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Ein neugieriger und zugleich melancholischer Blick auf das ländliche Frankreich So ziemlich alles hätten wir von Strindberg erwartet: daß sich in einer Stockholmer Dach-kammer eine Romanfassung von Fräulein Julie fände, oder ein unterschlagenes Drama aus seinen Pariser Boh'me-Jahren, alles: nur nicht die Studie über die Lage der französischen Bauern, die Thomas Steinfeld, einer der hellhörigsten unter den Kennern der skandinavischen Kultur, wiederentdeckt hat. Im Jahre 1912 ist sie zum ersten Mal zugleich in schwedischer und deutscher Sprache erschienen. Aber was trieb Strindberg von Paris…mehr

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Produktbeschreibung
Ein neugieriger und zugleich melancholischer Blick auf das ländliche Frankreich So ziemlich alles hätten wir von Strindberg erwartet: daß sich in einer Stockholmer Dach-kammer eine Romanfassung von Fräulein Julie fände, oder ein unterschlagenes Drama aus seinen Pariser Boh'me-Jahren, alles: nur nicht die Studie über die Lage der französischen Bauern, die Thomas Steinfeld, einer der hellhörigsten unter den Kennern der skandinavischen Kultur, wiederentdeckt hat. Im Jahre 1912 ist sie zum ersten Mal zugleich in schwedischer und deutscher Sprache erschienen. Aber was trieb Strindberg von Paris aufs Land' Was be-wegte ihn, sich für lange Wochen in einem Dorf anzusiedeln und mit den Bauern über ihre Probleme zu diskutieren' Weite Regionen per pedes apostulorum zu durchwandern und hinterher Bibliotheken über die Grundfragen der Landwirtschaft zu durchforschen' Er wurde zum Reporter, weil er wissen wollte, ob es das gibt, was wir als 'Fortschritt' begreifen, er suchte das Gespräch mit Darwin und Marx und Lasalle und Haeckel. Ein Glücksfall immer-hin, daß er Frankreich als das Bauernland schlechthin entdeckte - und das es in einem Winkel seiner Seele bis heute noch immer ist, zumal am Wochenende, wenn sich Arbeiter und Bürger wie eh und je in ihr Häuschen in der Campagne zurückziehen: bei Strindberg ist es präsent, dieses ländliche Frankreich, das wir lieben.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.03.2009

Lob der Provinz
Von SZ-Autoren: Thomas Steinfeld entdeckt August Strindbergs Bauern
So ziemlich alles hätten wir von Strindberg erwartet: dass sich in einer Stockholmer Dachkammer eine Romanfassung von Fräulein Julie fände oder ein unterschlagenes Drama aus seinen Pariser Bohème-Jahren, alles: nur nicht die Studie über die Lage der französischen Bauern, die Thomas Steinfeld, Ressortleiter im Feuilleton der SZ, wiederentdeckte. Entstanden sind die Essays und Reportagen dieser Studie um 1886.
Aber was bewegte Strindberg, die französische Provinz zu durchwandern und Bibliotheken über die Grundfragen der Landwirtschaft zu durchforschen? Er wurde zum Reporter, weil er wissen wollte, ob es das gibt, was wir „Fortschritt” nennen, er suchte das Gespräch mit Darwin und Marx und Lasalle und Haeckel. Ein Glücksfall, dass er Frankreich als das Bauernland schlechthin entdeckte – das es bis heute ist: Bei Strindberg ist es präsent, dieses ländliche, kleinteilige Frankreich, das wir lieben. SZ
AUGUST STRINDBERG: Unter französischen Bauern. Eine Reportage. Mit einem Essay von Thomas Steinfeld. Die Andere Bibliothek. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2009. 288 Seiten, 28 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.05.2009

Wie war die Ernte dieses Jahr?

August Strindberg als Reporter ist eine Entdeckung. Im Jahr 1886 reiste der ruhelose Literat mit der Eisenbahn quer durch ganz Frankreich. Seine Etappenberichte gehören zum Reizvollsten, was es an Alltagsbeschreibungen des Landlebens aus jener Zeit gibt.

