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'Ein postmodernes Vexierspiel, das süchtig macht.' Elmar Krekeler in Die Welt 'Ein atemlos machender Roman über Heimat und Fremde, Wahrheit und Fiktion, Leben und Tod, ein gewaltiges Spiegelkabinett, ein Welttheater.' -- arte.tv
"Glanzpunkt des Bücherfrühlings ... ein genialisches Buch." -- http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/1769318_Alexander-Hemons-Lazarus-Glanzpunkt-des-Buecherfruehlings.html
Ein virtuos erzählter Road Trip zu den eigenen Wurzeln
1908 wird in Chicago der junge osteuropäische Einwanderer Lazarus Averbuch, ein vermeintlicher Anarchist,
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Produktbeschreibung
'Ein postmodernes Vexierspiel, das süchtig macht.' Elmar Krekeler in Die Welt 'Ein atemlos machender Roman über Heimat und Fremde, Wahrheit und Fiktion, Leben und Tod, ein gewaltiges Spiegelkabinett, ein Welttheater.' -- arte.tv

"Glanzpunkt des Bücherfrühlings ... ein genialisches Buch." -- http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/1769318_Alexander-Hemons-Lazarus-Glanzpunkt-des-Buecherfruehlings.html
Ein virtuos erzählter Road Trip zu den eigenen Wurzeln

1908 wird in Chicago der junge osteuropäische Einwanderer Lazarus Averbuch, ein vermeintlicher Anarchist, vom Polizeipräsidenten aus nächster Nähe erschossen. Hundert Jahre später will der bosnisch-amerikanische Schriftsteller Brik die Wahrheit über diesen angeblichen Anarchisten ans Licht bringen. Mit seinem Freund Rora macht er sich auf den Weg in die Heimat von Lazarus - ihre Reise wird zu einer Suche nach den eigenen Wurzeln. Eine lakonisch und höchst unterhaltsam erzählte Geschichte über politische Hysterie, Heimatlosigkeit und geplatzte Träume. Und die Geschichte einer Männerfreundschaft, die ihresgleichen sucht.

Autorenporträt
Aleksandar Hemon wurde 1964 in Bosnien geboren. Als 1992 die Belagerung Sarajevos begann, hielt er sich im Rahmen eines Kulturaustauschs in den USA auf und beschloss, im Exil zu bleiben. Heute lebt er in Chicago. Seine Erzählungen wurden in zahlreichen literarischen Magazinen und Sammelbänden veröffentlicht, darunter in den "Best American Short Stories 1999."
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2009

Amerika verlangt nach Wahrheit

Die Auferstehung der Toten im Land der freien Idioten: Aleksandar Hemons beeindruckender Roman "Lazarus".

Von Martin Halter

Es war ein kleines Malheur, eine bedauerliche Überreaktion, wie sie in Zeiten hysterischer Terrorpanik in Amerika schon mal vorkommt. Seit dem anarchistischen Bombenanschlag auf den Chicagoer Haymarket 1886 galten ausgemergelte, abgerissene, womöglich jüdische Immigranten aus Osteuropa als verdächtig, und der junge Lazarus Averbuch, der am 2. März 1908 beim Polizeichef von Chicago vorsprach, entsprach exakt diesem Signalement. Niemand machte Chief Chippy Vorwürfe, als er das unscheinbare Subjekt bei der ersten verdächtigen Bewegung erschoss, im Gegenteil. Die Zeitungen feierten den beherzten Polizeimann als Helden. Dass der gefährliche Anarchist aus dem Dunstkreis von Emma Goldman sich im Laufe der Ermittlungen als armer Einwanderer mit einer zarten Seele und literarischen Ambitionen entpuppte, interessierte niemanden mehr.

