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»Das erste Mal begegnete ich Jon an einem Dienstagmorgen um halb acht. Dad trat an der Tür zur Seite, und meine Augen trafen auf das helle Morgenlicht: Selbst in der frühen Morgensonne sah er ungewöhnlich aus. Er trug Großvaterklamotten: braune Schuhe, eine graue Hose und einen dunkelgrünen Wollpullover. Und eine verdammte Krawatte. Sein Seitenscheitel legte eine dünne weiße Linie frei, und jede einzelne Haarsträhne wirkte starr, als wäre sie festgeklebt. Dad hatte uns allein gelassen, und wir standen einfach da und sahen uns an.« Robert Williams Roman Luke und Jon ist ein starkes, souveränes…mehr

Produktbeschreibung
»Das erste Mal begegnete ich Jon an einem Dienstagmorgen um halb acht. Dad trat an der Tür zur Seite, und meine Augen trafen auf das helle Morgenlicht: Selbst in der frühen Morgensonne sah er ungewöhnlich aus. Er trug Großvaterklamotten: braune Schuhe, eine graue Hose und einen dunkelgrünen Wollpullover. Und eine verdammte Krawatte. Sein Seitenscheitel legte eine dünne weiße Linie frei, und jede einzelne Haarsträhne wirkte starr, als wäre sie festgeklebt. Dad hatte uns allein gelassen, und wir standen einfach da und sahen uns an.« Robert Williams Roman Luke und Jon ist ein starkes, souveränes Coming-of-Age-Debüt über eine ungewöhnliche Freundschaft, Verlust und Erwachsenwerden.
Autorenporträt
Robert Williams, 32, Sohn zweier Bibliothekare, verbrachte als Kind viel Zeit in der Stadtbibliothek einer nordenglischen Kleinstadt und las sich durch die Bestände, bis seine Eltern Feierabend hatten. Er arbeitete acht Jahre lang als Buchhändler und lebt heute in Manchester - obwohl ihm eine Stadt am Meer eigentlich lieber wäre.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.12.2010

