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Klar gegliedert und prägnant formuliert bietet diese "Geschichte Europas" eine brillante Einführung in die Materie. Am Anfang steht die Beantwortung der Frage: "Was heißt Geschichte Europas?". Anschließend werden die Leserinnen und Leser auf eine kulturgeschichtliche Reise bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts geschickt. In weiterer Folge geht es um die Geschichte Europas im Zeitalter des Protonationalismus und des Nationalismus (1500 bis 1950); der Fall Konstantinopels 1453 und die Entdeckung Amerikas 1492 bedeuten eine Zäsur und bilden die Grundlage eines neuen Europabewusstseins, das bis in…mehr

Produktbeschreibung
Klar gegliedert und prägnant formuliert bietet diese "Geschichte Europas" eine brillante Einführung in die Materie. Am Anfang steht die Beantwortung der Frage: "Was heißt Geschichte Europas?". Anschließend werden die Leserinnen und Leser auf eine kulturgeschichtliche Reise bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts geschickt. In weiterer Folge geht es um die Geschichte Europas im Zeitalter des Protonationalismus und des Nationalismus (1500 bis 1950); der Fall Konstantinopels 1453 und die Entdeckung Amerikas 1492 bedeuten eine Zäsur und bilden die Grundlage eines neuen Europabewusstseins, das bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts reicht.? Europa entdecken, Europa begrenzen: Geographische Repräsentationen; Europa einen Körper geben: Europas weibliche Form; Europa politisch imaginieren: Europa- und Friedenspläne; Europa erzählen: Historiographie und Kulturanthropologie?
Im Anschluss wird die Geschichte Europas im Zeitalter der Integration (1950 bis 2000) behandelt, das eine neuerlich e Zäsur darstellt? Europa visualisieren: Ikonographie, Emblematik, Kartographie; Europa erzählen: Historiographische und öffentliche Diskurse; Der politische Europäismus 1944 bis 1949 und die Gründung des Europarates; Die wirtschaftliche, politische und kulturelle Integration ?
Das Schlusskapitel knüpft an die jüngste Entwicklung an: Europas österreichische Krise.
Autorenporträt
Wolfgang Schmale ist seit Frühjahr 1999 als Universitätsprofessor am Insitut für Geschichte der Universität Wien tätig.
Die Geschichte Europas zählt zu seinen Schwerpunkten in Forschung und Lehre.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.2002

Hier ist er, der Roman zum Kontinent
Global quatschen, lokal zocken: Wolfgang Schmale zeigt, wann, wo und wie über Europa geredet wird

Ein merkwürdiges, durchaus innovatives, weil in der Fragestellung originelles, zuweilen aber auch etwas pointillistisches, sehr eigenwilliges und nicht zuletzt sehr persönliches Buch legt der Wiener Historiker mit seiner "Geschichte Europas" vor. Er hat dabei keine "Europäische Geschichte" als bloße Ereignisgeschichte im Sinn und ebenfalls keine "Summe der Geschichten, die sich in den letzten drei- oder viertausend Jahren in dem gemeinten Raum zugetragen haben".

Es geht Schmale um etwas ganz anderes, gewissermaßen um ein historiographisches Experiment. Er möchte die Geschichte Europas an dem festmachen, "was Menschen in der Antike, im Mittelalter und in der Neuzeit als Europa bezeichnet, als Europa wahrgenommen haben". Europa sei, so Schmale, vor allem dort zu finden, "wo Menschen von Europa reden und schreiben, wo Menschen Europa malen oder in Stein meißeln, oder anders ausgedrückt, wo Menschen Europa imaginieren und visualisieren, wo Menschen in Verbindung mit dem Namen und dem Begriff Europa Sinn und Bedeutung konstituieren." Der Autor greift damit eine Fragestellung aufs neue und mit modernen Mitteln auf, die seit Heinz Gollwitzers schon vor einem halben Jahrhundert erschienener, inzwischen klassischer Darstellung "Europabild und Europagedanke" immer wieder die Historiker beschäftigt hat.

Schmales Ansatz ist freilich ein ultramoderner: Von modischem Jargon nicht immer frei, geht es ihm, wie er sagt, in erster Linie darum, die Geschichte Europas "aus der Perspektive performativer Akte und der diskursiven Konstitution Europas" zu schreiben: also festzuhalten und zu rekonstruieren, wann, wo und auf welche Weise von Europa geredet, über Europa geschrieben und damit zugleich Europa nicht nur imaginiert, sondern im realen Sinne konstituiert worden ist. Altertum und Mittelalter werden nur knapp, auf zwei Dutzend Druckseiten, abgehandelt. Die Neuzeit ist für Schmale das entscheidende Zeitalter für die Selbsterschaffung "Europas" im Denken, Handeln, Reden und Schreiben der europäischen Menschen. Jetzt entwickelt sich der neue, im Kern bis heute gültige Europabegriff: zuerst im Spannungsfeld des dreipoligen begrifflichen Bezugssystems "Europa - Christenheit - Nation", das heute von einem anderen abgelöst zu werden scheint: "Europa - Globalisierung - Regionalismus".

