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Was ist aus Gloria Stella geworden, Star des Pariser Show-Business, die wegen Totschlags an ihrem Manager und Geliebten im Gefängnis saß und seit ihrer Entlassung wie vom Erdboden verschluckt ist? Der Filmproduzent Paul Salvador und seine überaus reizvolle Assistentin Donatienne möchten sie in einem geplanten TV-Feature über die "Großen Blondinen" neben dem klassischen magischen Dreieck Marlene, Marilyn und BB präsentieren. Detektive werden auf ihre Spur gesetzt, Jean-Claude Kastner, der sie in der Bretagne aufspürt, bezahlt es als Erster mit seinem Leben. Gloria Stella - ein sprechender Name…mehr

Produktbeschreibung
Was ist aus Gloria Stella geworden, Star des Pariser Show-Business, die wegen Totschlags an ihrem Manager und Geliebten im Gefängnis saß und seit ihrer Entlassung wie vom Erdboden verschluckt ist? Der Filmproduzent Paul Salvador und seine überaus reizvolle Assistentin Donatienne möchten sie in einem geplanten TV-Feature über die "Großen Blondinen" neben dem klassischen magischen Dreieck Marlene, Marilyn und BB präsentieren. Detektive werden auf ihre Spur gesetzt, Jean-Claude Kastner, der sie in der Bretagne aufspürt, bezahlt es als Erster mit seinem Leben. Gloria Stella - ein sprechender Name wie aus dem Comic - entzieht sich, begleitet von ihrem Schutzengel und Dämon Bleliard, nach Sydney, Bombay und Südindien, wo sie in dunkle Geschäfte verwickelt wird, die sie schließlich als Begleiterin von Pferdetransporten - es ist viel Platz in Pferden für Drogen und Zäsium - nach Frankreich zurückführen. Aufbruch, Suche und Verfolgung sind der Motor des Geschehens, das nach einer letzt enüberraschend-burlesken Wendung mit einem wunderbar kitschigen Happy End in Hollywood schließt. Die großen Blondinen sind Abenteuerroman, Krimi mit einem Schuss Ian Fleming und literarischer Comic zugleich.
Autorenporträt
Jean Echenoz, 1948 geboren, lebt in Paris. Er hat seit 1979 neun Romane veröffentlicht. Einer davon wurde im Herbst 1999 mit dem wichtigsten französischen Literaturpreis, dem Prix Goncourt, ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.07.2002

