 2018 Professorin i. R. am Institut für Germanistik der Universität Wien. 2019/20 Fellow am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald, seit 2019 Faculty Member im FWF doc.funds-Projekt Cultural Mobility Studies, Universität Wien.Veröffentlichung u. a.: Augenblicksaufzeichnung - Momentaufnahme. Kleinste Zeiteinheit, Denkfigur, mediale Praktiken (Mithg., 2021).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit großem Interesse liest sich Lothar Müller durch diese Aufsätze und Essays zu Wesen und Ästhetik des privat gefüllten Albums in all seinen Varianten. Dass sich das Buch dabei selbst wie ein Album anfühlt, in dem sich die Bilder häufen, das man systematisch durchgehen oder zerstreut durchblättern kann, findet er nur angemessen. Doch ansonsten, schreibt Müller weiter, handelt es sich bei dem Album um den "Rivalen des Buches": Es ist nicht notwendig linear angelegt, aber wegen seiner Gestaltung durch den Besitzer immer notwendig ein Unikat. Auch arbeitet der vorliegende Band sehr anschaulich heraus, welchen Stellenwert das Album für die moderne Literatur hat und welchen Einfluss die moderne Kunst auf die Gestaltung privater Alben - etwa auf das von Maidon Horkheimer, Gattin Max Horkheimers - hatte.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.12.2013

Im Weißraum
Das „Album“, eine Kunstform, die das Nebeneinander des Disparaten pflegt und nur Unikate kennt
Kann man Familien erfinden? Der Familienroman kann es, und ein Fotograf kann es auch. Der Fotograf heißt Alexander von Reiswitz. Er hat im Jahr 2005 damit begonnen, auf der Straße oder beim Spazierengehen in der Landschaft Leute, die nichts miteinander zu tun haben, anzusprechen und zu einem Familienfoto zu versammeln. Die Bilder sehen am Ende aus wie einem Familienalbum entnommen.
  Der Fotograf erzählt von seiner Idee und ihrer Ausführung in dem schönen, reichhaltigen Buch „Album“, das die Wiener Literaturwissenschaftlerinnen Anke Kramer und Annegret Pelz herausgegeben haben. Es steckt, wie sein Gegenstand, voller Geschichten und voller Bilder, lädt ebensosehr zum Blättern wie zum systematischen Studium ein. Von den erfundenen Familien des Fotografen von Reiswitz zum Beispiel gibt es Verbindungslinien zum Beitrag von Peter Keicher über Ludwig Wittgensteins Fotoalbum und den auffälligen Umstand, dass Wittgenstein seinen Begriff der „Familienähnlichkeit“ in unmittelbarer zeitlicher Parallele zum Aufbau des Fotoalbums entwickelte.
  Wie das Buch existiert das Album in der Regel zwischen harten Deckeln, hat eine erste und eine letzte Seite, aber in seiner inneren Ordnung und ihren Gesetzen ist es der Rivale des Buches. Die Linearität, das fortlaufende Zeilenband ist auch dort nicht sein Grundgesetz, wo es sich mit der Chronologie, sei es der einer Individualbiographie, einer Familiengeschichte, einer sozialen Gruppe oder des Vereinslebens verbindet. Und es nimmt keineswegs nur Buchstaben in sich auf, schon gar nicht nur gedruckte, sondern auch getrocknete Blumen und Blätter, Haarlocken und Visitenkarten, Heiligenbildchen und Totenzettel.
  Man kann, wie es Hans Magnus Enzensberger kürzlich in seinem „Album“ (2011) getan hat, ein Album als Buch drucken lassen. Dann ist das poetische Prinzip gewahrt, das Nebeneinander des Disparaten, aber alle Objekte verschmelzen mit der Buchseite. Das Album in seiner reinen Form aber ist ein Unikat, in das alle Objekte wie in einen Behälter eingehen. Darum ist, wie Gisela Steinlechner durch einen Gang ins Archiv der Berlinischen Galerie zeigt, das berühmte, aus Zeitungs- und Zeitschriftenausschnitten collagierte „Album“ (1925/26) der Künstlerin Hannah Höch im Original sehr viel dicker als in der Printausgabe. Die Seiten sind vom Klebstoff gewellt.
