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In seinem Buch gibt der Autor eine systematische Einführung in den Umgang mit literarischen Texten. Ziel ist das natürliche Lesen und Interpretieren von Texten. Das Herzstück der Untersuchung besteht in der Entfaltung des Begriffs von der ?poetologischen Differenz?. Zahlreiche Beispiele aus der Weltliteratur bilden das Anschauungsmaterial. Daraus entsteht ein im besten Sinne brauchbares Buch, das sich vor klaren Positionen nicht scheut und dem man die an der Praxis orientierte Ausrichtung anmerkt.

Produktbeschreibung
In seinem Buch gibt der Autor eine systematische Einführung in den Umgang mit literarischen Texten. Ziel ist das natürliche Lesen und Interpretieren von Texten. Das Herzstück der Untersuchung besteht in der Entfaltung des Begriffs von der ?poetologischen Differenz?. Zahlreiche Beispiele aus der Weltliteratur bilden das Anschauungsmaterial. Daraus entsteht ein im besten Sinne brauchbares Buch, das sich vor klaren Positionen nicht scheut und dem man die an der Praxis orientierte Ausrichtung anmerkt.
Autorenporträt
Dr. Horst-Jürgen Gerigk ist Professor für Russische Literatur und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Heidelberg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.2003

Poetologische Wurzelbehandlung
Treue zum Text: Horst-Jürgen Gerigks Fundamentalontologie

Kaum etwas ist erfüllender für den Leser eines literarischen Textes, als plötzlich zu erkennen, wie bestimmte Effekte erzielt werden. "Seine eigene Stimme stieg gellend auf - und er war wach." Sätze wie dieser aus Richard Beer-Hofmanns "Der Tod Georgs" befreien uns nachträglich von dem angestauten Zweifel, ob die vorangehende Schilderung Traum oder Wirklichkeit war. Nicht immer wird man davon aber so ausdrücklich erlöst wie hier. Die Grenzen zwischen verschiedenen fiktionalen Wirklichkeitsebenen können so raffiniert verwischt sein, daß sie - je nach Maßgabe von Leseerfahrung und Scharfsinn - erst nach Verlassen der erfundenen Welt deutlich werden. Das Bemühen um Verständnis zielt dabei immer auf die Frage, wie ein Stück Literatur eigentlich gemacht ist.

Der Komparatist Horst-Jürgen Gerigk ist ein Literaturtheoretiker, der hartnäckig Antworten auf solch elementare poetologische Fragen sucht. Heidegger und Gadamer sind die Leitsterne, die ihm den Weg zu seiner Radikalhermeneutik weisen. Schon in seiner Grundlegung "Unterwegs zur Interpretation" (1989) hat er erfrischenden Mut für die unzeitgemäße Betrachtung naheliegender, aber schwieriger Probleme bewiesen. Gegen die auf internationalen Methodenmärkten gemachten wohlfeilen Angebote zum "zentrifugalen Verstehen", das psychologisch, soziologisch, historisch, biographisch oder sonstwie von der Literatur wegführt, entwickelt er in diesem Buch eine Theorie des "zentripetalen Verstehens", das ausschließlich das Werk ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. Die strikte Konzentration auf den Text statt den Kontext prägt auch das neue Universitätstaschenbuch. Zwar soll es zur "Einführung in den Umgang mit literarischen Texten" dienen, unterscheidet sich aber von dem Großaufgebot unorigineller Interpretationsleitfäden durch eine eigenwillige, fast philosophische Grundsätzlichkeit.

Im Mittelpunkt der Überlegungen steht der Begriff der"poetologischen Differenz". Erst mit zunehmender Übung lernt ein Leser, zwischen innerund außerfiktionalen Realitäten zu unterscheiden und auf der Suche nach Gründen für ein Geschehen zwischen ihnen hin und her zu wechseln. Wie bei einem Vexierbild ist das nötig, um die Intention zu begreifen. Erst die Außenperspektive auf das poetische Ganze macht es häufig möglich, die innere, psychologische, subjektive Logik der Dichtung zu verstehen, beispielsweise Träume, Visionen, Gedankenspiele innerhalb der Fiktion offenzulegen. Anhand klug gewählter und interpretierter Beispiele aus der europäischen Literatur kreist Gerigk um diese Differenz zwischen Innen und Außen. Anschaulich machen läßt sie sich im Emblem: Das im Bild dargestellte Geschehen ist nicht für sich verständlich, erst nach Lektüre der darunter befindlichen Erläuterung begreift man, was die Pictura lehren und das Motto ankündigen will. Wie beim Emblem bleibt dem poetischen Text die Überschrift äußerlich, sie gehört nicht zu dessen Wirklichkeit, die Subscriptio als außerfiktionale Begründung fehlt in der Literatur sogar ganz und muß vom Leser erschlossen werden.

Um zu diesem "Intentum" zu gelangen, ist möglichst gründlich zu prüfen, wie der Text handwerklich gemacht ist. "Alles, was in einem Kunstwerk geschieht", so Gerigk, "geschieht nur, um sich dem Betrachter zu zeigen." Jedes Detail zählt, alles will beachtet sein. Die Aufdeckung sämtlicher innerer Kunstgriffe - im Unterschied zur äußeren Form - ist dafür grundlegend, führt aber noch nicht zum eigentlichen Kunstgehalt. Dieser offenbart sich erst, wenn der dargestellte Gegenstand in die Welt von erlebter Zeit und erlebtem Raum eintritt.

In diesem Stadium verbindet Gerigk den Interpretationsakt mit dem Denken Heideggers. Literatur ist eine bereits verstandene, innere Welt, die mit dem äußeren Verständnis des Lesers in ein spielerisches Verhältnis gerät. Zur notwendigen Vermittlung zwischen Innen und Außen entwickelt Gerigk so etwas wie eine Tafel elementarer Kategorien, die den Bezug zur Welt strukturieren: Dazu gehören Raum und Zeit, auch Schmerz, Furcht oder Angst. Solche Existentiale versucht er aber zu keinem geschlossenen System auszubauen. Viel eher entwickelt er seine aus Vorlesungen hervorgegangene poetologische Fundamentalontologie rhapsodisch am Leitfaden prägnanter Textstellen, die mit einer heute aus der Mode gekommenen strikten Immanenz interpretiert werden. Gerade diese traditionelle Treue zum Text, die literarischem Raffinement zu neuer Transparenz verhilft, macht den besonderen Charme dieses Buches aus.

ALEXANDER KOSENINA.

Horst-Jürgen Gerigk: "Lesen und Interpretieren". Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002. 192 S., br., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Schon seit drei Jahrzehnten arbeitet der Komparatist Horst-Jürgen Gerigk an einer neuen "Theorie des literarischen Gebildes", die sich die Erkenntnisse der philosophischen Hermeneutik für die Textinterpretation zunutze machen will. Von zentraler Bedeutung ist dabei die sogenannte "poetologische Differenz", die zwischen der Motivierung innerhalb der Fiktion (Beispiel: Hamlet tötet Polonius aus Versehen) und der außerhalb der Fiktion (Hamlet muss Polonius töten, um als Mörder selbst weiteres Opfer der Rache werden zu können). Darüber hinaus plädiert Gerigk für die Nutzung des Lektüremodells des "vierfachen Schriftsinns" der Hermeneutik. Der Rezensent Ulrich M. Schmid attestiert dem Autor ein "originelles und differenziertes Literaturverständnis" und meint, dass sich das Buch nicht nur für Studenten der Literaturwissenschaft, sondern für "anspruchsvolle Leser" überhaupt eignet.

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