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Aus dem einstigen Rauhbein Frannie McCabe ist ein zufriedener Mann geworden - seine Ehe mit Magda ist wunderbar, das Verhältnis zu seiner Stieftochter vertrauensvoll, und als erfolgreicher Polizeichef in Crane's View genießt er den Respekt seiner Mitbürger. Eines Tages passieren unerwartete Dinge: ein altersschwacher Pitbull wird in McCabes Büro abgegeben, ein stadtbekanntes streitsüchtiges Ehepaar verschwindet spurlos. Als der Hund kurz darauf stirbt, erweist ihm McCabe die letzte Ehre und begräbt ihn. Wenige Tage später lockt ihn ein geheimnisvoller aromatischer Duft in die Garage seines…mehr

Produktbeschreibung
Aus dem einstigen Rauhbein Frannie McCabe ist ein zufriedener Mann geworden - seine Ehe mit Magda ist wunderbar, das Verhältnis zu seiner Stieftochter vertrauensvoll, und als erfolgreicher Polizeichef in Crane's View genießt er den Respekt seiner Mitbürger. Eines Tages passieren unerwartete Dinge: ein altersschwacher Pitbull wird in McCabes Büro abgegeben, ein stadtbekanntes streitsüchtiges Ehepaar verschwindet spurlos. Als der Hund kurz darauf stirbt, erweist ihm McCabe die letzte Ehre und begräbt ihn. Wenige Tage später lockt ihn ein geheimnisvoller aromatischer Duft in die Garage seines Hauses. Als er den Kofferraum seines Wagens öffnet, findet er den toten Pitbull ... Das Leben ist voller Mysterien - und geheimnisvoller Wendungen. Einmal mehr hat Jonathan Carroll ein romantisches Märchen über die Verstrickungen von Liebe und Schuld geschrieben, dessen Figuren einer Poe'schen Zwischenwelt entstiegen scheinen.
Autorenporträt
Jonathan Carroll wurde 1949 als Sohn eines berühmten Drehbuchautors und einer prominenten Schauspielerin geboren und lebt seit knapp zwanzig Jahren in Wien, wo er an der American International School unterrichtet. Für seinen Roman Vor dem Hundemuseum wurde er 1992 mit dem British Fantasy Award ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.03.2004

