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Gleich drei fesselnde Geschichten verbindet Andrew Crumeys verschachtelte Collage aus Geschichte, Philosophie und Farce. Dem Ratschlag seiner den Büchern abgeneigten Haushälterin folgend, wendet sich der 86-jährige Mr. Mee, schrulliger Privatgelehrter, dem alles Geschlechtliche und Technische fremd ist, dem Internet zu. Er ist auf der Suche nach Rosiers Enzyklopädie, einem verschollenen Buch, das die Philosophie eines alternativen Universums vorschlägt. Verblüfft stößt Mr. Mee auf eine Bildschirmnackte, die das gesuchte Buch liest. Die Haushälterin verlässt ihn, dafür gewinnt der Wissensfreund…mehr

Produktbeschreibung
Gleich drei fesselnde Geschichten verbindet Andrew Crumeys verschachtelte Collage aus Geschichte, Philosophie und Farce. Dem Ratschlag seiner den Büchern abgeneigten Haushälterin folgend, wendet sich der 86-jährige Mr. Mee, schrulliger Privatgelehrter, dem alles Geschlechtliche und Technische fremd ist, dem Internet zu. Er ist auf der Suche nach Rosiers Enzyklopädie, einem verschollenen Buch, das die Philosophie eines alternativen Universums vorschlägt. Verblüfft stößt Mr. Mee auf eine Bildschirmnackte, die das gesuchte Buch liest. Die Haushälterin verlässt ihn, dafür gewinnt der Wissensfreund die junge Biologin Catriona zu Hilfe, die viel von Computern, Pasta und stimulierender Massage versteht. Gerissener ist der in seine Studentin Luisa verliebte Literaturdozent Petrie. Der Spezialist für Rousseau und Proust und spürt zwei historischen Figuren namens Ferrand und Minard nach. Die dritte Geschichte führt ins Frankreich des 18. Jahrhunderts, wo die zwei Kopisten in den Besitz von Rosiers Enzyklopädie gelangen und mit ebenso viel Eifer wie Einfalt einen seltsamen Mord aufzuklären versuchen, der sie in die Umgebung Rousseaus bringt, wo sie für Spitzel gehalten werden.

Autorenporträt
Andrew Crumey, geboren 1961 in Glasgow. Studium der Physik und Mathematik; der Autor lebt heute in Newcastle-upon-Tyne. Buchveröffentlichungen. Auszeichnung 1994 mit dem 'Saltire Best First Book Prize'.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.2003

Ungefährliche Liebschaften
Cybersex mit Rousseau: Andrew Crumeys neuer Roman

Historische Vexierspiele von Erfolgsautoren wie Umberto Eco oder Antonia Byatt hat schon mancher nachzuahmen versucht. Zutaten wie verschollene Bücher, wunderliche Gelehrte und historische Requisiten, möglichst versetzt mit erotischer Würze, garantieren jedoch noch kein Erfolgsrezept. Der Schotte Andrew Crumey, ein zum Literaturredakteur gewandelter Physiker und Mathematiker, versucht mit seinem vierten Roman "Mr. Mee" (2000) eine Kreation dieser Art. In der englischsprachigen Welt hat sie bereits manchem Gaumen geschmeichelt.

Der aus dem Titel zur deutschen Übersetzung verschwundene Held der Geschichte ist eine höchst skurrile Gestalt. Weltfremd und bibliophil wie Canettis Kien, intellektuell, aber ungleich leichtgewichtiger, sucht Mee nach einer obskuren "Encyclopédie de Jean-Bernard Rosier". Auf diesen antirationalen Gegenwurf zu d'Alemberts Universalwerk führt ihn ein Zufall, die poetische Lieblingskategorie des Chaostheoretikers Crumey. Was in seinem Buch aber wie Zufall aussehen soll, ist in Wirklichkeit höchst konstruiert und dabei ziemlich unwahrscheinlich. Es beginnt mit dem Versagen konventioneller Bibliographierkünste, weshalb der Sechsundachtzigjährige sich auf Anraten seiner lebensklugen Haushälterin einen Computer zulegt. Mit den ersten Gehversuchen des unbedarften Toren im Internet und den Unbilden des Mediums ist der komische Höhepunkt aber bereits erreicht, von hier beginnt die Talfahrt in die Niederungen der Albernheit.

