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Mit fünf wunderbar komponierten Erzählungen erweist sich Nell Freudenberger als eine der großen Begabungen der jungen amerikanischen Literatur. Verblüffend klar und mit umwerfender Selbstsicherheit erzählt diese junge Autorin von Liebe, Einsamkeit und der suche nach Identität.

Produktbeschreibung
Mit fünf wunderbar komponierten Erzählungen erweist sich Nell Freudenberger als eine der großen Begabungen der jungen amerikanischen Literatur. Verblüffend klar und mit umwerfender Selbstsicherheit erzählt diese junge Autorin von Liebe, Einsamkeit und der suche nach Identität.
Autorenporträt
Nell Freudenberger has lived and taught in Bangkok and New Delhi and now lives in Brooklyn, New York.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.05.2004

Ohrringe im Abflußbecken
Interkontinentaltapeten: Nell Freudenbergers Stories beschreiben die Leiden der Weltläufigkeit

Nell Freudenberger ist ein "lucky girl" des amerikanischen Literaturbetriebs. Gleich mit ihrer ersten Erzählung - der Titelgeschichte des vorliegenden Bandes - kam sie groß im "New Yorker" heraus. Ein sechsstelliger Vorschuß ließ nicht lange auf sich warten. Als wäre das noch nicht Glück genug, gab es dann noch hymnische Kritiken, als "Lucky Girls" erschien: "Jede Geschichte offenbart die Entdeckung einer in Wahrheit wunderbaren Begabung", jubelte niemand Geringeres als Richard Ford. In den Rezensionen wimmelte es von Worten wie "ergreifend", "elegant" und "bemerkenswert ausbalanciert".

Die Leser allerdings waren weniger begeistert, zumindest jene, die sich zu Wort meldeten. Bei den Internetbuchhändlern hat Freudenbergers Erstling eine Flut gereizter Kommentare provoziert. Mehr als auf ihre schriftstellerischen Qualitäten scheint das Publikum dabei auf die glückliche Autorin selbst und ihre Themen idiosynkratisch zu reagieren: das Drama des bevorzugten Kindes, die Sorgen der Weltläufigkeit. Die "lucky girls" der Erzählungen sind attraktiv und viel geliebt, wohlhabend und weit gereist. Ein gewisser multikultureller Schick bestimmt den Alltag - sie sind die Arglosen im Ausland, leben in New York, Paris, Bombay, San Francisco, Delhi oder Dallas. "Sie sind wie diese Diplomatenkinder", heißt es einmal, - "mit zwanzig schon die ganze Welt gesehen." Der interkontinentale Lebensstil ist jedoch nicht ohne menschliche Einbußen zu haben. Hintergrund der Geschichten ist oft ein komfortabel zerrüttetes Familienleben. Im Herzen des Partygirls wohnt die Trübsal.

So bieten die fünf Erzählungen durchaus keine in den bloßen Oberflächenschick verliebte Prada-Prosa. Wie ihre Heldinnen, die sich tapfer dem Anblick von verkrüppelten Bettlern in den Slums dieser Welt aussetzen, möchte auch Freudenberger zum wahren Leben durchstoßen. In "Das Waisenkind" hat Mandy ihr amerikanisches Elternhaus verlassen, um eine Weile in Bangkok in einem Heim für elternlose Aids-Babys zu arbeiten. Anmutig bewegt sie sich zwischen Elendskulissen und leidet selbst an einer Krankheit, deren Name zwar weniger fatal klingt, die aber ebenfalls ihre Schüttelfröste kennt: Heimweh. Wobei dieses Heim längst Illusion ist. Als die Eltern Mandy über Weihnachten in Bangkok besuchen, geht es vor allem um eines: der Tochter schonend die Scheidung mitzuteilen.