Die Sonne ist eine große Blondine
Die Welt ist voller loser Enden: Jean Echenoz verknüpft sie souverän zur reinen Oberfläche
Kino ist, wenn schöne Frauen schöne Sachen machen. Soll Truffaut gesagt haben. Das ist einer der Gründe für die Überlegenheit des Kinos über das Buch. Die Schönheit der Frauen kann in Büchern immer nur – unter Einsatz mehr oder minder origineller Epitheta – behauptet werden, und sie einfach mal so schöne Sachen machen zu lassen, funktioniert unter dem anschmiegsamen Auge der Filmkamera weit unproblematischer als unter der spitzen Feder des Schriftstellers. Muss die Literatur deshalb ohne schöne Frauen auskommen? Nein, es gibt sie, aber ob sie Felice, Helena, Claudia Chauchat, Clelia Conti oder Lolita heißen – immer ist es eine durch ihren Seelenadel oder ihr Innenleben vermittelte Schönheit.
Weibliche Schönheit als reine Oberfläche, das könnte die Definition von Blondinen sein. Deshalb spielen Blondinen im Film eine große Rolle, während sie in der Literatur mit ihrem Hang zur psychologischen Tiefenbohrung keine signifikante Größe darstellen. Jean Echenoz hat sich nun, in seinem achten Roman, verdienstvoller Weise dieses Themas angenommen. Er heißt – sehr verheißungsvoll – „Die großen Blondinen”. Aber weil gerade die glatte Oberfläche die abgründigsten Geheimnisse vermuten lässt, ist der Roman ein Krimi, der sich auf die Suche nach einer scheinbar vom Erdboden geschluckten Blondine macht und dabei den ein oder anderen Privatermittler an buchstäbliche Abgründe verliert.
Der Filmproduzent Paul Salvador versorgt die TV-Kanäle Frankreichs mit real life-soaps. Ein Sendeformat, an dem er gerade arbeitet, soll sich den großen Blondinen widmen. So richtig vertieft hat er sein Thema noch nicht. Klar, esgibt die Aschblonden, die Sandblonden, die Honigblonden, die Platinblonden und die Schmutzigblonden. Aber das ist doch noch eine ziemlich deskriptive Taxonomie, die fast gar nichts über die Faszination der Blondinen verrät. So sitzt er mit seiner reizenden Assistentin Donatienne in seinem Pariser Büro beim Brainstorming. Es gibt die „heißen großen” und die „kühlen großen” Blondinen, aber wie weiter? Es gibt die echten und die falschen Blondinen, das ist schon interessanter, und bei letzteren wiederum die „sauerstoffgebleichten” und die „wasserstoffperoxydgebleichten”. Was kann das für seine Sendung bedeuten? Nur eines weiß Salvador: Höhepunkt seiner Sendefolge soll Gloire Stella („Klingt ein bisschen kitschig, so als Name, finden Sie nicht auch?”) sein, die einst die Klatschspalten füllte, mit einer Single in die Charts kam, erste Filmangebote hatte, bevor sie ihren Agenten und Geliebten umbrachte und dafür mit einigen Jahren Gefängnis büßte. Seit sie wegen vorbildlicher Führung vorzeitig entlassen wurde, ward sie nicht mehr gesehen. Gloire der Vergessenheit und Verborgenheit ihrer Existenz zu entreißen und sie seinem Publikum als große Blondine zu präsentieren, ist Salvadors Plan. Er hat eine Privatdetektei beauftraugt, Gloire Stella ausfindig zu machen.
Fast wie im Kino
Ist Gloire Stella eine Blondine? Ja, sogar eine echte. Wenn sie auch zur Zeit der Handlung des Romans ihr Haar gefärbt hat, damit sie keiner erkennt. In der franzözischen Provinz verbringt sie ihre Tage inkognito, und als der erste Privatschnüffler ihr auf die Spur kommt, füllt sie ihn ab und verführt ihn, um ihn sodann die Klippen hinab ins Meer zu stoßen. Diese Blondine, soviel steht fest, schätzt es nicht, erkannt zu werden. In anspruchsvoller Literatur würde jetzt die psychologische Tiefenbohrung beginnen. Vor wem oder was flieht diese Blondine, was ist ihr Geheimnis, welche seelischen Abgründe machen sie zur mehrfachen Mörderin, gibt es eine Urszene für irgendein Trauma? Jean Echenoz gibt auf alle diese Fragen nicht nur keine Antworten, er stellt sie nicht einmal. Statt seelischer Abgründe gibt es nur die handfesten, in die Gloire ihre Verfolger von Kirch- und Leuchttürmen und Meeresklippen stürzt. Und das Schöne – fast wie im Kino – ist: Je weniger Echenoz sich um diese Fragen kümmert, desto reizender und vergnüglicher ist sein Buch.
„Ich trete mit den großen Blondinen ein bisschen auf der Stelle”, sagt Salvador in realistischer Selbsteinschätzung. Für Echenoz sind die Blondinen nur ein McGuffin – nicht des Suspense, sondern der Begierde. Am Ende wird Gloire wieder in die Gesellschaft eingegliedert, es gibt sogar ein wunderbares Happy End mit langem Kuss in einer Seilbahn über schwindelerregendem Abgrund. Ob das alles etwas mit der Haarfarbe zu tun hat, ist sehr zweifelhaft. Aber der McGuffin funktioniert, der Leser hat sich in schönster Reflexhaftigkeit fesseln lassen.
Die Blondine als Fleisch gewordenes Paradox der Einheit von Oberfläche und Geheimnis ist genau der richtige Gegenstand für ein Schreiben, wie es Echenoz so könnerhaft-leichtfüßig pflegt: Ein Geheimnis ohne Tiefe zu konstruieren, das nur in der Form einer Parodie des Kriminalromans aufgelöst wird. Aber selbst das Wort Auflösung ist nicht ganz passend. Normalerweise gilt eine literarische Konstruktion dann als geglückt, wenn sich die vielen Motive wie zufällig einschleichen, um am Ende so zusammengeführt zu werden, dass keine Sackgasse, kein loses Ende übrigbleibt und jeder phantastische Einfall durch eine hintergründige Ökonomie legitimiert ist, die zeigt, dass schon im ersten Akt kein Gewehr an der Wand hängt, das nicht im letzten Akt abgefeuert würde.
Davon kann bei Echenoz nicht die Rede sein. Hier gibt es tausend vielversprechende Motive, die den Philologen im Leser herausfordern – aber es ist alles eitel, alles ein Spiel, freilich ein hochgradig vergnügliches. Nichts ist hier notwendig, aber alles so kraftvoll, so souverän inszeniert und charmant, dass man auf kein loses Ende verzichten möchte. Von Salvador heißt es einmal im Blick auf die falschen Blondinen: „Er neigte sich über die vor ihm ausgebreiteten Blätter und notierte rasch auf einen Rand, dass Stickstoffoxyd auch in der Herstellung bestimmter Explosivkörper verwendet wird, als Treibstoff mancher Raketen, das wäre doch mal ein Gedanke. Nicht vergessen, der Sache nachzugehen.” Aber weder Salvador noch der Erzähler werden dieser Sache nachgehen.
Dafür bekommt der Leser bei Echenoz ein Fülle eleganter und witziger Formulierungen. Ein Beispiel: „Zu jeder Jahreszeit zeichnet Donatienne sich durch das Tragen übernatürlich kurzer und wundersam ausgeschnittener Kleidungsstücke aus, manchmal zugleich so kurz und so ausgeschnitten, dass zwischen beiden Adjektiven fast kein Platz mehr für echten Stoff bleibt.” Auch zwischen Echenoz geistreichen Formulierungen bleibt kaum Platz für den Stoff – aber genau deshalb kann sich der Leser an diesem durchtrainierten Erzählkörper fast nicht satt sehen.
IJOMA MANGOLD
JEAN ECHENOZ: Die großen Blondinen. Roman. Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Berlin Verlag, Berlin 2002. 189 Seiten, 18 Euro.
Von links oben nach rechts unten: Marilyn Monroe / Madonna / Grace Kelly / Kim Novak / Sharon Stone / Anita Ekberg
Fotos: dpa / epa,
William Conran / SZ-Archiv / Bert Reisfeld / AP, Patrick Gardin / dpa, Achim Scheidemann
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.06.2003

