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Zeewijk um 1900: Ungewöhnlich aggressive Raben haben sich im Kirchturm niedergelassen. Eine Kaninchenseuche ist ausgebrochen, und der Traum von einem heiligen Ort in den Dünen macht die Runde unter den strenggläubigen Dorfbewohnern des Küstendorfs. Auch der als nervenkrank geltende Fremde, Wijnand Marseu, der in einer weißen Villa hoch über dem Meer wohnt, soll diesen Traum gehabt haben, kurz bevor er tot aufgefunden wird. Nicht zuletzt aus beruflichem Ehrgeiz legt es der Erzähler darauf an, die Ereignisse in einen höheren Zusammenhang zu bringen. Er ist der letzte Spross einer…mehr

Produktbeschreibung
Zeewijk um 1900: Ungewöhnlich aggressive Raben haben sich im Kirchturm niedergelassen. Eine Kaninchenseuche ist ausgebrochen, und der Traum von einem heiligen Ort in den Dünen macht die Runde unter den strenggläubigen Dorfbewohnern des Küstendorfs. Auch der als nervenkrank geltende Fremde, Wijnand Marseu, der in einer weißen Villa hoch über dem Meer wohnt, soll diesen Traum gehabt haben, kurz bevor er tot aufgefunden wird. Nicht zuletzt aus beruflichem Ehrgeiz legt es der Erzähler darauf an, die Ereignisse in einen höheren Zusammenhang zu bringen. Er ist der letzte Spross einer Stadtschreiberfamilie, ein Erinnerer, selbst tief verwurzelt in der Dorfgemeinschaft und ihren von Glauben und Aberglauben geprägten Legenden. Merkwürdig somnambul zieht er von einem Dorfbewohner zum anderen, von einer unheimlichen Anekdote zur nächsten und offenbart dabei kaum wahrnehmbar sein eigenes Geheimnis. In der Überblendung von Vergangenheit und Gegenwart entsteht ein faszinierendes und abgründiges Panorama des Mikrokosmos Zewijk, einer in Tradition und Aberglauben verstrickten Gemeinschaft.
Autorenporträt
Robert Haasnoot wurde 1961 in den USA geboren und wuchs im niederländischen Fischerdörfchen Katwijk auf.
Rezensionen
'Robert Haasnoots bislang bester Roman, ein kleines Meisterwerk.' (NEDERLANDS DAGBLAD)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.08.2008

Kult und Düne
Robert Haasnot lässt die Unglücksraben kreisen

"Raben kündigen den Tod an, so wie die Haie im Meer", notiert der namenlose "Erinnerer" von Zeewijk in sein Merkheft. Seine inoffiziellen Aufzeichnungen liest man im gleichnamigen dritten Band von Robert Haasnoots locker gefügter "Zeewijk-Saga", die nun - weiter als zuvor - bis ins Jahr 1900 zurückgeht.

Als gläubige Calvinisten stehen die meisten Mitbürger des Ortschronisten dem Lebensende keineswegs grundsätzlich negativ gegenüber, doch der Schwarm großer schwarzer Vögel, die sich plötzlich überall im niederländischen Fischerdorf breitmachen, ängstigt manchen buchstäblich zu Tode: Der greise Dirk Plas ist nach einer Begegnung sicher, in die Hölle zu kommen, und verstirbt bald darauf untröstlich, den zurückgebliebenen Taubenfütterer Aam bringen Angriffe des Rabenmobs um das letzte bisschen Verstand, und der jungen, ungewollt schwangeren Reederswitwe Sophie van Wijkerslooth beschert die Invasion einen einmalig grässlichen Albtraum. Außerdem rafft eine ekelhafte Seuche die örtlichen Kaninchenbestände dahin, ein reicher Mann liegt in seinem Blut, und ein rätselhafter Traum von einer Art Nirwana in den Dünen geistert gleichermaßen durch die Nächte eines Malers aus der ortansässigen Bohème-Kolonie, eines Teeplantagenerben in der kubistischen Villa auf dem Hügel und durch den Schlaf alter Grönlandfahrer.

Auch der Erinnerer hat den Nirwana-Traum und will ihm auf den Grund gehen, sogar gegen die Raben antreten. Hinter dieser Tatkraft steckt, natürlich, eine Frau. Der Mittdreißiger führte, so liest man zwischen den Zeilen, bisher eine verschämte und verdruckste Junggesellenexistenz, ohne sich aus dem Schatten seines verstorbenen, gelehrten und angesehenen Vaters befreien zu können. Dass er regelrecht getrieben scheint, seine von beschwörenden Bibelstellen durchzogenen Privatnotizen einem ominösen Gefängnisinsassen zu hinterlassen, lässt ahnen, dass es zwischen Himmel und Dünen noch einiges gibt, was in Zeewijk hartnäckig beschwiegen wird.

