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Zum 300. Geburtstag des Dichters, Sammlers, Professors und Experimentalforschers am 16. Oktober 2008.Der Universalgelehrte Albrecht von Haller (1708-1777) ist eine der zentralen Gestalten des Jahrhunderts der Aufklärung. Als Dichter und Gelehrter, Arzt und Botaniker, Sammler und Enzyklopädist, Universitätsprofessor und Experimentalforscher, Gesellschaftspräsident und Korrespondent, profilierter Autor und mächtiger Rezensent, Magistrat und orthodoxer Christ spiegelt er zahlreiche Strömungen, Ereignisse und Verhältnisse seiner Zeit.Der Band führt in die einzelnen Wirkungsgebiete Hallers ein. In…mehr

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Produktbeschreibung
Zum 300. Geburtstag des Dichters, Sammlers, Professors und Experimentalforschers am 16. Oktober 2008.Der Universalgelehrte Albrecht von Haller (1708-1777) ist eine der zentralen Gestalten des Jahrhunderts der Aufklärung. Als Dichter und Gelehrter, Arzt und Botaniker, Sammler und Enzyklopädist, Universitätsprofessor und Experimentalforscher, Gesellschaftspräsident und Korrespondent, profilierter Autor und mächtiger Rezensent, Magistrat und orthodoxer Christ spiegelt er zahlreiche Strömungen, Ereignisse und Verhältnisse seiner Zeit.Der Band führt in die einzelnen Wirkungsgebiete Hallers ein. In drei Abschnitten - Leben und Umfeld, Werk und Wirkung und Haller in seiner Zeit - liefern die Beiträge vielfältige und überraschende Einblicke in die Problemlagen und Entwicklungen seiner Epoche.
Autorenporträt
Urs Boschung, geb. 1946, ist Professor für Medizingeschichte an der Universität Bern. Herausgeber u.a. von: Repertorium zu Albrecht von Hallers Korrespondenz 1724-1777 (2002).

Wolfgang Proß, geb. 1945, ist Professor für Neuere deutsche Literatur und Komparatistik an der Universität Bern und Herausgeber u.a. von: Johann Gottfried Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (2002).

Hubert Steinke, geb. 1966, ist Oberassistent am Institut für Medizingeschichte der Universität Bern. Veröffentlichungen u.a.: Bibliographia Halleriana. Verzeichnis der Schriften von und über Albrecht von Haller (2004); Irritating experiments. Haller's concept and the European controversy on irritability and sensibility, 1750-1790 (2005).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.03.2009