Gott ist ein Alien
Der mit den Kötern heult: Jonathan Carrolls Roman „Das hölzerne Meer”
Francis McCabe ist der Polizeichef einer gesichtslosen amerikanischen Kleinstadt. Er ist ein toller Ehemann und Stiefvater: Er kocht. Er tanzt Oldies in der Küche mit Ehefrau und halbwüchsiger Stieftochter. Darüber hinaus interessiert er sich für nichts, er ist ungebildet und steckt voller Vorurteile. Es scheint die Absicht des seit zwanzig Jahren in Wien lebenden Autors Jonathan Carroll zu sein, den Polizisten volkstümlich sympathisch wirken zu lassen, aber ob das funktioniert, hängt vom Leser ab. Findet der Leser einen netten, ungebildeten Polizisten mit vulgärem Wortschatz und gutem Kern, der als Kind und Jugendlicher selbst delinquent war, angenehm?
Zügig entrollt sich ein Faden durch eine scheinbar komplexe Handlung. Anfangs ist es ein Hund, dessen Kadaver wieder auftaucht, obwohl McCabe ihn begraben hatte. Doch der Seltsamkeiten sind mehr. Frannie McCabe begegnet sich selbst als Jugendlichem, als Greis, als Knabe. Eine unbekannte Macht, Gott oder Aliens oder Gott als Alien, zwingen ihn zu Zeitreisen. Warum?
Gelegentlich ist es witzig, wenn der erwachsene Mann sich als Siebzehnjährigem begegnet. Aber dieser schönen Idee der Begegnung mit früheren und künftigen Ichs ist Jonathan Carroll nicht gewachsen. Der Held dieses Buches ist glatt wie eine Wunschfigur seiner selbst. Ein Pappkamerad, der poesiealbumkompatibel altert: Jugend ist nicht mehr als das „gleißende Gefühl, zu einhundert Prozent in dieser Minute zu leben.” Und dieses Gefühl schwindet, „wenn man Lebensversicherungen und Hypothekenverträge abschließt”. Amerikanische Kleinstadtsheriffs mögen so platt denken, womöglich auch viele Leser.
Dieser Roman ist demokratisch, insofern nämlich, dass er niemandem wehtut. Die Konstruktion der Wiederbegegnung mit dem zeitversetzten Ich hätte auf Risiko geschrieben werden können. Es könnte schmerzlich, peinlich, komisch sein, sich selbst als Fremdem, als verklemmt, tollkühn oder erfolglos zu begegnen. Francis McCabe hat nur sein Lebensgefühl verändert. Hier gibt es keine Überraschungen, keine aufschreckende Wiederentdeckung verdrängter Wünsche oder ähnliches.
Auch technisch ist es ein demokratischer Roman, nämlich kunstlos, ohne stilistische Provokation. Mit kaltem und nur vermeintlichem Humor sind die Seiten aufgefüllt worden, um in amerikanische Supermärkte gelegt werden zu können, die Romane nach Gewicht verkaufen: „Ich klopfte meine Taschen ab, um mich zu vergewissern, dass ich alles bei mir hatte, was ich brauchte: Notizbuch, Stift, Depressionen.” Hinter solchen Hülsen findet sich kein Sinn. Der Mann ist nicht depressiver als alle anderen Kleinstädter um ihn herum. Auf jeder Seite stehen Vergleiche wie diese, manchmal schiefe: „Ich war erschöpft und leer wie der Briefkasten eines Toten.” Sind solche Briefkästen nicht vollgestopft mit letzten Rechnungen und Werbung, bis der Hausmeister das Namensschild entfernt? Oder: „Mein Herz schleuderte in meinem Brustkorb herum wie ein Auto, das mit hoher Geschwindigkeit in eine Parklücke gelenkt wird.” Oder: „Logik und Fakten wurden zerkaut wie ein Juicy Fruit-Kaugummi.”
Was gibt der sendungswillige Autor dem Leser mit? Moral im Soap-Opera-Style: „Sei nicht normal, Pauline. Versuche niemals, normal zu sein, denn das ist das erste Symptom einer Krankheit zum Tode. Sobald du das Bedürfnis spürst, normal zu sein, besorg dir das Gegenmittel. Sieh zu, dass du dein Leben lebst, Pauline. Lass nicht zu, dass das Normale sich für dich ausgibt.” Und am Ende wird die Idee der Wiederbegegnung in einen langatmigen Epilog eingetütet, das Wichtige in kursiv. Mit der Essenz: „Nicht: Erkenne dich selbst. Erkenne JEDES Ich deiner selbst.”
Dieses Buch ist auch deshalb ein Ärgernis, weil es bis in den Schutzumschlag voll typografischer und Druckfehler steckt. Durchgängig wechselt ein falsches mit einem richtigen Apostroph, kursive Schrift läuft in geradstehende so hinein, dass Buchstaben mitunter übereinander gedruckt stehen. Dafür hat man einen Designer kreativ wirken lassen: die Seitenzahlen stehen direkt neben dem Text, so dass man sie unfreiwillig mitliest. An jedem Kapitelbeginn steht ein Köter als Buchschmuck. Man möchte mit ihm heulen.
MARTIN Z. SCHRÖDER
JONATHAN CARROLL: Das hölzerne Meer. Roman. Aus dem Englischen von Rainer Schmidt. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2003. 308 S., 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.2003

Hunde sind Engel
Jonathan Carrolls Kollaps der Gemütlichkeit / Von Dietmar Dath

Jonathan Carroll ist Amerikaner, lebt in Wien und sagt von sich, sein Deutsch sei passabel, aber nicht fließend. Sollte das wahr sein und er selbst deshalb noch nicht gemerkt haben, welches Glück ihm widerfahren ist, dann wird es Zeit, daß es ihm jemand ausrichtet: In Rainer Schmidt hat dieser realistische Abwäger des Unwägbaren und optimistische Erzähler von verlorenem Glück, melancholischen Unsterblichkeiten und Hunden, die eigentlich Engel sind, einen sehr raren Vogel eingefangen - den zweisprachigen Kopf, der sich nicht demütig zurücknimmt beim Übertragen, sondern seinen Wortschatz dem des Autors gegenüber in Stellung bringt, damit das reizvolle Schachspiel anfangen kann.

Ein bewegliches Heer von Metaphern sei die Wahrheit, sagt Nietzsche - man nehme noch ein paar lebhafte Verben dazu, lasse den "König Cholesterin" in der Kneipe also "gurren" oder einen anderen suspekten Gesprächspartner "dreckig glucksen", lege auf das Ganze trockenste Wehmut samt unterschwellig nekrophilem Wiener Schmäh - "Ein feiner Gast - du lädst ihn ein, und er fällt tot um", und hat bereits den ganzen Carroll-Duktus.

Den braucht man unbedingt, wenn man Geschichten zu erzählen hat wie die in Jonathan Carrolls "Crane's View"-Büchern, von denen die Kritikerin Pat Conroy geschrieben hat, man fühle sich bei der Lektüre, "als ob man eine Folge von ,Akte X' oder ,Twilight Zone' anschaut, deren Drehbuch von Dostojewski oder Italo Calvino stammt". Vor etwas mehr als einem Jahr erschien, ebenfalls in Schmidtscher Übertragung, der Vorgängerband "Fieberglas". In dieser Zeitung wurde damals gefordert, den "noch schöneren Nachfolger ,The Wooden Sea' bald auf deutsch" erscheinen zu lassen (F.A.Z. vom 11. Mai 2002). Das ist jetzt geschehen, und obgleich der Vergleich schwer umfallgefährdet humpelt, werden endlich auch deutsche Leser erleben dürfen, daß seit Kurt Vonneguts Billy Pilgrim kein Held der Literatur komisch-trauriger aus der Zeit gefallen ist als Carrolls Kleinstadtpolizist Francis/Frannie McCabe.