Hundert Jahre später greift ein anderer osteuropäischer Emigrant und elender Möchtegern-Schriftsteller den Fall auf. Lazarus ist für Vladimir Brik, wie sein biblischer Namensvetter, ein unglückseliger Grenzgänger zwischen Leben und Tod, der auf der Flucht vor den Judenpogromen der Alten Welt in die Anarchistenhatz der Neuen geriet, so wie sein Schöpfer und Wiedergänger auf der Flucht vor dem serbisch-bosnischen Bürgerkrieg in den Krieg Amerikas gegen den Terror islamistischer Schläfer. Brik kann Averbuch nicht (oder allenfalls schreibend) von den Toten erwecken, aber sich leicht in seinem Schicksal wiedererkennen. Und damit nicht genug der Spiegelungen: Der schlawinerhafte Exilautor, der sich mit Kolumnen über interkulturelle Missverständnisse in Ehe und Alltag über Wasser hält, ist ein Vexierbild seines Erfinders. Auch Aleksandar Hemon floh 1992 von Sarajevo nach Chicago, wo er sich, Nabokovs Karriere vor Augen, eine fremde Sprache anverwandelte, sich mit Kolumnen im "New Yorker", Erzählungen und dem halbautobiographischen "Nowhere Man" einen Namen machte und schließlich mit "The Lazarus Project" 2008 seinen Durchbruch schaffte. Briks Integration - er spricht höhnisch vom "Prozess meiner Vermenschlichung" - ist auch nicht viel mehr als ein Projekt: "Als Lazarus erst einmal aus dem gemütlichen Bett in die Ewigkeit geworfen worden war, wanderte er durch die Welt, auf ewig heimatlos, auf ewig in Angst einzuschlafen, vom Träumen zu träumen."

Aleksandar Hemon verknüpft in seinem ersten Roman mit großer Souveränität und Raffinesse Epochen, Motive und Erzählweisen aus beiden Welten: Emigrantenschicksale aus dem Chicago von einst und jetzt, Fakten und Fiktionen, Fotografie und Prosa, osteuropäische Fabulierkunst und nüchterne, dokumentarische Wahrheitsfindung, Elemente des Reise-, Familien-, Schelmen- und Exilromans. Aus alten Zeitungsberichten, Verhörprotokollen, historischen Fotografien und Briefen lässt er so einen Lazarus von den Toten auferstehen, der trotz all seiner sanften Demut und Duldungsbereitschaft nie im gelobten Land der Freien ankam.

Die Beschäftigung mit seinem Doppelgänger führt Brik zurück in die Vergangenheit; erst nur in die literarisch imaginierte, dann auch in die verlorene Heimat. Mit seinem Jugendfreund, dem Fotografen Rora (Hemon modelliert die Figur nach seinem Freund Velibor Bozovic, der auch einige Fotografien zum Buch beigesteuert hat), pilgert er, ähnlich wie vor einigen Jahren Jonathan Safran Foer in "Alles ist erleuchtet", auf den Spuren der Väter in die untergegangene Welt des jüdischen Schtetls und eines aus seiner Totenstarre erwachenden Balkans. Die abenteuerliche Reise im klapprigen, stinkenden "Ford Fäkal" führt die Männerfreunde vom ukrainischen Lemberg über Moldau und Belgrad bis nach Sarajevo; sie begegnen Huren, Schiebern und korrupten Grenzern, schlagen sich mit Geldwäschern in Jogginghosen, Businessmen und Menschenhändlern herum. Im Gewimmel der grotesken Erlebnisse, Anekdoten und folkloristischen Einlagen verliert Hemon zwar das Ziel manchmal aus den Augen, aber seine lakonische Ungerührtheit und sein robuster Witz halten jede Sentimentalität fern.

Am Ende wird Rora von seiner kleinkriminellen Vergangenheit zwischen den Fronten des jugoslawischen Bruderkriegs eingeholt, während Brik, an der Schreibhand verwundet, zu bleiben beschließt: "Wenn du nicht nach Hause kannst, kannst du nirgendwohin, und Nirgendwo ist das größte Land der Welt, ja die Welt selbst."

