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Das Thema 'Literatur und Recht' ist in den vergangenen Jahren zu einem der innovativsten Forschungsfelder der Literaturwissenschaft geworden. Dabei wurde Friedrich Schiller, in dessen uvre die Rechtsthematik eine grundlegende Rolle spielt, bislang noch viel zu wenig Beachtung geschenkt.In ihrer interdisziplinären Arbeit beleuchtet Yvonne Nilges Schillers intensive Auseinandersetzung mit sämtlichen Fragen des Straf und Staatsrechts im Zusammenhang mit der Rechtsgeschichte und der Rechtsphilosophie. Die herausragende Bedeutung des juridischen Diskurses in Schillers literarischem und…mehr

Produktbeschreibung
Das Thema 'Literatur und Recht' ist in den vergangenen Jahren zu einem der innovativsten Forschungsfelder der Literaturwissenschaft geworden. Dabei wurde Friedrich Schiller, in dessen uvre die Rechtsthematik eine grundlegende Rolle spielt, bislang noch viel zu wenig Beachtung geschenkt.In ihrer interdisziplinären Arbeit beleuchtet Yvonne Nilges Schillers intensive Auseinandersetzung mit sämtlichen Fragen des Straf und Staatsrechts im Zusammenhang mit der Rechtsgeschichte und der Rechtsphilosophie. Die herausragende Bedeutung des juridischen Diskurses in Schillers literarischem und theoretischem Gesamtwerk geht untrennbar mit politischen, theologischen wie auch sozialanthropologischen Aspekten einher, die von der Aufklärung bis in die Gegenwart hinein wirken.Die Untersuchung beruht dabei in wesentlichen Teilen auf bisher noch unbekanntem Quellenmaterial zu Schillers Studium der Jurisprudenz an der Stuttgarter Karlsschule.
Autorenporträt
Die AutorinYvonne Nilges, geb. 1980, studierte deutsche und englische Philologie an der Universität Heidelberg. Seit 2010 Privatdozentin an der Universität Heidelberg. Veröffentlichungen u.a.: Richard Wagners Shakespeare (2007); Auf der Suche nach dem verlorenen Gott: Thomas Manns Theologie (im Entstehen).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Laut Michael Stolleis schießt die Autorin mit ihrem Buch über das Ziel hinaus. Schiller als visionären Dramatiker, Geschichtstheoretiker, Lyriker zu zeigen, hätte der Germanistin gut angestanden, meint er. Ihn aber zum beispiellos modernen Vorläufer des heutigen Straf- und Staatsrechts zu stilisieren, hätte sich Yvonne Nilges nach Meinung des Rezensenten sparen können. Davon abgesehen jedoch hält er Nilges Gang durch das Schillersche Werk mit Blick auf dessen Rechtsauffassung zwar für ergänzungswürdig, doch im Ganzen für kenntnisreich und anregend. Ein paar rechtshistorische Schiefheiten verzeiht er der Autorin, sie sei schließlich keine Juristin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.09.2012

