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David und Nathalie sind Adoptivkinder. Sie haben verschiedene Mütter, wuchsen aber wie Geschwister bei denselben Adoptiveltern auf. Als sie bereits erwachsen sind und eigene Kinder haben, entscheiden sie sich, ihre wahren Mütter ausfindig zu machen. Es beginnt ein schmerzhafter Prozess für die Partner, die Adoptiveltern und besonders für die leiblichen Mütter, die in all den Jahren ein völlig anderes Leben geführt haben.
Joanna Trollope hat dieses wichtige Thema in einem zugleich spannenden und feinfühligen Roman verarbeitet.

Produktbeschreibung
David und Nathalie sind Adoptivkinder. Sie haben verschiedene Mütter, wuchsen aber wie Geschwister bei denselben Adoptiveltern auf. Als sie bereits erwachsen sind und eigene Kinder haben, entscheiden sie sich, ihre wahren Mütter ausfindig zu machen.
Es beginnt ein schmerzhafter Prozess für die Partner, die Adoptiveltern und besonders für die leiblichen Mütter, die in all den Jahren ein völlig anderes Leben geführt haben.

Joanna Trollope hat dieses wichtige Thema in einem zugleich spannenden und feinfühligen Roman verarbeitet.
Autorenporträt
Joanna Trollope geb. 1943, arbeitete im englischen Außenministerium und als Lehrerin in Südengland, bevor sie in den Neunziger Jahren eine der Starautorinnen des Landes wurde, deren Romane regelmäßig verfilmt werden. Sie lebt in London und Gloucestershire.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2006

Mütter sind Luftblasen
Nibelungenuntreue: Joanna Trollope dekonstruiert einige Familien

Joanna Trollopes Roman "Bruder & Schwester" gleicht einer Sitcom, bloß ohne die Witze. Die Handlung lebt von den kleinen Explosionen, die sich aus dem Zusammenleben von Menschen auf dem engen Raum namens Familie ergeben. Sie navigiert zwischen mehreren Paaren und drei Generationen und läßt sich tief auf den Alltag einer englischen Kleinstadt ein.

Es ist eine schlichte Interview-Anfrage der Psychologiestudentin Sasha, die die Idylle in eine Krise versetzt, die alle Bindungen in Frage stellt, Probleme aufdeckt und den Protagonisten schließlich zu einem gestärkten, von Illusionen geläuterten Selbstbewußtsein verhilft. Sasha beschäftigt sich mit den Spätfolgen von Adoptionen und erfährt von ihrem Freund Titus, daß Natalie, die Frau seines Chefs Steve, ihre wahren Eltern nicht kennt. Natalie ist für Sashas Feldforschung insofern ein interessanter Fall, als sie ihre Adoption - untypisch - für einen Glücksfall hält, der es ihr erlaubt, sich selbst frei zu erfinden. Doch wie so oft verfremdet die Versuchsanordnung das Ergebnis: Das Interview mit Sasha weckt bei Natalie paradoxerweise den Wunsch, ihre leibliche Mutter kennenzulernen. Sie begnügt sich nicht damit, in eigener Sache einen Suchdienst einzuschalten, sondern stiftet dazu auch David an, der wie sie von Lynne adoptiert worden war.

"Bruder & Schwester" dreht sich im Kern um die enge Beziehung dieser beiden wurzellosen Geschwister und um die Auswirkungen, die diese wechselseitige Verschworenheit auf beider Ehen hat. David, der einen ersten Satz Adoptiveltern durch einen Unfall verlor, zeigt starke Verdrängungssymptome. Als manischer Schachspieler ist er vom Bedürfnis nach überschaubaren Bedingungen und klaren Regeln getrieben. Seine Tätigkeit als Landschaftsgärtner verschreibt sich der Kultivierung der Natur, und auch die Wahl seiner Ehefrau, einer Kindergärtnerin, setzt die professionelle Pädagogin über die erziehende Blutsverwandte. Kontrolle ist das Wort, das immer wieder fällt. Joanna Trollope führt vor, daß diese Kontrolle nicht nur die durch Adoption Verletzten beschäftigt, sondern auch die perfektionistische Mutter und den seine Gefühle versteckenden Liebhaber, eben jeden, der emotionale Verhältnisse dazu mißbraucht, Macht um ihrer selbst willen auszuüben.