In Sarajevo muss ein Erzähler seine Hörer mit Übertreibungen, Ausschmückungen und Lügen fesseln; in Amerika hingegen erzeugt "die unaufhörliche Verweigerung kollektiver Phantasien ein unstillbares Verlangen nach Wahrheit und nichts als der Wahrheit". Hemon beherrscht beides: die nüchterne dokumentarische Recherche wie die überschwängliche kakanische Fabulierlust, die verwackelten Schnappschüsse und die brillant ausgeleuchteten Porträts. So arbeitet er virtuos die Brechungen, Wiederholungen und Leitmotive der Geschichte in seiner eigenen prekären Existenz heraus. Es ist die eines entwurzelten, "halbwegs loyalen Bürgers zweier Länder", der unbequem, aber ungebrochen zwischen allen Stühlen sitzt. Brik hasst das Waffen- und "Brusthaargeschüttel" der bosnischen Machos und ihre patriotische Nostalgie nicht weniger als das "Kulturgetue" der Vermittler oder die keimfreie, disziplinierte Ordnung seiner neuen Heimat. "Zuhause ist, wo jemand merkt, dass du nicht mehr da bist": In Sarajevo vermisst ihn niemand, aber heimkehren kann er auch nicht.

Amerika liebt die tüchtigen, tapferen Emigranten, die sich ohne Zaudern und Klagen dem pursuit of happiness verschreiben, aber nicht den stolzen, indolenten, willensschwachen Träumer und Tunichtgut, der sich, nicht ohne schlechtes Gewissen und dauernde Verlassensangst, von seiner Frau aushalten lässt. Mary, die katholische Unschuld und erfolgreiche Neurochirurgin, ist durch und durch vernünftig, gesund und gut: eine patente, sterile "Lebensmechanikerin", für die das Böse und Schmutzige so unbegreiflich sind wie die Funktionsweise ihrer Waschmaschine. Brik dagegen mag weder Kinder noch ein schönes Heim, will weder arbeiten noch eine "perfekte Immigrantenbiographie" herzeigen, und so fühlt er sich in dem hygienischen, seelenlosen "Land der freien Idioten und der tapferen Arschlöcher" zunehmend als Parasit und Versager.

Sein Freund Rora entspricht dem Ideal des tüchtigen Immigranten noch weniger: Der Hallodri mit seiner ungebrochenen Männlichkeit und "bosnischen Unverschämtheit" narrt mit seinen derben Witzen und Lügenmärchen über Tschetnik-Rambos oder das Marienwunder in Medjugorje selbst seinen Begleiter und verrät unbekümmert Ethos und Pathos fotografischer Wahrheit. Rora, der charmante Lügner, spricht und lebt aus, wovon der verunsicherte Dichter im Exil, abhängig vom Wohlwollen seiner Frau und vom "Stipendium" einer betuchten Charity-Lady, kaum zu träumen und schreiben wagt.

"Lazarus" ist ein komplexes autobiographisches Lügengewebe mit doppeltem Boden und dreifachem Wahrheitsanspruch. Am Ende lässt man sich von der schieren Gewalt und vertrackten Selbstironie von Aleksandar Hemons Prosa gern davon überzeugen, dass sorgloses Familienglück, Aufrichtigkeit, ehrbarer Wohl- und Anstand wenigstens in der Literatur nichts zählen im Vergleich mit der Trauer, Verzweiflung und anarchischen Wut einer zerrissenen Seele.

Aleksandar Hemon: "Lazarus". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Rudolf Hermstein. Mit Fotografien von Velibor Bozovic. Albrecht Knaus Verlag, München 2009. 352 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.09.2009