Wie kann man nur so blond sein?
Färben hilft nicht, Herr Echenoz: Die Postmoderne ist vorüber

Es gibt einen Film, der heißt "Amores Perros" und erzählt von der Schnittstelle von Schönheit und Gefährdung, die sich in der modernen Gesellschaft im Typus der Blondine am besten abbilden läßt. Und es gibt ein Buch, das heißt "Die großen Blondinen" und erzählt von der Oberfläche von Schönheit und Gefährdung, die sich in der postmodernen Gesellschaft im Typus der Blondine am besten bebildern läßt. Zwischen beiden Werken liegen Welten - ein Zeitensprung, eine Kontinentaldrift, ein Globalisierungsschock. Der Film ist aus Mexiko, das Buch aus Frankreich; der Film ist aus dem Jahr 2000, das Buch aus dem Jahr 1995; der Film bohrt sich tief ins Gedächtnis, weil er sich in die Wirklichkeit verbeißt wie einer der Kampfhunde, von denen er handelt; das Buch entgleitet einem beim Lesen wie eine Sommerbrise, die über die Terrasse streicht.

Vielleicht ist es das Problem des Romans von Jean Echenoz, daß er erst jetzt auf deutsch erscheint; vielleicht ist es ganz einfach die Schuld des Verlages. In jedem Fall hinkt die sich so leichtfüßig gebende Geschichte um den Fernsehproduzenten Paul Salvador und die Blondine Gloire Stella so gewaltig ihrer Zeit hinterher, daß es den Eskapismus der augenzwinkernden Art, der das ganze Werk von Echenoz durchzieht, überhaupt in ein zweifelhaftes Licht rückt. Waren es die Jahre damals, die achtziger und neunziger Jahre, in denen wir auf jede Täuschung so gern hereingefallen sind, in denen wir uns in den Spiegelkabinetten der Wirklichkeit wohl fühlten, in denen wir fremde Lügen für unsere eigenen Träume hielten?

Und was mußte passieren, daß der Einbruch der Wirklichkeit, wie ihn die aufregende, blutige, tragische Geschichte um das gefallene blonde Model Valeria in "Amores Perros" schildert, wie eine Befreiung wirkte, wie ein Windstoß, der alte Gewißheiten zerstreute, die sich in unseren Köpfen angehäuft hatten? Buch und Film wurden dem deutschen Publikum innerhalb von wenigen Monaten Abstand präsentiert. Das Buch funktioniert wie ein Spiegel, den der Autor absichtlich auf den Boden geworfen hat - und nun wundert er sich, daß in diesem Scherbenhaufen kein Teil zum anderen paßt; der Film schildert ganz einfach eine Welt, die zerbrochen ist. Das Buch steckt mitten in der Postmoderne fest; der Film hat diese längst überwunden.