Die Alpenlast der Gelehrsamkeit
„Es ist ein Krieg zwischen dem Glücke der Welt und ihrem Elende” – Ein Handbuch erschließt das Werk des Aufklärers Albrecht von Haller
Albrecht von Haller hatte einen unbeugsamen Willen zum Wissen. Nach einem Sturz von der Berner Rathaustreppe, so berichteten Zeitgenossen, habe er sich den rechten Arm gebrochen. Um sicher zu gehen, dass sein Kopf unter dem Unfall nicht gelitten hat, zählte Haller auf der Stelle alle chinesischen Kaiser der Reihe nach auf. Das beruhigte ihn. Der herbeigerufene Arzt fand den Patienten bereits linkshändig schreibend vor.
Tatsächlich hatte Haller keine Zeit zu verlieren, wenn er sein schriftstellerisches Pensum durchhalten wollte. Seine Schriften füllen eine Bibliothek. Er verfasste einen der wichtigsten Gedichtbände des 18. Jahrhunderts und drei stattliche Staatsromane, die immerhin 40 Auflagen erlebten und in sieben Sprachen übersetzt wurden; allein in den Göttinger Gelehrten Anzeigen veröffentlichte er rund 9000 Rezensionen; das Wissen der Physiologie verzeichnete er in monumentalen Ausgaben, vor allem in den „Elementa physiologiae” mit 5000 Seiten und 50 000 Fußnoten; und ganz nebenbei knüpfte er mit fast 17 000 Briefen ein gelehrtes Kommunikationsnetzwerk.
Für Herder trug der „unsterbliche Haller” eine „Alpenlast der Gelehrsamkeit auf sich”. Goethe rechnete Haller bei aller kritischen Distanz zu den „außerordentlichen Menschen”, die „Unglaubliches” geleistet haben. Casanova, der Haller 1760 besucht hatte, bemerkte in einem Brief über ihn: „Man hat den Eindruck, mit einem Manne zu sprechen, der 2000 Jahre gelebt hat und der durch Zufall der Augenzeuge aller Dinge gewesen war, über die er sprach”. Und für Lichtenberg war klar, dass Hallers Bewunderer nicht zu den „Flachköpfen der Nation” gehören können: Albrecht von Haller also, der Mediziner, Anatom und Botaniker, der Dichter und Romancier, zählt zu den großen Vorbildfiguren seiner Zeit. Haller gehörte aber auch so sehr zur Aufklärung, dass sein Ruhm danach schnell verblasste.
Es ist daher an sich eine Großtat, diesem Genie an den aktuellen Konjunkturen der Verlagsproduktionen vorbei ein Handbuch zu widmen. Die Artikel stellen den Gelehrten ins Zentrum und liefern damit zugleich eine Wissenschaftsgeschichte des 18. Jahrhunderts: materialreich, in hohem Maß informativ und mit faszinierenden Einblicken in die Erzeugung, Verwaltung und Vermittlung von Wissen. Auf den ersten Blick zeichnet sich darin ein geregelter Karrierekreislauf ab. Der Fünfzehnjährige beginnt 1723 in Tübingen das Studium der Medizin. Studienreisen führen ihn nach Leiden, London und Paris. 1729 kehrt er in seine Heimat Bern zurück, 1736 folgt er einem Ruf nach Göttingen auf eine Professur für Anatomie, Botanik und Chirurgie – ein schmaler, aber sehr ertragreicher Katalog, den Reimer Eck herausgegeben hat, informiert ebenso unterhaltsam wie präzise über diese Lebensphase (Albrecht von Haller in Göttingen. Termessos Verlag, Göttingen 2008, 92 S., 13 Euro). Seinen Lebensabend verbringt Haller wieder in Bern.
Auf seinen Lebensstationen seziert Haller eine Unmenge an Pferden, Hirschen, Rindern, Schweinen, Füchsen, Schafen und Hunden und eine stattliche Anzahl menschlicher Leichen: Rund 350 sollen es gewesen sein. Der leidenschaftliche Befürworter der Spezialforschung beschäftigt sich mit dem Speichelgang, den Nasenknochen oder dem Zwerchfell; er beschreibt in einer lange unübertroffenen Weise die Blutgefäße des Menschen; und er verabschiedet ungewollt die materialistischen Körpermodelle seiner Zeit, indem er durch seine Untersuchungen zur Reizbarkeit der Muskeln den Glauben an eine „Lebenskraft” stimulierte, die den Leib nicht mehr als passive Maschine erscheinen ließ.
Vorbildlich war dieser Lebenslauf jedoch nicht nur wegen seiner Erfolge, sondern auch wegen der Widerstände, die Haller zu überwinden hatte. „In dem neunten Jahre”, so berichtet Albrecht von Hallers Biograph Johann Georg Zimmermann, „hub er an, große Lexica … zu verfertigen”. Die Familie freute sich nicht über den hochbegabten Nachwuchs. Im Gegenteil: „Vater, Mutter, alle seine Anverwandte, verachteten und erniedrigten ihn, man tadelte seine unendliche Lesesucht”.
Diese Kritik an einem schier unerschöpflichen Hunger nach Wissen und Gedankenfülle wird Haller ein Leben lang begleiten, nicht zuletzt beim Streit um seine Gedichte, die den Haller-Freunden als Muster einer „bilderreichen und nachdenklichen” Schreibweise galten. Die Gegner, überfordert vom gedanklichen Reichtum, verkehrten die Argumente. Hallers Landsmann Johann Jacob Breitinger fasst 1744 die Polemik in einer Verteidigungsschrift zusammen: „Hallers Schreibart ist von grosser Dunkelheit; manche Stelle kann ausser ihrem Verfasser niemand verstehen; seine Sprache ist voller seltsamer und unbekannter Wortfügungen; er hat viel rauhe Wörter, Sylbenmasse und Reimen; seine Schreibart ist wie eine Seuche ...”.
Diese Gedichte haben Haller, der den Menschen für ein „zweideutig Mittelding von Engeln und von Vieh” hielt, zudem lang anhaltende Konflikte mit der Geistlichkeit eingebracht. Nach seinem Tod verbreitete sich das Gerücht, er habe auf dem Totenbett gestanden, „daß er nicht nur nichts glaube, sondern daß es ihm unmöglich wäre, etwas zu glauben, wie gerne er es auch thäte”. Denn Haller reitet zwar immer wieder Attacken gegen „Freigeister” wie Mandeville, La Mettrie oder Voltaire. Hier gab es für ihn keine Kompromisse: „Es ist ein Krieg”, so formulierte es Haller 1751 einmal, „zwischen dem Guten und Bösen, zwischen dem Glücke der Welt und ihrem Elende”. Gleichwohl nagten an ihm Glaubenszweifel.
Zurecht liegt daher ein weiterer Schwerpunkt des Handbuchs auf der religionsgeschichtlichen Stellung Hallers, der seine mentale Dauerkrise nicht umsonst in einer „Unvollkommenen Ode über die Ewigkeit” verarbeitete. In den letzten Zeilen dieses gedanklich offenen, aber literarisch perfekten Gedichts blickt Haller auf sein Leben zurück: „Ich irrte, fehlte, schlief und ward ein Mann! / Itzt fühlet schon mein Leib die Näherung des nichts! … / Mein Eckel, der sich mehrt, verstellt den Reiz des Lichts / Und streuet auf die Welt den Hoffnungs-losen Schatten; / Ich fühle meinen Geist in jeder Zeil ermatten / Und keinen Trieb, als nach der Ruh!” Diese Ruhe aber sollten wir Leser ihm nicht gönnen. STEFFEN MARTUS
HUBERT STEINKE, URS BOSCHUNG, WOLFGANG PROSS (Hrsg.): Albrecht von Haller. Leben - Werk - Epoche. Wallstein Verlag. Göttingen 2008. 544 Seiten, 29 Euro.
Albrecht von Haller Foto: picture-alliance / akg-images
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Für Steffen Martus ist das Haller-Handbuch eine editorische Großtat. Den Tausendsassa Albrecht von Haller sieht er als große Vorbildfigur seiner Zeit. Dass die drei Herausgeber sämtliche Seiten Hallers (als Anatom, Botaniker, Dichter) beleuchten und so zugleich eine materialreiche Wissenschaftsgeschichte des 18. Jahrhunderts vorlegen, gefällt ihm entsprechend gut. Wie hier über die Erzeugung und Vermittlung von Wissen informiert wird, beglückt den Rezensenten. Ebenso die Fokussierung der religionsgeschichtlichen Stellung Hallers. Dessen in "literarisch perfekten" Versen niedergelegten Glaubenszweifel scheinen ihm Anlass genug für eine solche Schwerpunktsetzung.

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