Ein Sommer mit den Sonderlingen vom Berg
Robert Williams’ Debütroman „Luke und Jon“ erzählt von eine besonderen Freundschaft
Da waren sie nun in dieser Kleinstadt gelandet, die beiden „Sonderlinge vom Berg“, wie Luke sich und seinen Vater von nun an nennt, einem Ort, der hinter Hügeln und Mooren ruhte, „nahezu verborgen, wie ein zwischen Hautfalten versteckter Leberfleck“. Sonderlinge waren sie auch schon vorher gewesen, der 13-jährige Luke mit seinen ungewöhnlichen grünen Augen, der in der alten Schule als Künstler galt, weil er so gut malen kann, und sein Vater, der Holzschnitzer, mit seinen wunderschönen Spielsachen, die die Kinder eigentlich gar nicht mögen. Aber Lukes lebenslustige Mutter hatte gut verdient und so kamen sie zurecht. Doch sie stirbt bei einem Verkehrsunfall, und der Verlust katapultiert Luke und seinen Vater brutal aus ihrem bisher so glücklichen Leben. Fassungslos, versteinert und unfähig, die Hilfe seiner Freunde anzunehmen, fängt Lukes Vater an zu trinken, lässt alles schleifen, bis die Schulden so groß sind, dass sie ihr Haus und alles Hab und Gut verlieren.
Nun also ein Neuanfang in diesem verfallenen Haus auf dem Berg über der kleinen Stadt Duerdale, weil sie sich kein besseres leisten können. Noch sind Sommerferien, aber der Tag würde kommen, an dem Luke sich in der neuen Schule zurechtfinden musste, wo er „der neue Junge mit der toten Mutter sein würde“. Wenn er daran denkt, packt ihn die kalte Angst.
Bei ihrer Ankunft am Abend läuft ihnen fast ein Junge ins Auto und einige Tage später steht er vor der Tür. Ein seltsamer Junge in Opaklamotten samt Krawatte, der sich keine Minute stillhalten kann. „Er sah aus, als stammte er aus dem Jahr 1945 und sei auf dem Weg zur Kirche“. Doch Luke merkt sehr schnell, dass dieser Jon, wie er sich vorstellt, keineswegs behindert ist, was Luke zunächst vermutet hatte, sondern sehr viel weiß und die meiste Zeit außerhalb der Schule in der Bibliothek verbringt. Er wohnt bei seinen Großeltern in einem heruntergekommenen Haus am Fuße des Berges. Jon ist begeistert von den Kunstwerken von Lukes Vater, der wieder angefangen hat, in seiner Werkstatt zu arbeiten, und als er Jon mitarbeiten lässt, kommt dieser täglich, und Luke und sein Vater gewöhnen sich an ihn und seine Marotten.
Hätte man es in den biografischen Notizen nicht gelesen, man käme bei der Lektüre dieses starken, warmherzigen Romans nicht auf die Idee, dass es sich um ein Debüt handelt, denn der junge englische Autor Robert Williams verfügt über eine so bilderreiche und suggestive Sprache (großartig ins Deutsche übertragen von Brigitte Jakobeit), dass sich der Leser sofort von der Geschichte um die Schicksalsgemeinschaft dieser drei besonderen Menschen einfangen lässt.
Aber es ist nicht nur die Sprache, auch viele ungewöhnliche Einfälle machen die Geschichte lesenswert. So erzählt Luke zum Beispiel vom scheinbar absurden Projekt seines Vaters, der begonnen hat, ein riesiges Pferd zu schnitzen, das er auf einer einsamen Lichtung im Wald aufstellen will. Wie besessen arbeitet er daran, trinkt immer weniger und kehrt wieder ins Leben zurück. Stück für Stück schleppt er die einzelnen Teile des schweren Holzpferdes den weiten Weg in den Wald, um sie dort wieder zusammenzusetzen. Für Luke gibt es einen anderen, nicht minder beschwerlichen Weg, den Verlust seiner Mutter zu verkraften. Er rettet seinen Freund Jon aus unvorstellbarem Elend und überredet seinen Vater, mit dem Argument, dass seine Mutter keine Minute gezögert hätte, Jon bei sich aufzunehmen. Aus zwei Sonderlingen vom Berg sind nun drei geworden, drei Menschen, die einander Halt geben. (ab 12 Jahre) HILDE ELISABETH MENZEL
Robert Williams
Luke und Jon
Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit. Berliner Taschenbuch Verlag (0703) 2010. 176 Seiten, 8,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.02.2011

Wo das Holzpferd steht, büßt der Schmerz sein Recht ein
Ein Unfall erschüttert eine Familie, Freundschaft und Kunst helfen: "Luke und Jon" von Robert Williams

Depression, Armut, Gewalt, Sucht: Das sind die Themen dieses Romans. Warum sollen ihn Jugendliche und Erwachsene eigentlich lesen? Um den nächsten Rundgang durch die Kulissen einer Elendswelt zu machen, vor der man sich mit etwas Sicherheitsabstand wohlig gruseln kann?

"Luke und Jon" ist keine Hollywoodstory, aber auch kein britisch-augenzwinkerndes Sozialdrama. Der Roman zweier Jungen, die durch großes Unglück zu Freunden und sogar Brüdern werden, ist nüchtern und lakonisch erzählt. Er besticht mit einer Haltung, die man am besten als Gefasstheit beschreibt: Hier reißen sich die Opfer einer familiären Katastrophe zusammen, nicht im Dienst hehrer Ideale, sondern weil man gerade die schlimmsten Situationen nur mit Pragmatismus und Menschlichkeit übersteht.

Lukes Mutter stirbt bei einem Autounfall; der Vater, ein Spielzeugmacher, versinkt im Groll. Man muss wegziehen, in ein Industriekaff im Norden, das neue Haus ist eine Bruchbude. In der Schule gerät Luke an Jon, ein Jüngelchen, das von allen gemobbt wird und bei den grenzdebilen Großeltern lebt.