Haasnoots Landsmann Maarten't Hart, der mehrfach ähnliches Terrain beackert hat, hätte das vielversprechend düstere Potential möglicherweise in einem milieugesättigten Krimi aufgelöst. Auch einer gothic novel, wie sie Steward O'Nan in "Das Glück der Anderen" in der amerikanischen Provinz ansiedelt, hätte die Endzeitstimmung mit Erlösungsvision und gefiederten Unheilboten gut angestanden. Robert Haasnoot wählt selbstbewusst keine dieser Varianten, findet dann aber leider auch nicht zu einer anderen stringenten Erzählform. Eine Fülle halb geglaubter, halb belächelter Legenden, Anekdoten und den Calvinisten in Fleisch und Blut übergegangene Bibelzitate, die mitten in den Dorfklatsch eingeflochten werden, sind zwar kurzweilig, überdecken dieses Manko aber nicht. Die Geschichte wirkt unentschieden, wird löchrig, sprunghaft und mit vielen Redundanzen erzählt. Man ist einem unzuverlässigen Erzähler ausgeliefert, der verschweigt, dramatisiert ("Der heiße Atem, der ihnen entgegenschlug, roch nach Verderben und Unheil"), der abschweift und noch dazu dringend eine Beichte ablegen möchte, sich dafür aber - menschlich einleuchtend - fast zweihundert Seiten lang warmlaufen muss. Zumindest die Rabeninvasion wird aufgeklärt, doch die erweist sich erstaunlicherweise als Nebensache.

Obwohl sich der Erzähler über das ererbte Amt und seine Aufzeichnungen definiert, die eigentlich nur noch in Form von gereimten Reden zu Jubiläumsfeiern oder als Unterhaltungsbeilage der Zeitung gefragt sind, misstraut er dem Gedächtnis ("Ein Duft lügt nicht, wohl aber unser Gedächtnis, das weiß ich wie kein anderer") und nicht minder den Chroniken seiner Vorfahren, die gegen Geld manches aussparten, was den Herren von Zeewijk nicht gefiel. Nicht von ungefähr träumt der mit Vergänglichkeit, Schuld und Verantwortung hadernde Protagonist selbst den ereignislosen, ungeheuer beglückenden Traum von einem Ort in den Dünen, an dem ewiger Frieden und Zeitlosigkeit herrschen.

Dieses utopische Nachtgesicht teilen an einem Ort verkrusteter religiöser Krämerei wie Zeewijk genügend trostbedürftige Schläfer, und noch mehr wünschen es sich. In Wirklichkeit soll die heilige Stelle nur der "Mohammedaner" geschaut haben, ein pantheistischer Weiser auf Durchreise - mit "offenen Augen" und am hellichten Tag, gibt der Erinnerer zu Protokoll. Er selbst wird so bald keinen Frieden finden, höchstens eine kleine Ruhepause für sein Gewissen: "Ich werde die Ohren verschließen vor den bösen Einflüsterungen des Meeres . . . Ich möchte den Schnee unter den Füßen knirschen hören und staunen, wie die Welt aussieht."

ANNETTE ZERPNER

Robert Haasnoot. "Der Erinnerer". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Christiane Kuby. Berlin Verlag, Berlin 2008. 210 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Durchwachsen findet Annette Zerpner diesen Roman Robert Haasnoots, den dritten Band der "Zeewijk-Saga", der um 1900 spielt. Die Ausgangssituation birgt ihres Erachtens "vielversprechend düsteres Potential": Zeewijk, ein von krämerischen Calvinisten bewohnter Ort, wird heimgesucht von einem Schwarm Unheil verkündender schwarzer Vögel, der die Dorfbewohner in Angst und Schrecken versetzt, einer Kaninchenseuche, einem Mord und einem seltsamen Traum von einer Art Nirwana in den Dünen. Zu Zerpners Bedauern gelingt es dem Autor nicht, eine "stringente Erzählform" zu finden. Die zahlreichen Legenden, Anekdoten und der Dorfklatsch scheinen ihr zwar unterhaltsam, können diesen Mangel aber nicht wettmachen. "Die Geschichte", so ihr Urteil, "wirkt unentschieden, wird löchrig, sprunghaft und mit vielen Redundanzen erzählt."

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