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Die Macht des Erzählens und "Die Geschichte von Zeb"
Margaret Atwood kommentiert ihren Ende des Jahres anstehenden 75. Geburtstag in unserem Interview mit dem Witz, dass sie "gerade eben doch noch 39" gewesen sei ... Und liest man ihren neuesten Roman - den letzten Teil der "MaddAddam"-Trilogie, "Die Geschichte von Zeb" -, dann spürt man auf jeder Seite, dass Margaret Atwood einfach ein junger Geist ist: so fantasievoll und witzig, vor Einfällen sprühend und immer am Puls der Zeit. Auch ihre Internetpräsenz spiegelt das wunderbar wider - mit den z. B. von Atwood gezeichneten BookTour Comix…mehr

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Produktbeschreibung

Die Macht des Erzählens und "Die Geschichte von Zeb"



Margaret Atwood kommentiert ihren Ende des Jahres anstehenden 75. Geburtstag in unserem Interview mit dem Witz, dass sie "gerade eben doch noch 39" gewesen sei ... Und liest man ihren neuesten Roman - den letzten Teil der "MaddAddam"-Trilogie, "Die Geschichte von Zeb" -, dann spürt man auf jeder Seite, dass Margaret Atwood einfach ein junger Geist ist: so fantasievoll und witzig, vor Einfällen sprühend und immer am Puls der Zeit. Auch ihre Internetpräsenz spiegelt das wunderbar wider - mit den z. B. von Atwood gezeichneten BookTour Comix oder Spielen wie The Happy Zombie Sunrise Home. In Letzterem tobt sich Atwood zusammen mit Autorin und Spieleschreiberin Naomi Alderman aus. Ein weiterer Tipp für Atwood-Fans: ihre Kinderbücher, von denen einige auch auf Deutsch erschienen sind. Anarchische Geschichten und ein großer Spaß ...

"Die Geschichte von Zeb" - SciFi und große Literatur

Nun also legt die kanadische Autorin mit "Die Geschichte von Zeb" den Showdown ihrer Trilogie vor - die SciFi-Romane sind große Literatur. Atwood schafft es auch in diesem Buch - trotz Weltuntergangsszenarien, mutierten Tieren und menschenähnlichen Wesen, einem verseuchten Planeten, Pandemien und ständigen Bedrohungen - alles leicht und humorvoll daherkommen zu lassen. Um allen, die noch kein Buch der MaddAddam-Trilogie gelesen haben, eine ungefähre Vorstellung davon zu geben, hier ein paar Basics. In "Oryx und Crake" entwirft Atwood eine Welt, in der Großkonzerne mithilfe von Sicherheitscorps die Menschen beherrschen und sich hinter den "Komplexmauern" abschotten. - Jenseits dieser Mauern, im Niemandsland, leben die Plebs, also der Rest der Gesellschaft, in Slums. Eine OrgassPluss-Pille, die dauerhafte sexuelle Ekstase versprach, rottet leider fast die gesamte Menschheit aus. Zuvor hatte Crake, der Schöpfer von Orgass-Pluss, auch die Craker geschaffen - Wesen mit menschenähnlicher Gestalt, jedoch ohne Gier oder Eifersucht, dafür aber geistig sehr schlicht entwickelt. Durch das Chaos der Pandemie brechen auch die in Labors entwickelten transgenen Schweine, sogenannte Organschweine mit menschlichem Hirngewebe, oder die blutrünstigen Hunölfe aus.

Die Gottesgärtner und warum Zeb zum Bioterroristen wird

"Das Jahr der Flut" spielt zeitgleich, aber im Pleblsand außerhalb der Mauern. Dort leben die Gottesgärtner - sie lieben alle Lebewesen, sind gewaltlos, bauen Gemüse an und warnen vor den Gefahren der Technologie und vor den Konzernen. Doch es gibt auch die "entmenschten" Painballer - ehemalige Häftlinge; wer ihnen in die Hände fällt, ist sofort tot - sie essen mit Vorliebe die Nieren ... Zeb, ein Gottesgärtner, will nicht gewaltlos leben und entscheidet sich für den Kampf gegen die Konzerne. Er verlässt die Gärtner zusammen mit seinen Anhängern undsie werden zuBioterroristen.