Die Geschichte der verschiedenen Europakonzeptionen wird anschließend in chronologischer Ordnung aufgearbeitet. Von europäischen Mythen ist da die Rede, von geographischer und kartographischer "Repräsentation" des Kontinents, von "Europas weiblicher Form" (gemeint ist die Europa auf dem Stier) und auch von der Geschichte der verschiedenen Europa- und Friedenspläne seit Beginn der Neuzeit. Die europäischen Dimensionen von Recht, Wissen und Ökonomie werden knapp umrissen. Besonders aufschlußreich ist die Rekonstruktion der unterschiedlichen Formen des "Europäismus", die seit dem frühen neunzehnten Jahrhundert immer wieder einmal Konjunktur hatten. Auch die nationalsozialistischen und faschistischen Europapläne, von Schmale als "Antieuropa" bezeichnet, werden anschaulich rekonstruiert, hier wie in anderen Kapiteln mit besonders aufschlußreichen Illustrationen versehen.

Den Abschluß bilden zwei kürzere Skizzen der Nachkriegsentwicklung, also der Anfänge, Stufen und Formen von Europas politisch-wirtschaftlicher und kultureller Integration seit 1945. Die Zukunft des Kontinents deutet er nur knapp an; sie sei mit traditionellen Begriffen wie "Staat" oder "Nation" nicht zu fassen: Europa sei nun einmal keine Nation, und es sei ebenfalls durchaus fraglich, "ob es eine Nation werden muß oder soll. Diese Frage wird letztlich aber nicht politisch oder auf dem Wege der Verfassungsgebung entschieden, sondern hängt vom Gang der kulturellen Integration ab." Und eben in dieser Frage wird man den heute gängigen (und auch vom Autor gepflegten) Europaenthusiasmus mit manchen Fragezeichen versehen müssen.

Auf durchaus geteilte Meinung dürfte allerdings der letzte Abschnitt des Buches stoßen, in dem der Autor die mißglückten Aktionen gegen die 2000 gewählte bürgerliche Regierung Österreichs tatsächlich als Ausdruck einer "neuen Identität" Europas deuten zu können meint. Es ist merkwürdig, daß Schmale, der an anderen Stellen seines Werkes die politische Indienstnahme von Europaideologien so meisterhaft entlarvt hat, gerade hier sein ideologiekritisches Instrumentarium aus der Hand legt, daß er also nicht zu durchschauen vermag, welche konkret feststellbaren politischen Interessen hinter eben jenen Aktionen standen. Man darf wohl die Gegenfrage stellen: Sollte es nicht vielmehr genuin europäisch sein, die freie demokratische Wahlentscheidung eines souveränen Volkes zu respektieren?

Natürlich ist Schmale zuzustimmen, wenn er feststellt, daß zur neuen europäischen Identität auch ein kollektiver Lernprozeß gehören muß, der die nötigen Schlußfolgerungen aus den Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts zu ziehen hat. Aber das von ihm zu Recht thematisierte "Nie wieder" darf sich nicht nur auf die eine Seite der Medaille beziehen, sondern muß den braunen wie den roten Totalitarismus in gleicher Weise umgreifen. In diesem Sinne sind seine - sonst in vieler Hinsicht anregenden und in manchen Abschnitten seines Buches glänzend vorgetragenen - Überlegungen durchaus ergänzungsbedürftig.

HANS-CHRISTOF KRAUS.

Wolfgang Schmale: "Geschichte Europas". UTB, Stuttgart/Böhlau Verlag, Wien 2001. 307 S., Abb., br., 29,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Schmale, ein deutscher Historiker, der in Frankreich gelehrt hat und nun in Wien unterrichtet, addiert in seiner "Geschichte Europas" keineswegs die verschiedenen Nationalgeschichten, berichtet Harm Klueting, sondern verfolgt die Geschichte der Europa-Idee und der europäischen Vereinigungsversuche quer durch die Jahrhunderte. Klueting vergleicht Schmales Buch mit Heinz Gollwitzers "Europabild und Europagedanke" aus dem Jahr 1951, bloß dass sich Gollwitzer überwiegend auf eine Auseinandersetzung mit der europäischen Geistesgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts beschränkt hatte. Schmale ist "bekennender Gesamteuropäer", dem der Begriff des "osmanischen Europas" mühelos und keineswegs abschreckend gemeint über die Lippen kommt erklärt der Rezensent. Überhaupt stelle sich für Schmale die Zugehörigkeit der Türkei oder Russlands zu Europa als eine "Frage des Wollens" dar, herkömmliche Grenzziehungen empfinde der Autor als überholt. Ob die Europa-Propaganda der Nationalsozialisten, der Europamythos der Antike, mittelalterliche Ordnungsvorstellungen oder bildliche Darstellungen wie Rembrandts "Raub der Europa" - Klueting zeigt sich von Schmales Europageschichte kommentarlos beeindruckt.

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