Denn die Suchmaschine führt sogleich auf eine Pornoseite, bloß weil das von der Darstellerin gelesene Buch verlinkt ist. Der Anblick solcher Neuphilologie schlägt Mees Haushälterin in die Flucht. Doch bald folgt Catriona, eine junge Studentin der "Lebenswissenschaft", wie sie ihr Gewerbe euphemistisch nennt. Sie verschafft dem gänzlich ahnungslosen Greis nach und nach Einblicke in das, was es da eigentlich zu sehen gibt. Auf völlig abwegige Weise ist Mee alles Weltliche, Menschliche und vor allem Weibliche fremd. Eingeführt durch Catrionas Studienpraktika - didaktisch auf dem Niveau eines Schulmädchenreports -, lernt er aber schnell, daß die erstmals von ihm entdeckte Haartracht am Frauenkörper einen Ort ungeahnter Freude verbirgt und daß Aufnahmen solcher "Pelztierchen" begehrte digitale Tauschobjekte sind. Durch diese Studien findet Mee allmählich heraus, wer das nackte Mädchen auf der Website ist und warum sie ein Buch mit dem Titel "Ferrand und Minard: Jean-Jacques Rousseau und die Suche nach der verlorenen Zeit" in Händen hält.

Diese literaturwissenschaftliche Studie schafft die Verbindung zu den beiden stetig mit Mr. Mees Geschichte verflochtenen Erzählsträngen. Ferrand und Minard sind zwei seltsame Kopisten aus der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, die Rousseau beiläufig in seinen "Confessions" erwähnt. Ähnlich tumb und lächerlich wie Flauberts Wissenschaftsadepten Bouvard und Pécuchet läßt Crumey sie mit der Handschrift von Rosiers Enzyklopädie vor zahllosen Häschern aus Paris nach Montlouis fliehen. Dort nähren sie als spitzelnde Nachbarn den legendären Verfolgungswahn Rousseaus. Ihre Abenteuer, deren Darstellung Robert Darntons grandiosen Zugängen zum literarischen Untergrund soviel wie fleißig erschlossenen historischen Quellen zu verdanken scheint, bieten einen anspielungsreichen, zuweilen aber auch etwas langatmigen Mix aus Dichtung und Wahrheit.

Für dessen Entflechtung ist Dr. Petrie zuständig, Held der dritten Handlung. Er ist der Verfasser jener Dissertation mit dem Titel "Ferrand und Minard", auf die Mr. Mee via Internet gestoßen ist. Petrie ist ein Literaturwissenschaftler, der durch möglichst steile und provokante Thesen Aufmerksamkeit erregen will. An Rousseau und Proust, die nach seiner Deutung das Leben von Personen namens "Ich" bloß erfanden, interessieren ihn nur entlegene sexuelle Details, die über viele Seiten hinweg ausgebreitet werden, um daraus kühne Schlüsse zu ziehen. Petrie geht es um die "Durchdringung der Wirklichkeit mittels der Phantasie", doch seine eigene Realität bleibt auf das Klischee oder die Karikatur einer traurigen Universitätsexistenz beschränkt. Verheiratet, aber impotent, träumt er von der sexuellen Erfüllung bei seiner Studentin Louisa.

Doch wie schon in der Haupthandlung erstickt Crumey die amourösen Reize durch die Plattheit der Konkretion. Die Möglichkeit, daß dezentere Andeutungen und Verhüllungen die erotische Wirkung befeuern könnten, wird gar nicht erst erwogen. Petries Träume von Louisa verglimmen in so einfältigen Gedanken wie dem, seinen "Schwanz in ihren Mund zu stecken". Solche pornographischen Flachheiten bleiben hinter manchen sonst gelungenen historischen Passagen wie dem gewitzten Spiel mit Paradoxien und sprachlichen Mißverständnissen zurück. An die Stelle von Raffinement rückt insgesamt Berechenbarkeit, mit der drei Handlungen zusammengezwungen werden, überlagert von schwülen Männerphantasien, die fast alle Frauenfiguren zu Prostituierten machen. So ist es auch nicht überraschend, daß die unzugängliche Louisa sich am Schluß als die Darstellerin auf jener Website erweist. An der Universität suchte sie bloß verzweifelt nach geistigen Auswegen aus einem lästigen Leben. Damit schließt sich endlich dieser Kreis, der alles andere als rund ist.