Wir wussten es nicht oder hatten es vergessen: Neben Gott war auch August Strindberg in Frankreich. Nicht in der "douce France" der Gutgelaunten mit den belebten Städten und den alten Schlössern in weiten Landschaften. Die Bauern, bei denen der Schwede mit seinem Notizblock sich aufhielt, waren aber kaum weniger Fiktion als jenes Bilderbuch-Frankreich. Nur etwas herber, knorriger, eigensinniger. Oder vielmehr: Sie waren Statisten, vielleicht Verbündete von Strindbergs eigenem Eigensinn. Das macht aus diesem Buch eine Sache, die wie geschaffen ist für Eichborns "andere" Bibliothek. Sie ist mit nichts sonst vergleichbar und ihrem Inhalt nach auf seltsame Weise wahr-fingiert. Wer je für Frankreich, für das Bauerntum oder für Strindberg empfänglich war, gibt diesen Band nicht so schnell wieder aus der Hand.

Der ruhelose Literat konnte in jenen Jahren der Heimvölkerkunde, der aufkommenden Sozialspannungen, des Naturalismus und der illustrierten Reiseberichte offenbar gar nicht anders, als dem Ruf der Fakten zu folgen. Weg vom Roman, hin zur Reportage. Frankreichs Bauern, unter denen er in einem Dorf südwestlich von Paris 1883 selbst eine Zeitlang gelebt hatte, wurden für ihn zugleich Gegenstand und Projektionsfläche seines Vorhabens. "Sehen Sie nun, dass hinter der Arbeiterfrage die Bauernfrage liegt?" - sagt in einer hinzuerfundenen Einleitungsszene des Buchs auf dem Montmartre ein Pariser zum Besucher aus Nordeuropa, der auf der Stelle beschließt, hinauszugehen aufs Land und sich die Situation dort selbst anzuschauen. Er ist der Überzeugung, dass entgegen den landläufigen Theorien des "Maschinensozialismus" der kleine Parzellenbauer kein Auslaufmodell der Geschichte sei, im Gegenteil. Auf Grund des demokratischen Drucks von unten und der teuer gewordenen Arbeitskraft auf dem Land sei er die Verkörperung einer aussichtsreichen Wirtschaftsform - der Pächter wolle nicht einmal mehr Besitzer, sondern allenfalls Großpächter werden, wundert sich der Autor.

Beim Spaziergang auf dem Feld draußen vor dem Dorf, in dem er sich niedergelassen habe, schreibt Strindberg im ersten Teil dieser Reportage, habe er gerade einen Tagelöhner gesehen, der mit seiner Hacke eine Kleeweide bearbeitete. Sein Anzug bestand aus schwarzer Samthose, einer dunklen Wollweste und einem weißen Hemd, dessen Manschetten strahlend weiß leuchteten. Eine Uhrkette baumelte an der Westentasche - "so glich er einem Buchhalter eher als einem Bauern". Dieser Mann wohne im Hotel, mit Vollpension, fand unser Reporter heraus, also Suppe, Gemüse, Fleisch oder Speck sowie einem halben Liter Wein, und an den Sonntagen spiele er Billard. Nicht alle Bauern, denen Strindberg begegnete, standen in so vorteilhaften Verhältnissen. Über alle sozialen und regionalen Unterschiede des Bauernlebens hinweg zeichnet sich in diesem Buch aber eine Grundfigur Strindbergscher Wunschprojektion ab. Die Bauern sind republikanisch eingestellt, atheistisch, entschieden antiklerikal. Sie sind eine Art Rebellen der Scholle gegen den die Welt bedrohenden Zangenbiss von Kapitalismus und Sozialismus. Oder, wie Thomas Steinfeld in seinem Nachwortessay zu diesem Band es nennt: "August Strindbergs Parzellenbauer lebt in einer im Grund gutmütig verfassten Anarchie."

Vieles von den Detailangaben über Ernteerträge, Lebensunterhaltskosten, Kinderzahl mag angelesen sein in diesem Buch. Da Strindberg sich aber nie ganz vom Schriftsteller zum Journalisten mausern kann, wirkt die Beschreibung echter als echt. Die "belle France" am Rand des Pariser Beckens mit ihrer sanft flimmernden Lufttrübung ohne starke Schatten und harte Linien über den Flussläufen, das neue französische Schulsystem mit dem obligatorischen Volksunterricht oder die aufkommenden Leihbibliotheken landesweit werden mit einer für Strindberg ungewohnten Freundlichkeit beschrieben. Der noch herumliegende "Bodensatz" christlicher Moral und Sinnenfeindschaft wird nur am Rande erwähnt, denn in den geselligen französischen Dorfschenken sei er schon fast vergessen. Selbst Strindbergs notorische Allergie gegen Frauenemanzipation begnügt sich mit einem müden Bedauern, wie leicht die "herrschsüchtigen, unsentimentalen, praktischen" Französinnen ihre ritterlich veranlagten Männer untergekriegt hätten.

