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Wer kennt sie nicht, diese uralte Sehnsucht nach einem Wendepunkt im Leben, nach Neuanfang? Ein paar Zufälle nur, und alles wird anders, wendet sich zum Glück ... Simon Nardis, Ingenieur aus Paris, hilft einem Kollegen in einem Badeort an der Atlantikküste. Um sich die Zeit bis zur Abfahrt seines Zuges zu vertreiben, gehen sie in den örtlichen Jazzclub. Ein junges amerikanisches Trio spielt. Simon, der ehemalige Jazzpianist, hat zehn Jahre lang kein Klavier mehr angerührt und keinen Alkohol, um nicht wieder jener "tödlichen Mischung" zu verfallen, an der er fast zu Grunde gegangen wäre, wenn…mehr

Produktbeschreibung
Wer kennt sie nicht, diese uralte Sehnsucht nach einem Wendepunkt im Leben, nach Neuanfang? Ein paar Zufälle nur, und alles wird anders, wendet sich zum Glück ...
Simon Nardis, Ingenieur aus Paris, hilft einem Kollegen in einem Badeort an der Atlantikküste. Um sich die Zeit bis zur Abfahrt seines Zuges zu vertreiben, gehen sie in den örtlichen Jazzclub. Ein junges amerikanisches Trio spielt. Simon, der ehemalige Jazzpianist, hat zehn Jahre lang kein Klavier mehr angerührt und keinen Alkohol, um nicht wieder jener "tödlichen Mischung" zu verfallen, an der er fast zu Grunde gegangen wäre, wenn ihn nicht Suzanne, seine Ehefrau, gerettet hätte. Das Trio spielt seinen Stil - der ihn in der Welt des Jazz von New York bis Kopenhagen berühmt gemacht hat. Und Simon trinkt ein erstes Glas, setzt sich ans Klavier, schlägt einige Akkorde an. Die Jazzsängerin Debbie Parker erkennt sein Spiel - und die Liebe hat ihren Auftritt.
Gailly erzählt von einem glücklichen Moment. Die Geschichte swingtwie eine Jazzimprovisation, und vom ersten Takt an wird man getragen von der Melodie eines (schmerzlichen) Glücks.

"Ein Abend im Club" wurde vom Magazin 'Lire' zum besten französischen Roman des Jahres 2002 gewählt.
Autorenporträt
Christian Gailly wurde 1943 geboren. Er war Jazzsaxofonist, dann Psychoanalytiker und lebt heute als Autor in Paris.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.11.2003

Kunst unter Einsatz des Lebens
Christian Gaillys Jazzroman erzählt von einem, der den Zug verpaßt

Wenn es einen zeitgenössischen Schriftsteller gibt, auf den das Lob der "Musikalität der Sprache" nicht nur zutrifft, sondern der uns diese etwas abgegriffene Metapher geradezu wie eine Entdeckung empfinden läßt, dann ist es Christian Gailly. Elf Bücher hat der sechzigjährige Pariser Romancier in den Editions de Minuit, dem Stammhaus der literarischen Nachkriegsmoderne Frankreichs, bislang herausgebracht, und stets gibt ein musikalisches Werk oder eine Musikrichtung den Ton vor, den Rhythmus, die Valeurs und die Stimmung, auf die Gaillys Prosa hört und von der sie ihre kunstvolle, im höchsten Maß geschmeidige, den Boden des Realismus allenfalls tänzelnd berührende Sprache leiten läßt.

Die Passion des Autors kann dabei einer klassischen Komposition gelten wie in "KV 622", wo wir dem grazil-komischen Bemühen beiwohnen, eine Aufführung von Mozarts spätem Klarinettenkonzert zu besuchen, das dem musikalisch wie erotisch fahrig verzückten Ich-Erzähler allerhand Fährnisse einbringt und zu guter Letzt die nicht wenig merkwürdige Begegnung mit einer von ihrem Ehemann im Konzertsaal ausgesetzten blinden Mozart-Verehrerin. Auch durch die Liebe zum Jazz läßt Gailly seine Prosa musikalisch formen, wie er in "Bebop" eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat: In diesem Roman mit seinem grandiosen Stimmen- und Gedankenswing begegnen sich die Lebenswege eines mit seiner Frau urlaubenden ehemaligen Jazzmusikers und eines jungen Altsaxophonisten, um in eine mitreißende Jazzabendapotheose zu münden.