Wie ist es, wenn sich im Leben etwas nicht rückgängig machen läßt? Es ist "wie wenn einem ein Ohrring ins Waschbecken fällt und hüpfend und klimpernd im Abfluß verschwindet, ehe man ihn zu fassen bekommt". Um solche Ohrringe des Irreversiblen geht es Freudenberger. Hauptfigur der Titelgeschichte ist eine junge Malerin, die - der Liebe zuliebe - seit fünf Jahren in Delhi lebt. Nun ist ihr Liebhaber, ein verheirateter Inder, gestorben. Aber die Konflikte, die diese Beziehung mit sich brachte, leben fort. Einmal lauern der Künstlerin die Kinder des Mannes an der Straßenecke auf, um sie anzuspucken und als "Hure"" zu beschimpfen. Von dieser Situation abgesehen, bleibt jedoch alles ein wenig im Ungefähren, was kein Schaden ist, denn in den besten Passagen werden die Erzählungen getragen von Stimmung und Atmosphäre, von einem gewissen Exotismus mit postkolonialen Momenten: "Diese Leute wirkten auf mich wie Figuren in einem Film, dem ich vorwerfen würde, Indien zu romantisieren. Frauen in knallbunten Saris trugen so etwas wie Papierkörbe auf dem Kopf. Kleine Jungen mit Schuhputzköfferchen hängten sich sofort an unsere Fersen, um uns mit ,Madam, yes please, Madam' anzuflehen, bis sie von einem Mann in einem roten Rajasthani-Turban vertrieben wurden, der dicht an meiner rechten Seite klebte und ,Haschisch, Haschisch' säuselte. Die Luft roch giftig nach verbranntem Plastik, und ich konnte den Staub zwischen den Zähnen schmecken."

In "Der Privatlehrer" lebt die sechzehnjährige Julia allein mit ihrem Vater in Bombay. Sie geht auf Parties, verbringt Nächte am Strand, raucht heimlich und sorgt sich um ihre anstehende Entjungferung. Eher aus Laune denn aus Liebe beschließt sie, die Aufgabe ihrem Privatlehrer anzuvertrauen, dem sie bereits tausend Dollar für das Schreiben eines lästigen Bewerbungsaufsatzes für das College in Berkeley geboten hat. Doch gerade diese meistgelobte Geschichte des Bandes wirkt fade. Die Charaktere bleiben kaum im Gedächtnis. Solange Nell Freudenberger mit Andeutungen und Leerstellen arbeitet, kann sie über solche Schwächen hinwegtäuschen; um so mehr fallen sie auf, wenn eine Geschichte - wie in diesem Fall - ausbuchstabiert wird.

Zu den angedeuteten Motiven gehört das Unverständnis der Geschlechter: "Ihm war bisher nicht klar gewesen, daß man einen Menschen so sehr lieben kann und gleichzeitig nicht das geringste mit ihm anzufangen weiß." In solchen Sätzen stecken wirklich gute Geschichten. Nur daß die Autorin sie hier noch nicht erzählt.

Nell Freudenberger: "Lucky Girls". Erzählungen. Aus dem Englischen übersetzt von Monika Schmalz. Berlin Verlag, Berlin 2004. 297 S.. geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Jutta Person freut sich über die gelungenen Erzählungen, in denen die Autorin junge, wohlhabende amerikanische Frauen an Orte wie Bombay, Bangkok und den Taj Mahal versetzt, um den Moment der kulturellen Fremde zu beschreiben. Man sollte es aber nicht als "Wohlstandstrinen-Literatur" verstehen, so die Rezensentin warnend, denn das Buch folge vielmehr einem postkolonialen Strickmuster, das immer wieder exotische Abziehbilder als westliche Erfindung entpuppen will. So wird die "seelische Schräglage der Charaktere vor einer farbenprächtigen Kulisse" entwickelt, was dann besonders spannend wird, so Person, wenn "nichts mehr stimmt, wo die Dialoge aneinander vorbeilaufen und die Bilder nicht mehr verrechenbar sind". Als Beispiel nennt Person die Situation, als Eltern die Tochter in Bangkok besuchen und sich dabei über den "schmierigen 'thailändischen Elvis'" an der Seite der Tochter entsetzten. In dieser Erzählung, so die begeisterte Rezensentin, habe die Autorin eine Pagode des Nichtverstehens aufgetürmt, bei der die familiären und kulturellen Missverständnisse kunstvoll verzahnt seien.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.09.2004