Der Ermittler im Städtchen Crane's View, New York State, kommt in "Fieberglas" als Nebenfigur vor, mehr Funktion als Person. "Das hölzerne Meer" gibt ihm Gelegenheit, seine Geschichte selbst zu erzählen: Zum zweitenmal verheiratet, mit der Stieftochter auf gutem Fuß, zufrieden, gefestigt, seiner selbst sicher - bis ihm ein struppiger dreibeiniger Hund namens "Old Vertue" begegnet, den er mindestens so sehr adoptiert wie dieser ihn. Und dann öffnet sich der Vorhang, der Schleier der Illusion des behaglichen Lebens, und wir sind abermals in Carroll-Land, dem vermutlich an David Lynchs Welt angrenzenden, aber etwas samtigeren, wärmeren, menschlicheren, zivilisierten kosmischen Irrenhaus, wo man sich auf halbem Weg des Erdenlebens in seltsam vertrauter Waldesnacht verläuft.

Der Hund stirbt, Leute verschwinden, der Hund wird beerdigt, taucht aber wieder auf, eine verwünschte Vogelfeder wird gefunden, und endlich erscheint ein höheres Wesen, das die fehlende Ecke im Weltgewebe ausmalt: Es schickt den Polizisten in die Zukunft, aber auch in Regionen, die eher quer zur Gegenwart liegen als vor oder hinter ihr, und arrangiert damit den Kollaps der Gemütlichkeit, den Carroll braucht, um die Idylle im selben Atemzug als Lebensziel zu stürzen, indem er sie als Kunstziel rehabilitiert.

Tiere als Sakrament, nicht nur im Fall der Opferung, sind aus allen Kulturen und sämtlichen großen Symbolsprachen bekannt, vom Blut des Lammes bis zum Ochsen der Sonne, aber daß ein beschädigter Pitbull Instrument des Unheils wie der Erlösung sein kann, darauf konnte nur dieser Autor kommen, der kürzlich in einem Interview erklärt hat: "Die Leute fragen mich, wieso ich über Hunde schreibe. Ich denke, sie sind so etwas wie Engel. Sie geben uns ihre ganze Liebe, vergeben uns jederzeit unsere Verfehlungen, und lustig sind sie auch. Kann es eine bessere Definition dessen geben, was ein Engel tun sollte? Wenn wir uns mit Hunden umgeben, erleben wir die ständige Gegenwart dessen, wonach wir streben sollten, Reinheit, Hingabe und treue Liebe."

Man muß das alles überhaupt nicht so sehen, man kann Hunde, besonders Pitbulls, sogar recht gräßlich finden, und diesen fabelhaften Roman trotzdem lieben - der Carrollsche Hund ist nämlich nichts anderes als der Benjaminsche Engel der Geschichte: ein leicht unheimlicher, unbedingt erhabener "Anderer", den der Zeichendeuter des Ungeheuerlichen braucht, um damit letztlich nichts Simpleres zu codieren als seinen streitbaren, bei aller Radikalitätsanmutung altmodisch bürgerlichen Humanismus.

Jonathan Carroll: "Das hölzerne Meer". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Rainer Schmidt. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2003. 306 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Rezensent Dietmar Dath kann diesen "fabelhaften Roman" eigenem Bekunden zufolge nur lieben. Ein struppiger, dreibeiniger Pitbull tritt darin, wie wir lesen, als eine Art "Benjaminscher Engel der Geschichte" auf. Auch ist nach Ansicht des Rezensenten seit Kurt Vonneguts Billy Pilgrim kein Held der Literatur komisch-trauriger aus der Zeit gefallen, als der Held dieses Romans, der Kleinstadtpolizist McCabe. Dath sieht Jonathan Carrolls Welt an die David Lynchs angrenzen: ein samtiges, warmes Irrenhaus, wo man sich "auf halbem Weg des Erdenlebens" in seltsamer Waldesnacht verlaufe. Dies tut dann auch Polizist McCabe, der - zum zweiten Mal verheiratet - "zufrieden und gefestigt" im Städtchen Crane's View lebt. Bis er einem dreibeinigen Pitbull begegnet und bald darauf die Gemütlichkeit kollabiert. Mehr verrät der Rezensent nicht über die Handlung. In höchsten Tönen jedoch lobt er noch den Übersetzer Rainer Schmidt, ein "rarer Vogel", der seinen eigenen Wortschatz gegen den des Autors in Stellung bringt.

© Perlentaucher Medien GmbH"