Betörend gut - Toby erzählt underklärt den Crakern die Welt

Aber Handlungen, Ereignisse detaillierter nachzuerzählen, macht bei dieser Trilogie wenig Sinn. Man muss als Leser eintauchen in diese düstere, fantastische Welt, die Atwood in "Die Geschichte von Zeb" vorantreibt, zu einem Endpunkt hin treibt. Erzählerisch betörend gut allein der Einstieg in den Abschluss der Trilogie: Da erzählt Toby, eine Überlebende der Pandemie, den Crakern, die wie Kinder scheinen, nackt herumlaufen, zum Unmut der Menschen andauernd in seltsam hohen Tönen vor sich hin singen und nichts von der Welt verstehen, woher sie kommen.

"Am Anfang lebtet ihr im Ei. Dort hat Crake euch erschaffen.
Ja, der liebe, gütige Crake. Bitte hört auf zu singen, sonst kann

ich nicht erzählen.
Das Ei war groß und weiß und gewölbt und drinnen wuchsen

Bäume mit Laub, Gras und Beeren. Alles, was ihr gerne esst.
Ja, es hat auch geregnet im Ei.

Nein, Donner gab es keinen.

Weil Crake im Ei keinen Donner haben wollte.

Und draußen vor dem Ei war das Chaos, mit vielen, vielen Menschen,

die nicht so waren wie ihr.
Weil sie eine zusätzliche Haut hatten. Diese Haut nennt man

Kleidung. Ja, wie bei mir."


Man möchte hier noch lange zuhören und sich die Welt erklären lassen - und das dürfen wir auch. Denn Toby erzählt den Crakern, die an ihren Lippen hängen, viele Geschichten. Geschichten über die Welt, die Dinge in ihr und natürlich Geschichten über Menschen. Zum Beispiel die Geschichte des zurückgekehrten Zeb, dem Ökokämpfer, lange Tobys heimliche Liebe. Nun sind sie ein Paar, und Toby spricht zu den Crakern über Zebs Leben, erzählt von seiner Kindheit und seinen Abenteuern.

Ein Craker trägt die Kraft, die Macht des Erzählens weiter ...

Am Ende wird Blackbeard, ein Craker-Junge, den Toby vieles gelehrt hat, Tobys Stelle einnehmen. Er ist eines dieser nackten Kinderwesen, die blau leuchten, wenn sie sich paaren wollen und können, die scheinbar gar nichts verstehen und gar nichts wissen, nicht wussten, was ein Bär oder ein Fisch ist oder wo sie herkamen - bevor Toby ihnen alles erzählt und erklärt hat ... die Kraft und Macht des Erzählens geht nicht verloren; Blackbeard trägt sie weiter, die Geschichten einer Welt - so fantasievoll und schrecklich, so verloren und doch hoffnungsvoll, wie sie uns Margaret Atwood in "Die Geschichte von Zeb" erzählt.

Autorenporträt
Atwood, Margaret
Margaret Atwood, geboren 1939 in Ottawa, gehört zu den bedeutendsten Erzählerinnen unserer Zeit. Ihr »Report der Magd« wurde zum Kultbuch einer ganzen Generation. Bis heute stellt sie immer wieder ihr waches politisches Gespür unter Beweis, ihre Hellhörigkeit für gefährliche Entwicklungen und Strömungen. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem renommierten Man Booker Prize, dem Nelly-Sachs-Preis, dem Pen-Pinter-Preis und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Margaret Atwood lebt in Toronto.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.2014

Dem Elfenbeinspecht machen wir nichts vor

Margaret Atwood schließt mit "Die Geschichte von Zeb" ihre sozialkritische Science-Fiction-Trilogie ab. Darf man froh sein, dass es nun vorbei ist?

