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Arnold Stadlers neuer Blick auf einen großen Erzähler: Zum 200. Geburtstag von Adalbert Stifter.
Für Arnold Stadler war Adalbert Stifter prägend, seit er dreizehnjährig dessen Nachsommer las - beeindruckt von dem, was sich hinter den Beschreibungen heiler Welt verbarg. Seither ist ein Gefühl von Verwandtschaft geblieben, das nicht nur aus den Wurzeln im ländlichen Katholizismus herrührt. In dieser persönlichen Biographie nähert sich Arnold Stadler "seinem Stifter" auf ganz eigene Weise: als Leser, als Besucher von Stifters Orten, als Moderator der gerade von Schriftstellern mit Leidenschaft…mehr

Produktbeschreibung
Arnold Stadlers neuer Blick auf einen großen Erzähler: Zum 200. Geburtstag von Adalbert Stifter.

Für Arnold Stadler war Adalbert Stifter prägend, seit er dreizehnjährig dessen Nachsommer las - beeindruckt von dem, was sich hinter den Beschreibungen heiler Welt verbarg. Seither ist ein Gefühl von Verwandtschaft geblieben, das nicht nur aus den Wurzeln im ländlichen Katholizismus herrührt. In dieser persönlichen Biographie nähert sich Arnold Stadler "seinem Stifter" auf ganz eigene Weise: als Leser, als Besucher von Stifters Orten, als Moderator der gerade von Schriftstellern mit Leidenschaft geführten Auseinandersetzungen um Stifters Werk, kurz - als Biograph einer mit stadlerscher Wucht vorgetragenen Lebensgeschichte. Aus dem Wiederlesen des Nachsommer entsteht eine Auseinandersetzung, die jederzeit vom Roman zum Autor springt. Sie umkreist die Frage, was für ein Leben es ist, das sich Adalbert Stifter in diesem autobiographischen Traum selbst zuschreibt. Ausgehend von fünf Fotografien Stifters entwirft Arnold Stadler das "Porträt eines Selbstmörders in spe", der am Ende mit dem Messer philosophiert und seinen Gedanken ein Ende setzt - als Sünde gegen die Welt, in der er lebt. So entsteht zum zweihundertsten Geburtstag des großen österreichischen Erzählers am 23. Oktober 2005 eine Annäherung, die nicht einfach Biographie ist, sondern zur Hinführung, Hommage und Vergegenwärtigung wird.
Autorenporträt
Arnold Stadler wurde 1954 in Meßkirch geboren und wuchs auf einem Bauernhof im Nachbardorf Rast auf. Er studierte katholische Theologie in München und Rom, anschließend Germanistik in Freiburg und Köln. Seit 1995 lebt er überwiegend in Rast. 1989 erhielt er den Förderungspreis der Jürgen-Ponto-Stiftung. Es folgten zahlreiche weitere Preise und Stipendien. 1999 wurden ihm der Alemannische Literaturpreis und der Georg-Büchner-Preis zugesprochen. Arnold Stadler veröffentlichte bereits einen Gedichtband und mehrere Romane. 2009 erhielt er den Kleist-Preis, im Jahr 2010 den Johann-Peter-Hebel-Preis. 2014 wurde ihm der Bodensee-Literaturpreis für sein bisheriges literarisches Gesamtwerk verliehen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.12.2005