Die von Sashas Interview ausgelöste Kettenreaktion räumt mit solchen eingespielten Sicherheiten auf. Eine ganze Pyramide der Abhängigkeiten beginnt zu wanken, als die Geschwister sich zu ihren Müttern aufmachen. Anders als in "Faust II" sind die Mütter bei Trollope allerdings kein hehrer Ort, sondern eine Luftblase, die bei der Berührung zerplatzt. Der Ursprung versagt als identitätstiftende Quelle und setzt das Gewachsene neu ins Recht.

Die falschen Geschwister entsagen ihrer Nibelungentreue, die falschen und echten Mütter ihrem schlechten Gewissen, die Ehepartner werden von der Konkurrenz ihrer Adoptivschwager und -schwägerin befreit, und die Kinder leiden nicht länger unter dem Gefühl, in einer Familie in Anführungszeichen zu leben. Das Happy-End des Romans fällt jedoch nicht allzu märchenhaft aus, weil es einen Seitensprung, zwei Kündigungen in Steves junger Designfirma, einen das Großfamiliennetz zerreißenden Umzug nach Kanada und das Wissen einschließt, daß die leibliche Herkunft für immer verspielt ist.

Joanna Trollope ist Realistin und glaubt an die Tugenden der ernüchternden Klarheit. Ihre Helden haben die "lange, schmerzliche Reise zu der Versöhnung mit dem eigenen Ich" auf sich genommen: Natalie legt ihren Finger auf die verheilten Narben der Wunden, die David sich in der Jugend mit Rasierklingen zugefügt hat. ",Nicht mehr dahin zurück', sagte sie. Er sog leicht die Luft ein. ,Nie mehr dahin.'" Es gehört zur Ausbuchstabierung der kleinen Tragödien, daß sie von jenem Pathos nicht frei sind, das man mit Kitsch assoziiert. Auch das ist Teil der Sitcom-Romantik. Auf der Habenseite verzeichnet der Roman punktgenaue Dialoge und meisterhafte Augenblickspsychogramme, bei denen das Forscherauge der Kinder oft das letzte Wort behält. "Bruder & Schwester" ist nicht zuletzt ein Varieté der bequemen Lebenslügen und ein Votum für den Mut, sie zu erschüttern. Sich ihnen zu stellen mag keine Abkürzung zum Glück sein, aber allemal ein kurzweiliger Umweg, der den Stillstand erspart.

INGEBORG HARMS.

Joanna Trollope: "Bruder & Schwester". Roman. Aus dem Englischen von Angelika Kaps. Verlag Bloomsbury Berlin, Berlin 2005. 390 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dieser Roman "gleicht einer Sitcom, bloß ohne die Witze", stellt Ingeborg Harms fest. Das Buch lebe davon, dass in einer Familie Konflikte heftiger zum Ausbruch kommen als in anderen Beziehungen. Ein vermeintlich harmloses Interview zu den Spätfolgen von Adoptionen veranlassen Natalie und ihren Bruder David, ihre unterschiedlichen Mütter zu suchen. Darüber ändert sich nicht nur die bisherige Schicksalsverbundenheit der "falschen Geschwister", referiert die Rezensentin, sondern auch die Beziehungen zu den Ehepartnern, den Adoptiveltern und enttäuschenden leiblichen Müttern werden andere. Manchmal tendiert der Roman zum "Kitsch", meint Harms. Positiv zu vermerken seien allerdings die "punktgenauen Dialoge" und die "meisterhaften Augenblickspsychogramme", die Trollope zu bieten habe.

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