Von Julia Encke

Sie sei Kanadas berühmteste Schriftstellerin, Herrin der Wildnis, Magierin des Nordens und eine Daueranwärterin auf den Literaturnobelpreis, heißt es, wenn von Margaret Atwood die Rede ist. Sie sei "die stille Mata Hari", eine mysteriöse und stürmische Gestalt, die sich der allzu geordneten Welt wie eine Brandstifterin entgegenstelle, sagt ihr kanadischer Kollege Michael Ondaatje. Sie schreibe witzig und schlau, liest man über sie. Und so könnten die Erwartungen nicht größer sein, als ich ihr neuestes Werk, "Die Geschichte von Zeb", in die Hand nehme, um zum ersten Mal ein Buch jener inzwischen vierundsiebzig Jahre alten Dame zu lesen, die mit einer Mischung aus Verschmitztheit und Überheblichkeit auf Autorenfotos immer so entwaffnend lächelt. Dass sie aus der Wildnis kommt, ihre Kindheit in der Waldinsekten-Forschungsstation ihres Vaters verbracht hat, auf einer Insel in einem See in Québec, ohne Strom, ohne Telefon, ohne Radio, interessiert mich am meisten. Wer die Wildnis kennt, muss einen besonderen Blick auf die Menschheit haben, denke ich. Doch die Lektüre wird zur schlimmen Enttäuschung.

Das hat zunächst damit zu tun, dass es für jemanden, der Atwoods Bücher nicht kennt, kaum möglich ist, in das neue hineinzufinden: "Die Geschichte von Zeb" ist der dritte Teil ihrer "MaddAddam"-Trilogie, deren erste Bände "Oryx und Crake" und "Das Jahr der Flut" hießen, beides Bestseller. Margaret Atwood hat sehr viele Fans. Auf den ersten Seiten des neuen Buches wird zusammengefasst, "was bisher geschah". In "Oryx und Crake" kamen Klimakatastrophe, Auslöschung der Menschheit und die schöne neue Klonwelt einer gentechnisch manipulierten Spezies zusammen: "Zu Beginn der Geschichte lebt Schneemensch auf einem Baum an der Küste. Er hält sich für den letzten Überlebenden, nachdem eine tödliche Pandemie über die Erde hinweggefegt ist. In der Nähe leben die Craker, eine friedliebende, durch Biotechnik erzeugte Spezies, das Werk des genialen Crake. Crake war der beste Freund von Schneemensch und sein Rivale um die Gunst seiner Geliebten, der rätselhaften Oryx."

"Das Jahr der Flut" dagegen erzählte zur selben Zeit die Geschichte einer Ökosekte, den "Gottesgärtnern", deren Mitglieder davon ausgehen, dass genetische und klimatische Veränderungen sich massiv aufs Zusammenleben der Menschen auswirken. Unter ihnen: Zeb und (heimlich in Zeb verliebt) Toby, die von den Gottesgärtnern aus den Händen des brutalen Painballers Blanco befreit wurde. Und schon ist man mittendrin im komischen Kosmos. Es geht los mit fantasyhaften Gestalten, die kennenzulernen man gar keine Zeit hat: Nashorn, Shackleton, Katuro, Rebecca, Elfenbeinspecht, Swift-Fuchs, Beluga, Manatee, Crozier, Ren, Lotis, Blue und Amanda. Wo, um Himmels willen, bin ich hier gelandet?

Man könnte natürlich einwenden, dass die Kenntnis der ersten beiden Bände Voraussetzung ist, um diesen dritten zu verstehen. Doch handelt es sich nicht um einen dreibändigen Roman, sondern um eine Trilogie, ein inhaltlich zusammengehörendes Werk also, das aus drei Teilen besteht, die einen gemeinsamen Rahmen haben, normalerweise jedoch jeweils in sich abgeschlossen sind. Für "Die Geschichte von Zeb" trifft das nicht zu. Ohne die kursorischen "Was bisher geschah"-Bemerkungen zu Beginn wäre es für uneingeweihte Leser überhaupt nicht zugänglich. So wundert man sich, dass nicht mal der Verlag eingreift und uns mit einem Vorwort zu Hilfe eilt. Er lässt den Nicht-Atwood-Leser völlig allein.