ALEXANDER KOSENINA

Andrew Crumey: "Rousseau und die geilen Pelztierchen". Aus dem Englischen übersetzt von Peter Torberg. DuMont Buchverlag, Köln 2003. 351 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.08.2003

Nackte Frau mit Buch in der Hand
Andrew Crumeys „Rousseau und die geilen Pelztierchen”
„Tragen eigentlich alle Frauen dort unten einen Bart? ...Oder ziehen es die meisten vor, glatt rasiert zu sein, oder lassen sie sich gar einen Schnurrbart wachsen?” Man kann sich ausmalen, welchen Spaß der schottische Autor Andrew Crumey hatte, als er diese und ähnliche Stellen erdachte und aufschrieb – nachzulesen in seinem höchst vergnüglichen vierten Roman „Rousseau und die geilen Pelztierchen”. Der Kerl, der so dummdreist fragt, weil er offenbar noch nie eine nackte Frau gesehen hat, ist der lebensfremde Zausel Mr.Mee, 86Jahre alt und Privatgelehrter. Vor kurzem ist ihm seine langjährige Haushälterin Mrs.B. davon gelaufen, weil sie eine pornographische Website auf dem Bildschirm seines Computers entdeckt hatte. Was Mee natürlich nicht herunter geladen hatte, um die ihm unbekannte Physis der Frau zu studieren, sondern wegen des Buchtitels, das die Nackte in Händen hielt. Es handelt sich um die Doktorarbeit eines gewissen Dr.Petrie mit dem Titel „Ferrand und Minard: Jean-Jacques Rousseau und die Suche nach der verlorenen Zeit”, auf den Mr.Mee zufällig durch einen Link bei seinen Recherchen nach einem geheimnisvollen Werk, „Rosiers Enzyklopädie”, stieß.
Jetzt also liegt dieser Mee mit der jungen Catriona im Bett, die ihm nicht nur Süppchen und Pasta kocht, sondern auch seine welke Nudel erweckt. Denn wie fast alle Frauen, die in diesem Roman vorkommen, liegt ihre Begabung eindeutig im horizontalen Gewerbe. Mees späte sexuelle Erweckung spiegelt sich gleichsam in Dr.Petries Literaturtheorie. Und vielleicht ist es ja wirklich so, wie der Schriftsteller und Literaturdozent schreibt, ein armer Tropf mittleren Alters, der aus verschmähter Liebe zu seiner Studentin Louisa an Darmkrebs erkrankt: Der Motor des Schreibens sind für ihn Liebe und Erotik, die er durch das Schreiben bei seiner Angebeteten zu erwecken erhofft. Was er nicht ahnt: Louisa ist die Pornodarstellerin auf Dr.Mees Schirm und zieht ihren erotischen Kick garantiert nicht aus der Lektüre einer staubtrockenen Dissertation ihres Uni-Lehrers. Zumal wenn deren Sujet derartig unerheblich ist wie die Rolle zweier Randfiguren eines Romans.
Das gestohlene Manuskript
Was nicht hindert, dass Crumey als dritten Erzählstrang neben den Nachforschungen des Mr.Mee und den Bekenntnissen des Dr.Petrie die Aventuren von Ferrand und Minard auf den Spuren Rousseaus spinnt, in denen ein gestohlenes Manuskript eben jener von Mee gesuchten, anscheinend von Rousseau verfassten Enzyklopädie und der Mord an einem jungen Mädchen eine zentrale Rolle spielen. Aus den drei Strängen flicht er einen dicken festen Zopf, wobei der Leser immer wieder versucht ist, einzelne Haare im straffen Geflecht zu sortieren. Denn recht eigentlich mäandert die Handlung der drei Erzählungen wild umher, einschlägige Tricks wie Suspense, schlüpfrige biographische Details und private Bekenntnisse halten einen notdürftig bei der Stange. Was einem spätestens dann egal ist, sobald man erkannt hat, dass das, was Mr.Mee, Dr.Petrie und den beiden armseligen Schreibern widerfährt, doch nur Camouflage von Crumeys eigentlichem Thema ist: der Persiflage und Parodie sattsam bekannter Literatur- und Sprachtheorien und damit des Wissenschaftsbetriebs.