  Schere und Klebstoff gehören zu einem Mustertyp des Albums, dem angelsächsischen scrapbook des 19. Jahrhunderts, das seinen Zenit schon erreicht hatte, als Mark Twain 1872 sein – sehr lukratives – Patent für ein selbstklebendes Scrapbook anmeldete. Es ist hier von seinen zahlreichen Vorläufern umgeben wie den Stammbüchern des akademischen Lebens, den Salonbüchern der französischen Aristokratie und dem begehbaren Tapeten-Album im Haus des Dichters Gleim zu Halberstadt.
  Der Dichter Stéphane Mallarmé hat im späten 19. Jahrhundert das Prinzip „Buch“ gegen das Prinzip „Album“ gesetzt, die damit verbundene Abwertung des Albums hat der Kritiker Roland Barthes rückgängig gemacht und die Prinzipien ineinander gespiegelt. In diesem Buch ist auch eine kleine Literaturgeschichte enthalten, die von der Attraktivität des Prinzips Album für die moderne Literatur handelt, von Adalbert Stifter bis zu Rolf Dieter Brinkmann, W. G. Sebald, Reinhard Jirgl.  
  Nie ist, wer ein Album anlegt, nur Autor, immer ist er zugleich und vor allem Sammler. Auch deshalb waren die Beziehungen zwischen Interieur und Album so eng. Mit den Zeitungsausschnitten kommt aber, mit Macht im 20. Jahrhundert, das öffentliche Bild hinzu, mit ihm die Zeitgeschichte. Archiv, Museum und Album werden zu kommunizierenden Röhren. Helmut Lethen zeigt, wie in der Wehrmachtsausstellung Fotografien aus den Brieftaschen und Alben deutscher Soldaten historische Dokumente wurden.
  Zwischen Interieur und Zeitgeschichte ist das mit einem blau-weiß-roten Stoffband umschlungene Album „Photographs“ angesiedelt, das Maidon Horkheimer, die Ehefrau Max Horkheimers, Ende der 1930er, Anfang der 1940er Jahre im amerikanischen Exil angelegt hat. Private Schwarz-Weiß-Fotos, Ausschnitte aus Katalogen und Zeitschriften sind hier in einer Weise collagiert und mit Aufschriften versehen, die die Vertrautheit mit den Bildern der Avantgarde und zumal der Collagen von Hannah Höch erkennen lässt.
  Im Begriff „Album“ steckt das lateinische Wort für Weiß, der Weißraum gehört zu den Formelementen eines Albums. Maidon Horkheimers Album auf schwarzem Grund – vorgestellt von Birgit R. Erdle – erinnert an das Dunkel des Kinos. Die Köpfe der Frankfurter Schule, auf dem Wege, die Kritik der Kulturindustrie in Angriff zu nehmen, sind darin auf die Körper von Reklamefiguren gesetzt oder finden sich als Säulenheilige wieder. Neben den Häusern des Exils kleben Preisschilder. Wie jedes gute Album enthält auch dieses einen Roman.
LOTHAR MÜLLER
  
Anke Kramer / Annegret Pelz (Hrsg.): Album. Organisationsform narrativer Kohärenz. Wallstein Verlag, Göttingen 2013. 350 Seiten, 67 Abb., 34,90 Euro.
Ringbuchblätter (oben und unten)
nutzte Maidon Horkheimer als Experimentierraum
für ihre Collagen: In ihrem Album „Photographs“
inszenierte sie das Exil der Frankfurter Schule
auf schwarzem Grund.
Fotos: Universitätsbibliothek Frankfurt/MAin, Wallstein Verlag
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