So versuche ich mich durchzuschlagen durch Atwoods postapokalyptisches Dickicht und werde dabei vor allem von ihren mutierten Tieren und Fabelwesen in disziplinloser Ausführlichkeit zugequasselt. In einem Lehmhaus, das früher einmal Partyveranstaltungsort war, haben die Überlebenden der alles auslöschenden Flut zusammengefunden. Ein Refugium, das fernab der Trümmer der Stadt liegt, der menschenleeren Straßen und plötzlichen Kabelbrände. Hier erheben sich die ehemaligen Gottesgärtnerinnen Toby und Zeb gegen die Gefahren der entvölkerten anarchischen Welt und erzählen Geschichten von früher, mit denen Margaret Atwood offenbar die Erzähllücken der früheren Bände füllt. Es geht um die Frage, wie sich eine bessere Zivilisation in der Asche der zerstörten errichten lässt. Gibt es Hoffnung, dass die neue Spezies besser sein könnte als der Homo sapiens? Und es geht um eine Metaerzählung, ums Geschichtenerzählen: "Es gibt die Geschichte, dann gibt es die wahre Geschichte, und dann gibt es die Geschichte, wie es zum Erzählen der Geschichte kam. Dann gibt es noch das, was man weglässt. Und auch das gehört zu der Geschichte." Das klingt komplizierter, als es ist. Eigentlich ein in der Literatur völlig selbstverständlicher Gedanke.

Sie schreibe keine Science-Fiction, sondern "spekulative Fiktion", die wirklich geschehen könne, hat die Autorin behauptet, die Gesellschaft, die sie beschreibe, sei nicht sehr weit von unseren heutigen Verhältnissen entfernt, wo man Regierungen und große Konzerne nur schwer unterscheiden könne. So nutzt sie ihre grotesken Entwürfe für eine Gegenwartskritik, die im Grunde aber wenig Überraschungen birgt. Atwoods Trilogie endet versöhnlich. Liebe ist möglich. Die in den Laboren hergestellte neue Spezies, in "Oryx und Crake" noch der Gegner, wird zur größten Hoffnung. Ich könnte, denke ich, jetzt natürlich von vorn anfangen, beim Weltuntergang, um nachzuholen, was mir entgangen ist. Doch ich bin einfach nur froh, dass es vorbei ist.

Margaret Atwood: "Die Geschichte von Zeb". Roman.

Aus dem Englischen von Monika Schmalz. Berlin Verlag, Berlin 2014. 480 S., geb., 22,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.07.2014

Die schönsten Seiten des Sommers
Apokalypse
mit Zitronenduft
Eine Seuche rafft die Menschheit fast gänzlich dahin, nur ein paar Ökofundamentalisten überleben und basteln in alten Lehmhütten an ihrer mehr oder minder idealen Gesellschaft. Die Kommune teilen sie sich mit Laborgeschöpfen namens Craker, die schnurren wie Kätzchen, nach Zitrone riechen und ohne List sind. Der idealen Welt dient das, hätten sie nicht die Schrulle, ständig zu singen und nach Geschichten zu verlangen. Nach der von Zeb etwa, dem smarten Untergrundkämpfer. Der letzte Teil der dystopischen MaddAddam-Trilogie, der trotz Überwachungsstaat und Umweltkatastrophe eine kuriose Leichtfüßigkeit hat für diesen Sommer.
CLAUDIA FROMME
    
  
Margaret Atwood:
Die Geschichte von Zeb.
Roman. Aus dem Englichen von Monika Schmalz.
Berlin Verlag, 2014.
480 Seiten, 22,80 Euro, E-Book 16,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Froh, dass es vorbei ist, legt Rezensentin Julia Encke das Buch aus der Hand. Das liegt zum einen an den enormen Erwartungen, mit denen sie in die Lektüre gegangen ist, Margaret Atwood ist ein Star. Zum anderen hat es damit zu tun, dass Encke die ersten beiden Teile der Trilogie nicht kannte, deren dritter Teil der vorliegende Band ist. Encke dachte, es handelt sich um jeweils in sich geschlossene Teile - von wegen. Die Rezensentin wird sogleich mitten hineinkatapultiert in ein postapokalyptisches Dickicht aus Fabelwesen und merkwürdigen Tieren, die auch noch auf sie einquasseln. Zu viel für Encke. Dass kein Lektor es für nötig gefunden hat, dem Band ein erklärendes Vorwort zu spendieren, kann die Rezensentin gar nicht fassen. Und nebenbei: Atwoods in die Geschichte eingebettete Gegenwartskritik hält Encke für wenig überraschend.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Eine Utopie will [Margaret Atwood in ihrer Science-Fiction-Triologie] allerdings nicht sehen. Sie sagt, sie habe nur über Dinge spekuliert, die bereits real sind. Oder mindestens geplant.", Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Jörg Albrecht, 14.06.2015