In seinem jüngsten Buch nimmt Gailly die in "Bebop" angespielte Thematik wieder auf und führt sie konsequent durch. Der in die Jahre gekommene Ingenieur Simon Nardis wird zum Noteinsatz an einer industriellen Heizungsanlage in eine kleine Stadt an der Atlantikküste beordert. Nach getaner Arbeit und vor dem letzten Zug nach Hause winkt eine Abendunterhaltung, sein dankbarer Auftraggeber führt ihn in den Jazzclub "Le Dauphin vert". Der Abend wird zum Wendepunkt in Simons Leben. Von nun an wird er so viele Züge nach Paris verpassen, daß Ehefrau Suzanne das Schlimmste befürchtet, sich darum aufmacht, ihren Mann selbst abzuholen, und daraufhin das Schlimmste erleidet.

Daß Suzanne den Platz an seiner Seite räumen wird, ist nicht einmal unvorhersehbar an Simons Geschichte, so wie sie hier erzählt wird. Dafür sorgt sein bester Freund, ein Maler, der uns aus dem Nachhinein mit allerlei Vorgriffen und Ausblicken von den Geschehnissen berichtet. Daß Simon in einem früheren Leben ein stilbildender Jazzpianist war, daß Suzanne ihn vor langer Zeit aus einem Sumpf von Drogen, Alkohol und Jazz ins bürgerliche Leben rettete, daß aber gleichwohl das Gefühl, seine Kunst verraten zu haben, an Simon nagt, der seit zehn Jahren keinen Tropfen Alkohol und keine Klaviertaste mehr angerührt hat - all das wissen wir, als er den Club betritt und die Urszene jedes Verräters seiner selbst erlebt.

Er lauscht einem Klaviertrio. Drei junge Amerikaner sind zu Gast: Bill, Scott und Paul; Jazzkenner mögen ihre Namen zu denen des Bill-Evans-Trios ergänzen. Vor allem aber hört Simon sich selbst, eine junge Version seiner selbst, einen Pianisten, der brillant in seinem Stil von damals spielt. Kann man einen Stil wirklich imitieren, ist es überhaupt ein Stil, wenn man ihn imitieren kann? In einer Pause erliegt der Kunstabtrünnige der Versuchung, geht auf die Bühne und setzt sich ans Piano. Der rauschhaft erlebte Abend im Club wird ihm zum Spiel um sein Leben, zum Kampf zwischen dem Eindruck, daß die Musik ihn nicht mehr braucht, und der Ahnung, daß er die Musik braucht, daß er nur ganz er selbst sein kann, wenn er spielt. Der Stil ist der Mensch - dieser Satz wird von Gailly ernst, weise, traurig und witzig umspielt, wenn er seinen Erzähler sagen läßt: "Die Kunst unter Einsatz des Lebens, wer denkt heute noch so?" Unter allen Illusionen, so bekundet er in einem Interview, sei ihm diese die unverzichtbarste.

Wer ganz er selbst ist und doch mit aller Macht genau davor zurückschreckt, wird erkennbar, stark und schwach zugleich, anrührend. Zwischen Simon und Debbie, der amerikanischen Besitzerin des Clubs, entspinnt sich an diesem Abend eine Liebesgeschichte. Alle Mittel seiner Sprachkunst setzt Christian Gailly ein, um diese unerwartete und späte Liebe zweier nicht mehr Junger, zweier innerlich Exilierter zart und diskret und doch aus nächster Nähe zu erzählen. Sätze werden in ihrem natürlichen Lauf unterbrochen, wieder aufgenommen, zu größeren Bögen verbunden. Unausgesprochene Gedanken entwickeln sich zu rhythmischen inneren Dialogen. Die Prosa eilt voraus, springt zurück, swingt, nimmt eine Beobachtung oder eine Redewendung erstaunt zum Anlaß für einen verspielten kleinen Schlenker, ein Minisprachsolo gewissermaßen, und den Liebenden geraten alltäglichste Floskeln zum rhythmischen, bedeutungsenthobenen Duett. Die Übersetzerin Doris Heinemann müht sich redlich, kann aber nicht gegen die Grenzen der Übertragbarkeit des klanglichen Spiels an: Wenn Simon, als er die Tür des Jazzclubs öffnet, John Coltranes Saxophon entgegenschlägt, "une musique sous pression, enragée parce qu'enfermée", dann ist das eben nur fast dasselbe wie "eine unterdrückte, eine wütende, weil eingeschlossene Musik".

