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Produktdetails
  • Verlag: Knapp, Frankfurt
  • Seitenzahl: 336
  • Abmessung: 235mm
  • Gewicht: 666g
  • ISBN-13: 9783831407095
  • ISBN-10: 3831407096
  • Artikelnr.: 25687958
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.11.2001

Die Sächsische Lösung
Ein Sparkassenverbund als strukturpolitisches Instrument für den wirtschaftlichen Aufbau

Georg Milbradt/Bernd Thode: Die Sächsische Verbundlösung. Neuordnung der Sparkassen, der Landesbank Sachsen Girozentrale und der Sächsischen Aufbaubank. Fritz Knapp Verlag, Frankfurt 2001, 336 Seiten, 78 DM.

Wenn Sachsen erfolgreiche Industriepolitik betreiben will, braucht es starke Banken: Der spätere Reichskanzler und Außenminister Gustav Stresemann hatte das als kaum dreißig Jahre alter nationalliberaler Syndikus des Verbandes sächsischer Industrieller 1908 auf den Punkt gebracht. Neunzig Jahre später machte sich die Regierung des nach der friedlichen Revolution wieder als Freistaat eingerichteten Landes daran, abermals eine starke Bankenstruktur zu schaffen. Sie hat dabei neue Wege beschritten. Das mußte sie auch, wenn sie ihr Ziel erreichen wollte, Deutschlands alte Mitte wieder zu einer leistungsfähigen Wirtschaftsregion im Herzen Europas zu machen. Sie stieß mit ihrem oft als Modell für deutsche Sparkassenstrukturen beschriebenen Vorhaben aber auch auf Hürden.

Der einstige sächsische Finanzminister Georg Milbradt und der im selben Hause tätige Ministerialrat Bernd Thode beschreiben in ihrem Buch die seit 1998 angestrebte Neuordnung der öffentlich-rechtlichen Finanzinstitute im Freistaat Sachsen. Geplant war die Bündelung der Finanzkraft von Sparkassen, Landesbank und Aufbaubank in einer als Holding über den einzelnen Instituten arbeitenden "Sachsenbank". Herausgekommen ist der vergleichsweise locker organisierte Sachsen Finanzverband (SFV). Dieser hat zwar vor einem Jahr offiziell die Arbeit aufgenommen. Doch derzeit vermag niemand zu sagen, ob er als Haftungsverbund oder als Kapitalsammelstelle oder aber als beides arbeiten wird. Dementsprechend sind im Buch nur Ziele und Etappen auf einem noch weiten Weg beschrieben.

Grund dafür ist unter anderen die von der EU-Kommission angemahnte Abschaffung der Gewährträgerhaftung und der Anstaltslast. Dies wird im kommenden Jahr eine Novelle des sächsischen Sparkassengesetzes zur Folge haben. Das Gesetz war bereits im März 1999 vom Landtag zugunsten des SFV geändert worden. Das hatte heftigen Widerstand geweckt. Eine Bürgerinitiative diente als Sammelstelle der Kritiker, sie kämpfte sich bis zu einem Volksentscheid vor. Allerdings interessiert sich nur jeder vierte Sachse für ihre Anliegen. Dennoch sieht sie sich weiterhin legitimiert, die Auflösung des Verbands zu fordern - eine Option, die freilich vom Finanzministerium, den bisher teilnehmenden sieben Sparkassen und der Landesbank verworfen wird. Diese betrachten den SFV als das von Milbradt und Thode konzipierte strukturpolitische Instrument für den wirtschaftlichen Aufbau des Landes.

Nach Krieg und sozialistischer Zentralplanwirtschaft strebt Deutschlands alte Mitte den Aufstieg zur modernen Industriegesellschaft an. Wie schon bei der ersten großen Industrialisierung im 19. Jahrhundert stellt sich dabei die alles entscheidende Frage der Finanzierung mittelständischer Unternehmen. Die sächsischen Sparkassen zählen zwar zu den größten in den neuen Ländern. Doch die wirtschaftspolitisch entscheidenden Investitionen, zum Beispiel in der Automobilindustrie und der Mikroelektronik, überstiegen ihre Möglichkeiten. Große Privatbanken sicherten die Finanzierung. Die Institute sitzen aber in Frankfurt oder München. In Leipzig, Dresden und Chemnitz finden sich lediglich Zweigstellen - zuwenig für eine mittel- bis langfristig angelegte Ansiedlungs- und Aufbaupolitik.