Geht der erste Teil dieser Reportage auf die Beobachtungen des Autors während seines Aufenthalts in der skandinavischen Künstlerkolonie des Dorfs Grez-sur-Loing zurück, so beruht der zweite Teil auf einer tatsächlich unternommenen Rundreise. Im Spätsommer 1886 fuhr Strindberg mit der Eisenbahn dritter Klasse in Windeseile durch ganz Frankreich. Für die dreitausend Kilometer von Basel aus über Lille, die Normandie und die Bretagne, dann Bordeaux, Toulouse und Montpellier, schließlich das Rhonetal hinauf über Dijon wieder zurück, hatte der Autor aus Geldknappheit kaum mehr als drei Wochen veranschlagt. Die Etappenberichte aus all diesen Regionen gehören aber zum Reizvollsten, was wir an Alltagsbeschreibung des Landlebens aus jener Zeit haben. "Wie war die Ernte dieses Jahr?" - diese wiederkehrende Frage dürfte der Autor aus Zeitmangel meist wohl eher nachträglich in seine Dialoge hineinmontiert haben. Die Texte sind dennoch lebendig und aufschlussreich. "Ist es das amerikanische Getreide, das die Preise drückt?" - fragt der Reisende auf einer Landstraße bei Vesoul in der Franche-Comté zwei Bauern. Oh, es sei nicht nur Amerika, "es ist das ganze Ausland, das Frankreich auf allen Seiten ruiniert". Gerade habe der französische Marineminister mit Holland einen Vertrag über eine Großlieferung von Käse abgeschlossen, klagt der Landwirt aus der für ihren Hartkäse bekannten Region. Der Reporter pflichtet bei: Da könnten nur Schutzzölle helfen. Freihandel sei eine schöne Sache, aber eben nur theoretisch. Frankreich könnte an seiner Freizügigkeit und seiner verfeinerten Zivilisation sterben wie vor ihm Ägypten, Griechenland, Rom - denn "der Franzose ist mehr als liberal, er ist generös!".

Kulturgeschichtlich sind diese Reportagen bei aller Voreingenommenheit und Information aus zweiter Hand eine Trouvaille. Sie lassen den Wechsel von der Agrar- zur Kommerz- und Industriegesellschaft aus unmittelbarer Anschauung nachempfinden und sollten einführende Pflichtlektüre sein für wissenschaftliche Monumente wie Eugen Webers "Peasants into Frenchmen". Literarisch sind die Texte dieses Bandes, wie Steinfeld einleuchtend zeigt, wertvolle Zeugnisse eines Übergangs, in dem Strindberg sich vom Roman ab- und mit "Die Inselbauern" sich ihm bald schon wieder zuwandte. Steinfeld hat die 1920 erschienene und längst vergriffene deutsche Fassung des Texts kritisch durchgesehen. Fast bedauert man, dass kein Verlag es damals dem Autor ermöglichte, etwas länger bei seinem Reportageprojekt zu bleiben und es, wie er es vorhatte, auch auf Italien, England oder Deutschland auszuweiten.

JOSEPH HANIMANN

August Strindberg: "Unter französischen Bauern". Eine Reportage. Deutsche Fassung von Emil Schering. Mit einem Essay von Thomas Steinfeld. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2009. 261 S., geb., 25,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kulturgeschichtliche Trouvaillen sind das, jubelt Joseph Hanimann angesichts von August Strindbergs gut 120 Jahre alten Reportagen über Frankreichs Bauern. Bei aller, soziale und regionale Unterschiede oft unter den Teppich kehrenden Instrumentalisierung des Bauernstandes für das eigene Vorhaben (gegen Kapitalismus und Sozialismus zu streiten), bei aller hineinragenden Fiktion, meint Hanimann, gelingen Strindberg Beschreibungen des Landlebens, "echter als echt". Dass der Leser hier den Wechsel von der Agrar- zur Industriegesellschaft miterleben kann und auch Strindbergs (zeitweise) Abwendung vom Roman, macht den für diese Ausgabe kritisch durchgesehenen Text für Hanimann doppelt und dreifach reich.

© Perlentaucher Medien GmbH
'August Strindberg als Reporter ist eine Entdeckung. Im Jahr 1886 reiste der ruhelose Literat mit der Eisenbahn quer durch ganz Frankreich. Seine Etappenberichte gehören zum Reizvollsten, was es an Alltagsbeschreibungen des Landlebens aus jener Zeit gibt