Den Vergleich mit dem Kino muß Echenoz aushalten - er sucht ihn ja selbst. Mit seinen Geschichten und Figuren beschwört er einen schönen, leeren Wohlstandskosmos, in dem die Menschen vor lauter fremdgesteuerten Bildern das eigene Leben aus dem Blick verlieren. Kunstwelten, Fernsehwelten, Sekundärwelten. Mit diesen Fluchtphantasien von Menschen, die im Packeis der postmodernen Biographien verfangen sind, ist der Franzose bekannt geworden. Félix Ferrer etwa, der Pariser Kunsthändler, der sich in Echenoz' letztem Roman "Ich gehe jetzt" auf eine Reise macht in die Polarhölle, um so dem ewigen Kreislauf des Alltags zu entkommen - und der am Ende seiner abenteuerlichen Tour doch wieder dort landet, von wo er aufgebrochen ist. In "Die großen Blondinen" wirkt es nun so, als schaue man jemandem zu, der rennt und rennt und dabei kein bißchen von der Stelle kommt.

Echenoz ist ein Stillstandsvirtuose, dessen Romanen man förmlich anmerkt, wie ihr Autor sich über seine Sprachspielereien freut. Er ist so stolz auf seine Tricks und Kniffe, daß er nicht merkt, wie gespreizt vieles wirkt. Dabei fragt man sich, warum einen diese Abenteuerposse um Salvador, seine Assistentin Donatienne und die verschollene Stella überhaupt interessieren soll. Sie ist so pappig, zäh und betäubend wie ein Nachmittag in Bombay, wo man, wie Echenoz schreibt, "durch einen kompakten Block aus Gerüchen mit vorherrschend zuckriger Note" wandert, "so dicht wie ein Kumolonimbus von variabler Geometrie".

Da beauftragt also der Produzent Salvador einen Privatdetektiv, um für seine Serie über berühmte Blondinen den gefallenen Stern Stella zu finden, die in der Provinz an unbekanntem Ort ein tristes Rückzugsleben führt und ein dunkles Geheimnis hütet. Der erste Detektiv, der ihr auf die Spur kommt, fällt von einer steilen Klippe, ein anderer von einer hohen Brücke. Über Länder und Kontinente geht die Flucht von Stella, die von einem diabolischen Helfer namens Béliard begleitet wird. Er ist so groß wie ein Lineal und hockt ihr gern auf der Schulter. Paris, Bombay, Sydney - eine Flucht ohne Grund, denn die Ironie liegt in der Konstellation, daß die Unglücksmaschine von einem Mann angetrieben wird, der im Grunde kein wirkliches Interesse daran hat, Stella zu finden. Natürlich enden sie trotzdem bei der Liebe: Wenn ein Autor schon gerne mit den Klischees spielt, dann bitte auch mit den französischen.

Aus den grauen Plastikwelten der französischen Vorstädte speist sich das Personal dieses Buchs, Supermarktexistenzen, stapelbare Charaktere - aber was sich als avanciertes unpsychologisches Erzählen gibt, ist hier im Resultat nur belanglos und läppisch. "Wer ihre Gesichter, ihre Körper sieht", heißt es am Ende, "dem scheint es, als verspürten die beiden jetzt keinerlei Sorge, keinerlei besonderen Schmerz. Er ängstigt sich nicht mehr vor der Höhe, sie hat vor gar nichts mehr Angst." Von Angst war auf den 189 Seiten davor aber gar nichts zu merken. Angst wäre immerhin ein Antrieb.

GEORG DIEZ

Jean Echenoz: "Die großen Blondinen". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel. Berlin Verlag, Berlin 2002. 190 S., geb., 18,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Wie eine Sommerbrise, die über die Terrasse streicht, ist Rezensent Georg Diez dieses Buch entglitten: und das ist kein Kompliment. Denn der Rezensent sieht die sich so leichtfüßig gebende Geschichte um einen Fernsehproduzenten und eine Blondine so gewaltig ihrer Zeit hinterherhinken, dass für ihn plötzlich Echenoz' ganzes Werk fragwürdig wird. Mit seinen Geschichten beschwört er einen schönen, leeren Wohlstandskosmos, schreibt Diez, in dem die Menschen vor lauter fremdgesteuerten Bildern das eigene Leben aus den Augen verlören. Aus "den grauen Plastikwelten der französischen Vorstädte" speist sich für Diez denn auch das Personal dieses Buches. Doch was sich als "avanciertes unpsychologisches Erzählen" gibt, findet er im Resultat oft gespreizt, meist aber nur belanglos und läppisch.

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