Milbradt und Thode beschreiben, wie sie 1998 Vorschläge der Monopolkommission aufgegriffen und Pläne für die Fusion der Sparkassen mit der Landesbank und der Aufbaubank zu einem finanzstarken Finanzkonzern mit Sitz in Leipzig ausgearbeitet hatten. Sie kamen mit ihrem Vorhaben in eine Zeit, in der sich die Finanzstrukturen auf der ganzen Welt grundlegend gewandelt haben: Die Branche erarbeitete in Basel neue Eigenkapitalvorschriften für Kreditinstitute. Die Europäische Kommission forderte die Abschaffung der aus dem Jahr 1931 stammenden öffentlich-rechtlichen Gewährträgerhaftung und der auf ein Grundsatzurteil des Preußischen Oberverwaltungsgerichts von 1897 zurückgehenden Anstaltslast. Europa arbeitete an einem breiten privatwirtschaftlichen Fundament. Das sächsische Finanzministerium machte die Theorie der Sparkassenfrage zur Praxis.

Die Autoren zeichnen die Pläne zur Sächsischen Verbundlösung anschaulich nach. Sie geben vor dem Hintergrund der Änderungen in der europäischen Kreditwirtschaft zunächst einen chronologischen Überblick über die Ereignisse rund um die Entstehung des SFV. Eingebettet in die allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen, entwerfen sie ihre Vorstellungen von einem selbständig arbeitenden Verbund öffentlich-rechtlicher Institute. Sie erörtern die möglichen Auswirkungen einer zentralen und einer dezentralen Bankenstruktur und ziehen Parallelen vor allem zu den öffentlich-rechtlichen Institutsmodellen der süddeutschen Bundesländer.

Die historische Dimension der Thematik wird, wie in vielen anderen zeitgenössischen Darstellungen, nur gestreift. Das ist schade, denn gerade die Geschichte sächsischer Finanzinstitute könnte interessante Verbindungen zur Gegenwart herstellen. Nicht alles, was neu scheint, ist noch nie dagewesen: Das gilt gerade für das Finanzgewerbe. Als Beispiel seien nur die Finanzierung des kleinteiligen Mittelstandes im 19. Jahrhundert durch Vorschußvereine des sächsischen Richters Hermann Schulze-Delitzsch, die Diskussionen um die Gründung des sächsischen Sparkassenverbandes von 1883 und die Beteiligungsfinanzierung der einst in Leipzig ansässigen Allgemeinen Deutschen Credit Anstalt Anfang des 20. Jahrhunderts genannt.

Das Buch ist dank seiner klaren Gliederung und der für ein Finanzthema überraschend einfachen Wortwahl gut lesbar. Es gibt auch dem unbedarften Leser einen verständlichen Überblick über die an Komplexität kaum zu überbietende Thematik des Wiederaufbaus darniederliegender Industrieregionen und über die mögliche Zukunft des deutschen Sparkassenwesens.

STEPHAN FINSTERBUSCH

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Stephan Finsterbusch bedauert, dass das Buch, das die "seit 1998 angestrebte Neuordnung der öffentlich-rechtlichen Finanzinstitute im Freistaat Sachsen" zum Thema hat, die Geschichte sächsischer Finanzinstitute nur streife, da hieraus aufschlussreiche Parallelen für die gegenwärtige Entwicklung gezogen werden könnten. Ansonsten lobt er die einfache Wortwahl und die klare Darstellung, die dieses Finanzthema auch für den Laien zugänglich mache, und einen Überblick über die gegenwärtige Entwicklung gebe. Die Autoren beschreiben chronologisch die Entwicklung rund um die Entstehung des Finanzverbandes Sachsen (SFV), so Finsterbusch. Das Buch reflektiere auf verständliche Art und Weise über den Wiederaufbau daniederliegender Industrieregionen und die mögliche Zukunft des deutschen Sparkassenwesens.

© Perlentaucher Medien GmbH