Traum vom Meer
Zwischen Rosenhaus und Chillroom: Arnold Stadlers Hommage „Mein Stifter”
Ein junger Naturforscher bittet in einem abgelegenen, über und über mit Rosen bedeckten Landhaus um Unterschlupf vor einem drohenden Gewitter. Er wird von dem älteren Hausbesitzer freundlich aufgenommen, kehrt auf seinen Reisen immer wieder dorthin zurück und heiratet schließlich die Ziehtochter seines Gastfreundes. Mit diesen Sätzen wären die knapp 800 Seiten von Stifters „Nachsommer” schon so gut wie vollständig zusammengefasst. Dieser Roman kommt ohne alles aus, was man eine „Geschichte” nennen könnte; allein die Rundgänge beim ersten Besuch des Ich-Erzählers, auf denen der Hausbesitzer seinem Gast die verschiedenen Kunstsammlungen, den weitläufigen Garten und den Betrieb zur Restauration alter Möbel und Kunstwerke zeigt, nehmen nicht weniger als 110 Seiten ein. Die Handlungsarmut des Buches, seine ausschweifenden Beschreibungen haben von Anfang an spöttische Kritik hervorgerufen. Ebenso häufig aber wurde der „Nachsommer” von seinen Lesern - insbesondere von den Schriftstellern unter ihnen - als einer der schönsten Romane deutscher Sprache gewürdigt: eine Tradition, in die sich zum 200. Geburtstag Stifters nun auch der Büchner-Preisträger Arnold Stadler eingereiht hat.
Im Zentrum seines Buches „Mein Stifter” steht der 1857 erschienene „Nachsommer”, wobei sich Stadler in erster Linie für die Beziehung zwischen dem im Roman gestalteten Lebensentwurf und Stifters eigener Existenz interessiert. Denn der vielleicht vollkommenste Ort der deutschen Literaturgeschichte - das Rosenhaus des Freiherrn von Risach - entstammt der Einbildungskraft eines Dichters, der schon zu Zeiten der Niederschrift unter schweren persönlichen Krisen litt und sich elf Jahre später durch einen Schnitt in den Hals das Leben nahm. Stadlers Buch umkreist dieses eigentümliche Verhältnis wieder und wieder: Inwiefern der „Nachsommer” als „erträumte Autobiografie” aufzufassen sei, als Darstellung eines Lebens, wie es hätte sein können. In vielerlei Hinsicht erscheint die private Existenz des Schriftstellers und Schulrats in Linz als Negativbild des Romanpersonals: Der Brüchigkeit der familiären Verhältnisse (Stifter verlor seinen Vater im Alter von zwölf), der ständigen Geldnot, der Maßlosigkeit des Essens, der unkontrollierten Zunahme der Leibesfülle steht im „Nachsommer” eine Welt gegenüber, die von ökonomischer Stabilität, Genealogie, Disziplin und Diätetik geprägt ist.
Die Ethik des Kommas
Die fortwährende Überblendung von Leben und Werk bringt manches Aufschlussreiche zum Vorschein, geht aber auch auf Kosten der genauen Beschäftigung mit dem Roman selbst. Die wahrhaft interessante Aufgabe begänne jedoch erst mit dem Versuch zu ermitteln, was genau an Stifters Sprache die besondere Ergriffenheit so vieler „Nachsommer”-Leser hervorgebracht hat: etwa wie der parataktische Erzählstil mit der fließenden, bruchlosen Zeit- und Raumerfahrung im Roman korrespondiert; wie Stifters eigentümliche Zeichensetzung - keine Kommata zwischen den Elementen einer Aufzählung -, wie diese „Ethik des Kommas” die Ethik im Rosenhaus, jedem einzelnen Gegenstand größtmögliche Autonomie zukommen zu lassen, sprachlich verdoppelt; oder wie das irritierende Verschweigen der Eigennamen im Roman zu verstehen ist. Stadler übergeht dies und nennt - wie die von ihm belächelten Stifter-Forscher meist auch - den Ich-Erzähler ungerührt „Heinrich”, ohne auf die zentrale poetologische Frage einzugehen, warum dieser Name erst ganz am Ende des Romans, mit der Bekanntgabe der Verlobung, zum ersten Mal genannt wird.
Da Stadler keine textanalytische Abhandlung schreiben wollte, sondern eine persönliche Annäherung an Stifter, können solche Einwände nicht ins Gewicht fallen. Weniger verzeihlich sind jedoch zum einen die unzähligen Wiederholungen bestimmter Formulierungen und Versatzstücke, so als hätte Stadler im Lauf der Zeit verschiedene kleine Essays geschrieben und dann bei der Montage vergessen, die Überschneidungen zu tilgen. Zum anderen die merkwürdig plumpen Passagen der Moderne- und Gegenwartskritik, die Stadler in abenteuerlichen Assoziationsketten immer wieder in seine Beschäftigung mit Adalbert Stifter einfügt. So fällt die Beschreibung einer Stifter-Fotografie ankündigungslos in die Suada: „Aber auch die Welt ist nun, nach dem zwanzigsten Jahrhundert und all diesem, eine andere. Es ist auch eine Welt, in der Vierzehnjährige zum Geburtstag eine Schönheitsoperation geschenkt bekommen.”
Und im Hinblick auf Stifters lange unerfüllten Traum, das Meer zu erblicken, glaubt Stadler anfügen zu müssen: „Das müsste man einmal einem Zwölfjährigen, Österreicher etwa, der schon an Events teilnimmt, schon erste Après-Ski-Erfahrungen hat und weiß, was ein Chillroom ist, zu erklären versuchen.” Man weiß nicht, was Stadler zu diesen geschwätzig wirkenden Ausbrüchen bewogen hat, die das Vergnügen der Lektüre beträchtlich schmälern. Wie Fremdkörper blockieren sie die Hommage an einen Roman, dem es doch wie keinem zweiten um die Behutsamkeit und Sorgfalt der sprachlichen Annäherung an seine Gegenstände ging. ANDREAS BERNARD
ARNOLD STADLER: Mein Stifter. Du Mont Verlag, Köln 2005. 200 Seiten, 17,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Keine literaturwissenschaftliche Arbeit sondern eine persönliche Auseinandersetzung mit Adalbert Stifter habe Arnold Stadler schreiben wollen, hält Andreas Bernard dem Autor zugute. Im Mittelpunkt stehe hierbei der 1857 erschienene Roman "Nachsommer", den Stadler als "erträumte Autobiografie" lese, wie der Rezensent zitiert. Diese "fortwährende Überblendung von Leben und Werk" sei aufschlussreich und biete sich auch an, da der Roman wie ein Gegenentwurf zum unglücklichen Stifterschen Leben wirke. Allerdings, bemängelt der Rezensent, gehe die vergleichende biografische Lesart zu Lasten des Romans selbst. An dessen poetologisches Geheimnis, wie Kommasetzung, parataktischer Erzählstil oder Raum- und Zeiterfahrung, werde nicht gerührt. Wirklich überflüssig findet Andreas Bernard jedoch stilistische Wiederholungen im Text, der sich so wie eine Aneinanderreihung verschiedener Essays lese und die "geschwätzig wirkenden Ausbrüche" in Form von deplazierter Gesellschaftskritik.

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