Wohlstandstrinen
Nell Freudenberger lässt die „Lucky Girls” taumeln
Um Geld brauchen sich die „Lucky Girls” keine Sorgen zu machen. Eher darum, ob der Privatlehrer als Entjungferer in Frage kommt, wie lange man nach dem Tod des Liebhabers noch in Indien bleibt und weshalb der neue thailändische Freund den Eltern missfällt. Die Erzählungen der achtundzwanzigjährigen Amerikanerin Nell Freudenberger spielen in Bombay und Pennsylvania, in Bangkok und am Taj Mahal. Ihre Heldinnen sind ein bisschen vom Kurs abgekommen und stromern durch den fernen Osten, wo ihre seelische Schräglage vor einer farbenprächtigen Kulisse zur Geltung kommt. Meistens stammen sie aus klassischen Splitterfamilien - Mutter findet sich selbst, Vater finanziert die Markenklamotten - und kreiseln um exotische Abziehbilder, die sich als Erfindung des Westens entpuppen. Trotzdem wäre der Ausdruck ‚Wohlstandstrinen-Literatur‘ hier fehl am Platz, denn dafür fühlen sich diese Figuren zu unwohl in ihrer glatten Haut: Nell Freudenberger interessiert sich für den amerikanischen Blick aufs Fremde, und zwar in dem Moment, der das kosmopolitische Selbstbewusstsein zum Implodieren bringt.
In der Geschichte über den Privatlehrer wechselt die Perspektive zwischen dem Inder Zubin und der sechzehnjährigen Julia, die sich in Bombay aufs College vorbereiten muss. Beide können einen internationalen Lebenslauf vorweisen: Julia ist als Tochter eines amerikanischen Ölmanagers in Europa aufgewachsen, und Zubin hat in den USA studiert. Nach seinen Unterrichtsstunden feilt er an literarischen Projekten, während Julia sich mit Teenagerproblemen herumschlägt. Keine schlechte Kombination für einen interkulturellen Austausch, doch das Augenmerk dieser Erzählung liegt weniger auf dem Körperlichen als auf der Grauzone zwischen Verstehen und Anderssein, in der sich die beiden für kurze Zeit aufhalten. „Amerikaner konnten sich überall in der Welt niederlassen und dabei immer Amerikaner bleiben; sie konnten genauso leben wie zu Hause, und kein Mensch fragte sich, wer sie eigentlich waren”, denkt Zubin und trifft damit das postkoloniale Strickmuster der „Lucky Girls”. Ganz folgerichtig kreist die letzte Erzählung um die amerikanische Fremdheitserfahrung des 20. Jahrhunderts, den Vietnamkrieg. In dieser Geschichte um einen Schriftsteller, der in Hemingway-Manier das Leben zur Basis seines Schreibens macht, werden alle Creative-Writing-Regeln einmal um ihre Achse gedreht: von der Realität zur Fiktion und wieder zurück.
Aber bei all den verschobenen Blickwinkeln schreibt Nell Freudenberger so geradeaus, dass das Unheimliche schließlich auf der Strecke bleibt. Vom Krüppel auf der Straße zum westlichen Selbstzweifel, vom toten Wasserbüffel zum verlorenen Liebhaber sind alle Bilder so sauber durchkalkuliert, dass die anfänglichen Irritationen wieder verschwinden wie das Personal nach Dienstschluss.
Spannend wird es aber dort, wo nichts mehr stimmt, wo die Dialoge aneinander vorbeilaufen und die Bilder nicht mehr verrechenbar sind. Wie beim Besuch der Eltern in Bangkok, die ihrer Tochter die Scheidung beichten wollen und entsetzt sind über den schmierigen „thailändischen Elvis”, mit dem sie zusammen ist. In dieser Erzählung hat Nell Freudenberger eine Pagode des Nichtverstehens aufgetürmt, bei der die familiären und kulturellen Missverständnisse kunstvoll verzahnt sind.
JUTTA PERSON
NELL FREUDENBERGER: Lucky Girls. Erzählungen. Aus dem Englischen von Monika Schmalz. Berlin Verlag, Berlin 2004. 298 Seiten, 19,90 Euro.
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