Doch bleibt der ganze scheinbar freie, sprachverliebte Lauf der Prosa im Dienst einer Geschichte, die Gailly sowenig aus dem Auge verliert wie seine Überzeugung, daß die großen Themen Liebe, Opfer, Kunst und Tod ihren Ernst und ihre Würde nur bewahren, wenn man bis zuletzt auch lacht über sie. Auf dem Ton einer glücklichen Farce über das Glück klingt sein Buch aus. Das kleine Wunder seiner Prosa aber ist, dem Leser das Wunder der Liebe anzukündigen und es ihn doch überraschend und frisch erleben zu lassen - was nicht zuletzt an ihrer leicht von sich selbst berauschten musikalischen Leichtigkeit liegt, an der souplesse Gaillys.

Um dieses Kleinod zu genießen, muß man gar nicht wissen, wie nah Simons Geschichte der ihres Verfassers ist, der selbst einmal Heizungsingenieur, Jazzsaxophonist und schließlich auch nichtpraktizierender Psychoanalytiker war, bevor er zu schreiben begann. Die Widmung des Buches aber sollte man nicht überlesen: Sie gilt der Frau, die Simon gleich zweimal das Leben schenkt. Die Kunst unter Einsatz des Lebens - diese Formel wird von Monsieur Gailly eben auch in ihrem grausamen Verständnis inszeniert.

MICHAEL ADRIAN

Christian Gailly: "Ein Abend im Club". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Doris Heinemann. Berlin Verlag, Berlin 2003. 142 S., geb., 16,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Elf Bücher habe Christian Gailly bereits bei den kleinen aber feinen "Editions de Minuit" veröffentlicht, erzählt Michael Adrian, und bislang habe immer ein musikalisches Werk oder eine Musikrichtung den Weg und den Ton vorgegeben. So auch in diesem Fall, bei dem Gailly die Jazz-Thematik aus seinem Roman "Bebop" aufgreife und einen in die Jahre gekommenen Ingenieur, der in einem früheren Leben Pianist und alkoholabhängig war, in einem Jazz Club der Provinz auf sein altes Suchtverhalten stoßen lässt. Zwei Liebesgeschichten entspinnen sich an diesem Abend: eine alte mit der Musik und eine neue mit der Clubbesitzerin, wobei Gailly für Letztere alle Mittel seiner raffinierten Sprachkunst aufwende, so Adrian. Denn Gailly nehme sein musikalisches Thema ernst und lasse seiner Prosa freien Lauf, die vor- und zurückspränge, aber hier und da für kleine rhythmische Dialoge innehalte, die artistischen Soli glichen und die Übersetzerin eindeutig an ihre Grenzen brächten. Doch bleibe die scheinbar so freie Sprache stets im Dienst der Geschichte, betont der Rezensent, der die stilistische Leichtigkeit Gaillys nicht genug loben kann, die den großen Themen Kunst, Liebe, Opfer, Tod zugleich ihren Ernst und ihre Würde belasse.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Nachdenklich, psychologisch ausbalanciert erzählt er von Rausch und Abenteuerlust. Eine Geschichte mit der Sogkraft eines Jazzsolos." (Focus)

"Wie Gailly, einst selbst gefeierter Jazz-Saxophonist, das Spiel der Gesten und Töne ... In einen lässigen Sprachstil übersetzt, macht jeden Leser wehrlos." (Die Welt)

"Wenn es einen zeitgenössischen Schriftsteller gibt, auf den das Lob der 'Musikalität der Sprache' nicht nur zutrifft, sondern der uns diese etwas abgegriffene Metapher geradezu wie eine Entdeckung empfinden läßt, dann ist es Christian Gailly." (FAZ)