Die Plötzlichkeit des Blitzlichts
In seinem Roman „Lazarus” verknüpft Aleksandar Hemon das Schicksal eines vermeintlichen Anarchisten in Chicago und den Bosnienkrieg in Europa
Am frühen Morgen des 2. März 1908 klingelt ein dürrer junger Mann in abgerissener Kleidung an der Haustür des Polizeipräsidenten Chicagos und wird zunächst abgewiesen. Als er zum zweiten Mal vorstellig wird, hat man sich schon ein Bild von ihm gemacht: Er sieht aus wie ein Anarchist. Er verhält sich wie ein Anarchist. Und wie ein Anarchist wird er vom Polizeichef erschossen.
Sein Name ist Lazarus Averbuch. Er ist 19 Jahre alt geworden, und seine Hoffnung, den Pogromen in seiner osteuropäischen Heimat zu entkommen, hat sich nicht erfüllt. Fast ein Jahrhundert später stößt der junge Bosnier Vladimir Brik auf diese Geschichte, die vage Parallelen zu seiner eigenen aufweist.
Wie der 1964 in Sarajevo geborene Aleksandar Hemon ist auch sein Protagonist 1992 bei einem USA-Besuch vom Krieg in seiner Heimat überrascht worden und dageblieben. Während sich Hemon dort als Schriftsteller etabliert hat und für diesen Roman höchstes Lob erhielt, steckt sein Held noch in den Vorarbeiten. Der Originaltitel lautet deshalb „The Lazarus Project” und verschränkt Szenen der an realen Vorkommnissen orientierten Lazarus-Handlung mit einer Gegenwartserzählung, in der Brik sich dank eines Stipendiums in Europa auf die Suche nach Averbuchs Vorgeschichte macht.
Gemeinsam mit seinem Freund, dem Fotografen und begnadeten Geschichtenerzähler Rora, reist er durchs marode Hinterland des alten Kontinents und gerät dabei aus den verblassenden Spuren Averbuchs in die seiner eigenen Herkunft. In Träumen verfließen die Grenzen zwischen Projekt und Projektion, und schließlich wird Rora durch einen dummen Zufall in Sarajevo erschossen. Diese dramatische und unvermittelte Zuspitzung wirkt so, als sei es bei Briks Reise weniger um Lazarus gegangen als um ein Nachholen seines eigenen, bosnischen Schicksals.
Der in Amerika mit einer erfolgreichen Neurochirurgin verheiratete Brik läuft mit seiner Europareise nämlich auch vor dem drohenden Scheitern in der Neuen Welt davon. Das Schicksal Averbuchs wird damit zum historischen Beleg für eine Geschichte, die auch Anti-Integrationsroman sein soll. Hemon lässt Parallelen zwischen der Anarchistenhysterie von 1908 und der Islamistenjagd nach dem 11. September 2001 ebenso durchschimmern wie zwischen antijüdischen Pogromen im alten und dem Bosnienkrieg im neuen Europa.
Geschickt hat er damit an das schlechte Gewissen eines Amerikas der ausgehenden Bush-Ära appelliert. Gerade der Erfolg seiner Romans in den USA aber belegt, dass es um deren Integrationsfähigkeit so schlecht nicht stehen kann. Der Romanheld Brik erschmeichelt sich ein Stipendium, indem er für die Frau eines Geldgebers den wilden Mann vom Balkan mimt, während Hemons Lazarusprojekt von der John Simon Guggenheim Foundation und der John D. and Catherine T. MacArthur Foundation gefördert wurde.
Entstanden ist auf dieser Basis ein uneinheitliches Werk – eine eher schwache Geschichte getragen von einer starken, garniert mit Signalen postmodernen Erzählens und Kriegsanekdoten Roras. Das Buch beginnt zwar mit der Feststellung: „Zeit und Ort sind die einzigen Dinge, deren ich mir sicher bin”, schreitet nach dieser salvatorischen Klausel aber forsch voran und stützt sich auch auf alte Fotos, die unter anderem den toten Averbuch zeigen.