Jon hält das häusliche Elend geheim, weil er weiß, dass ihn das Jugendamt sonst in ein Waisenhaus verfrachtet. Luke muss zu Hause seinem Vater beim Trinken und Brüten zuschauen: War der Unfall seiner Frau ein Selbstmord? Schließlich war sie schwer manisch-depressiv, hatte außerdem ihre Medikamente abgesetzt. Solche Fragen können eine Familie zermalmen, und Robert Williams lässt seine Figuren konsequent dort einen Ausweg finden, wo sie zu Hause sind: nicht in der vom Thatcherismus verwüsteten Industrieregion, sondern in der Gegenwelt der Kunst. Lukes Vater baut ein riesiges, sich aufbäumendes Holzpferd, das er mitten im Wald plaziert - eine Figur, die Spaziergängern zufällig erscheinen soll wie ein mythisches Untier. Luke malt Bilder von Steinen und Mauern, eine Aufladung der Ödnis mit Bedeutung und Schönheit. Und Jon, ein kleiner Privatgelehrter des Kuriosen, flieht in die Lektüre obskurer Bücher.

Skulpturen, Bilder, Texte: Sie sind hier nicht die Insignien bürgerlichen Kunstgeschmacks, sondern eine konkrete Praxis, sich gegen die Verzweiflung zu stemmen. Und sie stiften Gemeinsamkeit. Jeden Tag referiert Jon seine Lesefrüchte, die Jungen helfen dem Vater beim Bau des Pferds. Dazu verwandelt sich das heruntergekommene Domizil von Luke in ein Zuhause, in dem ein Familiemitglied zwar auf immer verloren ist, ein neues aber begrüßt werden kann.

Den Tod kann man nicht schönreden, und niemand kann einen anderen ersetzen. "Wenn es wirklich so passiert ist", sagt Luke, "in einem Sekundenbruchteil, wie sie bei der Untersuchung behaupteten, dann war es gut. Es hätte nur einen Sekundenbruchteil sechzig Jahre später sein sollen, das ist alles." Daran ist nicht zu rütteln. In den Konstellationen aber, die sich aus dem Leid ergeben, entsteht die Kraft, den Schmerz nicht zu betäuben, sondern auszuhalten. So ist dieses Debüt ein Dokument der Hoffnung und Tapferkeit.

DANIEL HAAS.

Robert Williams: "Luke und Jon". Roman. Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit. Berliner Taschenbuch Verlag, Berlin 2010. 186 S., br., 8,95 [Euro]. Ab 14 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Daniel Haas ist beeindruckt. Dieser Jugendroman erzählt von einem Jungen, dessen Mutter gestorben ist, der Vater trinkt und verfällt in Depressionen, umziehen muss man dann auch noch. Aber die Essenz dieser Geschichte ist, so Haas, dass man sich wieder aufrappeln und dem Elend, ohne es kleinzureden, etwas entgegensetzen kann, indem man sich zusammenreißt. Dem Vater, Luke und seinem Freund Jon, der seine eigenen Probleme hat, gelingt das mit Hilfe der Kunst. Haas bewundert die Tapferkeit der Helden und den lakonischen Ton, in dem sie beschrieben werden.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Es ist jedes Mal ein unbeschreibliches Erlebnis, wenn mir ein Buch die Sprache raubt. Ich möchte so viel schreiben und tauche ein in tiefes Schweigen, das mich wie eine dicke Strickjacke umarmt. Die Macht der Geschichte ist einfach zu groß und hält mich fest im Arm. Leise sitzen wir da und schauen uns lächelnd an. "Luke und Jon" von Robert Williams ist so ein Buch. [...]. Ich bin beeindruckt von so vielem: Die Sprache, die Geschichte, der Plot - alles!« Simone Finkenwirth klappentexterin.wordpress.com 20110222