Denn das Auge
des Gesetzes wacht
Yvonne Nilges will in Friedrich Schiller einen
Vordenker unseres Rechtsstaates entdecken
VON MICHAEL STOLLEIS
Friedrich Schiller hat zeitlebens mit dem Recht gerungen. Die Juristenausbildung hatte er zugunsten von Medizin aufgegeben, bis dann der Dramatiker historischer Stoffe hervortrat, der Historiker, der mit Rousseau und Kant sich auseinandersetzende idealistische Kunsttheoretiker und der philosophierende Lyriker. Dennoch, so die These der Germanistin Yvonne Nilges, durchzieht sein Werk die Auseinandersetzung mit dem Recht, also mit dem Freiheitskampf der Niederlande und dem Dreißigjährigen Krieg, mit dem Absolutismus, dessen Stuttgarter Spielart er leidvoll erfahren hatte, vor allem aber mit der anfänglichen Morgenröte und dem folgenden Blutbad der Französischen Revolution. Wie viele andere deutsche Intellektuelle sah er in der Revolution zwar den Absolutismus zusammenbrechen, aber die traditionellen Vorbehalte gegen „Pöbelherrschaft“ schienen bestätigt. Das Reich der Freiheit hatte nicht wirklich begonnen. Schiller wurde schrittweise konservativer, hielt aber die Idee einer freiheitlichen bürgerlichen Gesellschaft mit repräsentativer Demokratie (gegen Rousseau) und einer Humanisierung des Kriegs anstelle seiner vollständigen Überwindung (gegen Kant) bis ans Ende fest.
  Frau Nilges lässt ihren auf das Recht eingestellten Scheinwerfer in einem langen Bogen über Schillers Werk wandern. Von der Mannheimer Schaubühnenrede (1784) zur Erzählung „Verbrecher aus Infamie“ (1786), von der „Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande“ (1788) zum Aufsatz „Die Gesetzgebung des Lykurgus und Solon“ (1790) zeigen sich gleichermaßen Ablehnung absolutistischer Herrschaft sowie der direkten Demokratie. Mit der Erfahrung der Französischen Revolution wächst Schillers Skepsis weiter. In den Briefen „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ (1795) setzt er zunächst noch auf ein idealisiertes freies Gemeinwesen, übersteigt dann aber die Politik in der Hoffnung auf eine künftige, von Entfremdungen freie Welt – durch das Medium der Kunst.
  Von Schillers Theaterstücken werden einige kaum gestreift („Die Räuber“, „Kabale und Liebe“, „Fiesco“, „Die Jungfrau von Orleans“), andere dagegen intensiv behandelt, nämlich „Don Karlos“, „Wallenstein“, „Maria Stuart“, „Wilhelm Tell“ und der Fragment gebliebene „Demetrius“. Die an sich doch sehr ergiebige Lyrik wird zwar gelegentlich eingestreut, aber nicht durchgängig ausgewertet. Das viel belächelte „Lied von der Glocke“ (1800) etwa hätte es verdient – gerade als Apotheose des bürgerlichen Rechtsstaats, über dem das „Auge des Gesetzes“ wacht. Doch auch in den Dramen wird die generelle Entwicklungslinie deutlich: Von den Hoffnungen auf „Gedankenfreiheit“ und „Menschenwürde“ im „Don Karlos“ zu den düsteren Bildern von Macht, Ehrgeiz, Verbrechen aus Staatsräson und Selbstüberhebung im „Wallenstein“, von da zum Prozessdrama der – tatsächlich Marie Antoinette gleichenden – Maria Stuart, schließlich zum „Wilhelm Tell“, der zwar gegen den Tyrannen ein Widerstandsrecht ausübt, aber dem Gründungsakt der freien Republik auf dem Rütli fernbleibt. Die Autorin sieht im „Tell“ den Höhepunkt von Schillers Rechtsdenken, in dem dieser, ohne seine Vorbehalte gegen die direkte Demokratie aufzugeben, doch irgendwie eine verklärte Volksgemeinschaft am Werke sah. „Schillers Tell“, so resümiert sie, „ist die Geburt der für ihn idealen, zukunftsträchtigen, modernen Republik“. Dass dies in dem späten, von Betrug, Mord, Krieg und Ichverlust geprägten Drama des falschen Zaren Demetrius ebenso feststellbar gewesen wäre, wird zwar gesagt, muss aber doch weitgehend offen bleiben.
  So anregend das Buch ist und so kenntnisreich es Schillers Werk durchquert, so gibt es doch auch ein paar rechtshistorische Schiefheiten, etwa die Verwendung des Adjektivs „germanisch“, wo mittelalterlich gemeint ist, wenn über Gewohnheitsrecht, Strafrecht oder das Akkusationsverfahren gesprochen wird. Das Gleiche gilt für das „Talionsprinzip“, das hier einfach als Synonym für den Abschreckungs- und (!) Vergeltungsgedanken der Strafe erscheint, während es historisch als Strafgrenze, als Begründung für „spiegelnde Strafen“ (Aug um Auge, Zahn um Zahn) und nebenbei auch als Synonym für Vergeltung dienen konnte. Dass die deutsche Staatstheorie erst nach 1806 begonnen habe, sich um die Frage der Legitimität von Herrschaft zu kümmern, ist unzutreffend – man denke an die gesamte Staatstheorie des Naturrechts. Die Belegstelle bezieht sich korrekt auch nur auf das Reichsstaatsrecht. Aber das sind in Bezug auf Schiller eher Nebensächlichkeiten. Frau Nilges ist keine Juristin, sie bedient sich der gängigen Lexika und sonstigen Hilfsmittel, vor allem des großen „Handbuchs des Staatsrechts der Bundesrepublik“, um den Anschluss an die Gegenwart herzustellen. Letzterer ist ihr immer wieder neu formuliertes Ziel. Schiller soll möglichst alles „vorweggenommen“ haben, was den modernen Rechtsstaat, die Demokratie, die Europäische Union und das humanitäre Völkerrecht ausmacht.
  So liest die Autorin ihren Schiller einerseits im Kontext seiner Zeit, also im Menschenrechts- und Freiheitsdiskurs des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Da zeigt sich ein den Absolutismus verabscheuender, von einem Staat der Freiheit und der Gleichheit träumender junger Autor, auf den dann die Schatten des Pariser Terrorregimes fallen und der schrittweise seine Hoffnungen einem ästhetisierenden Idealismus zuwendet. Andererseits macht ihn die Autorin dezidiert unhistorisch zum Visionär der guten Gegenwart. Kaum eine Bemerkung kommt häufiger vor als die, Schiller sei seiner Zeit „weit voraus“, beispiellos und verblüffend modern gewesen, habe alles, was den heutigen Rechtsstaat und die Demokratie auszeichne, „antizipiert“, etwa im Strafrecht einen „überaus fundierten, interdisziplinären Ansatz“ verfolgt, ja der „labelling (!) approach“ sei „geradezu identisch mit dem . . . , was Schiller erzählerisch beschreibt“. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz sei „erstaunlich deckungsgleich dem Zweck des Staats bei Schiller“. Auch habe er durch die Anrede der Leserinnen des „Historischen Calenders für Damen“ als „Mitbürgerinnen“ die gesamte Entwicklung zur Gleichberechtigung „präjudiziert“. Dies alles, obwohl die Autorin aus der Wissenschaftsgeschichte der Germanistik die diversen und fatalen linken und rechten Vereinnahmungen Schillers des 19. und 20. Jahrhunderts kennt. Das hätte zur Vorsicht mahnen müssen. Um Schiller als Dramatiker, Geschichtstheoretiker, Lyriker und Epigrammatiker großartig zu finden, kann man ihn als eines der größten Beispiele jener Geniezeit studieren und bewundern, muss ihn aber nicht kraft gezielter Interpretation zu einem seiner Zeit weit vorausgeeilten Straf- und Staatsrechtler machen. Der Visionär als „Vorläufer“ – das hat er eigentlich nicht verdient.
    
Yvonne Nilges: Schiller und das Recht. Wallstein Verlag, Göttingen 2012. 399 Seiten, 44,90 Euro.
Absolutismus, aber auch direkte
Demokratie lehnte er ab
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