Doch als dem noch lebenden die Tür des Polizeichefs geöffnet wird, folgt der Einschub „(die sicher bedrohlich knarrt)”, was sich am Gartentor noch einmal wiederholt. Man mag das als ironisches Spiel mit der Souveränität des Erzählers verstehen, doch ist es hier deplaziert. In einem Viertel, dessen Häuser „wahre Schlösser” sind, wäre 1908 wohl nicht nur Averbuch, sondern auch der nachlässige Hausdiener erschossen worden, wenn eine Tür geknarrt hätte.
Da winkt jemand mit dem falschen Zaunpfahl. Auch dass in beiden Strängen der Handlung ein Reporter namens Miller auftaucht und dass ein Barkeeper den Namen Bruno Schultz trägt, was trotz des überzähligen „t” an den Verfasser der „Zimtläden” denken lässt, fällt zwar auf, aber wozu?
All das wirkte weniger aufgesetzt, wenn Briks eigene Geschichte diesen Roman tragen würde, aber das gelingt ihr nicht. Was den Bosnienkrieg angeht, so stammen die wichtigsten Beiträge von Rora. Im belagerten Sarajewo, so berichtet er einmal, habe es monatelang keinen Strom gegeben. „Als er wieder kam, brannten plötzlich alle Lichter, die vor Wochen nicht ausgeschaltet worden waren, alle Radios und Fernseher plärrten los, ganze Gebäude erwachten, wurden hell.” Plötzlich habe man die Stadt „in einem anderen Licht gesehen”, aber nicht das Licht habe sich verändert, sondern Sarajevo sei von den „Hässlichkeiten des Krieges” entstellt worden: „ausgebrannte Autos wie zerquetschte Kakerlaken, Hunde, die in den Schatten trotteten, Paare, die sich im Dunklen geliebt hatten und plötzlich sahen, wie ausgemergelt ihre Körper waren”.
Verglichen damit erscheint Briks eigene Geschichte blass und hätte keinerlei Aufmerksamkeit erregt, hätte Hemon sie nicht auf die Schultern eines Lazarus gestellt, der sich unter dieser Last schwerlich erholen wird. Gesunden wird hingegen Briks rechte Hand, die er sich beim Kontakt mit der postjugoslawischen Wirklichkeit gebrochen hatte: „Die brauchen Sie zum Schreiben”, sagt eine Ärztin mit dem letzten Satz des Romans. So tief kann Tiefsinn sinken. ULRICH BARON
ALEKSANDAR HEMON: Lazarus. Roman. Aus dem Amerikanischen von Rudolf Hermstein. Knaus Verlag, München 2009. 352 Seiten, 19,95 Euro.
„Plötzlich plärrten alle Radios und Fernseher wieder los, ganze Gebäude erwachten”
Aleksandar Hemon, geboren 1964 in Sarajevo, und Lazarus Averbuch (rechts), der 1908 in Chicago erschossen wurde. Fotos: getty images (links), Knaus Verlag
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Aleksandar Hemons in den USA bejubelter Roman "Lazarus" hat Ulrich Baron nicht für sich einnehmen können. Der 1964 in Sarajewo geborene und seit dem Bosnienkrieg in den USA lebende Autor verknüpft darin zwei Zeit- und Handlungsebenen: Er erzählt von dem vor den Pogromen aus seiner osteuropäischen Heimat geflohenen Juden Lazarus Averbuch, der 1908 vom Polizeipräsidenten von Chicago als vermeintlicher Anarchist erschossen wird, und von dem in den USA lebenden Bosnier Vladimir Brik, der, um Averbuchs Geschichte für einen Roman zu recherchieren, in die Ukraine und nach Bosnien reist. Den Rezensenten stört die Uneinheitlichkeit der Konstruktion und findet, dass die Verknüpfung der beiden Handlungsstränge an vielen Stellen sehr bemüht wirkt. Des Öfteren werde mit dem "Zaunpfahl" gewunken, etwa, wenn in beiden Zeitebenen des Romans ein Reporter namens Miller auftrete oder ein Barkeeper mit Namen "Bruno Schultz" auftauche, ohne dass damit ein Erkenntnisgewinn zu verbuchen wäre, beschwert sich Baron. Am schwersten aber wiegt in seinen Augen, dass die Erzählung um den Schriftsteller Brik für sich genommen nicht wirklich "trägt" und dessen Geschichte im Gegensatz zu Lazarus? Schicksal insgesamt blass bleibe.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein postmodernes Vexierspiel, das süchtig macht." Elmar Krekeler in Die Welt