Dabei verfährt Andrew Crumey in seiner akribischen Roman-Konstruktion mit ebenso absurden Mitteln wie sein fiktiver Literaturtheoretiker Clairy, der bereits im 18.Jahrhundert eine frühe Variante des Strukturalismus erfunden hat. Und diese Ausführungen lesen sich mindestens so grotesk, wie die Exkurse über die sexuellen Ausschweifungen des Marcel Proust, die im Nachhinein belegen, was dieser Clairy so heftig zu bekämpfen suchte – den Biographismus in der Literatur, die Sucht von Interpreten, in jeder literarischen Äußerung einen Rückverweis auf das Leben des Autors entdecken zu müssen. Denn das literarische Ich ist niemals deckungsgleich mit dem Ich des Autors. Clairy entwarf demnach in physikalischen Zeichnungen das bildliche Äquivalent zu den sprachlichen Bewegungen in der Literatur. „Clairy konnte jeden beliebigen Text in eine mechanische Vorrichtung verwandeln; was aber, wenn sich der Prozess auch umkehren ließ? Als Clairy einen Besen betrachtete, der an der Wand lehnte, fragte er sich, welche geheime Botschaft sich mit einem solchen wohl entschlüsseln ließe. Eine rasch durchgeführte Berechnung genügte ihm, um festzustellen, dass es sich um einen schlecht gebauten Satz handelte, der das Geschenk des Sprechers, einen Ring an seine Geliebte beschreibt.” Die daran anschließende Analyse unterscheidet sich in nichts von der Vorgehensweise der Strukturalisten. Herausgegeben hat diesen höheren Unsinn einer „mechanischen Literatur” natürlich Jean-Bernard Rosier, der in Clairy einen „Newton der Poesie” verehrt und dem Mr.Mee hinterher ist.
Womit wir endlich wieder bei Andrew Crumey angelangt wären, dessen literaturtheoretisches Kabarett weitaus nachhaltigeren Witz hat als seine schwachbrüstige Medienkritik samt ihren mit Bildungsbalast verbrämten pornographischen Einlassungen.
EVA-ELISABETH FISCHER
ANDREW CRUMEY: Rousseau und die geilen Pelztierchen. Roman. Aus dem Englischen von Peter Torberg. DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2003. 350 Seiten, 22,90Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Alexander Kosenina ist von diesem Roman alles andere als begeistert. Das Buch hat drei Handlungsstränge, die der schottische Autor allerdings mehr zusammengezwungen als kunstvoll ineinander verwoben hat, beschwert sich der Rezensent. Die Suche nach einer historischen Enzyklopädie der ersten Haupthandlung beispielsweise, deren Entdeckung wie "Zufall" aussehen soll, findet Kosenina "höchst konstruiert" und zudem nicht sehr glaubhaft. Außerdem sind die Erlebnisse der Hauptfigur Mr. Mee, der sich als über 80-Jähriger ins Internet wagt, insgesamt eher albern und "abwegig", so der Rezensent ungnädig. Was ihn aber am meisten stört, ist die direkte und wenig "dezente" Schilderung erotischer Verwicklungen. Hier, schimpft Kosenina, erliegen "amouröse Reize" der "Plattheit der Konkretion" und der Autor spart nicht an "pornographischen Plattheiten". Überhaupt werden die berechenbaren Handlungsstränge massiv von "schwülen Männerphantasien überlagert, wobei aus jeder Frau eine "Prostituierte" würde, so der Rezensent erbost, für den die Geschichte "alles andere als rund" ist.

© Perlentaucher Medien GmbH