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Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nach Alexander Gallus leistet es dieser Sammelband immerhin, einen thematisch geordneten Überblick zur Rechtsextremismus-Debatte zu geben. Das sei aber zugleich auch seine Schwäche, denn zu beliebig scheinen dem Rezensenten die Diagnosen und zu wahllos bzw. widersprüchlich auch die Definitionen. Mit anderen Worten: Es fehlt eine straffe Linie, die von den Herausgebern vorgegeben wäre. Anders ist es kaum zu erklären, dass für einen Autor, wie Gallus berichtet, Extremismus als Sammelbezeichnung für rechte wie linke Bewegungen herhält, während andere wiederum nur im rechten Spektrum antidemokratische Tendenzen ausmachen können. Gallus beruft sich auf Jürgen R. Winkler, der in seinem Beitrag der Rechtsextremismus-Forschung "kein besonders gutes Zeugnis" ausstellt. Es fehle an gehaltvollen Theorien, empirischen Untersuchungen und einer eindeutigen wissenschaftlichen Sprache. Das Buch konstatiert diesen Sachverhalt, so Gallus, und setzt diese Tradition fort.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.08.2001

Blut klebt an den Baseballschlägern
Der deutsche Verfassungsstaat sucht nach wie vor nach probaten Mitteln zur Gegenwehr gegen den grassierenden Rechtextremismus
WILFRIED SCHUBARTH, RICHARD STÖSS (Hrsg.): Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz, Verlag Leske + Budrich, Opladen 2001. 385 Seiten, 48 Mark.
Was genau ist Rechtsextremismus, was demgegenüber Linksextremismus und wie definiert sich politischer Extremismus? Jürgen Winkler, der am Sammelband über Rechtsextremismus-Forschung in Deutschland mitgeschrieben hat, bringt das Verhältnis der drei Begriffe präzise auf den Punkt: „Der Anwendungsbereich des Rechtsextremismusbegriffs ist im Extremismusbegriff enthalten.” Der Rechtsextremismus ist mithin eine Form des Extremismus, der Linksextremismus eine zweite.
Die wesentliche Schwäche des Extremismuskonzepts ist hingegen für Gero Neugebauer seine „Eindimensionalität”, Christoph Butterwegge unterstellt gar eine „Gleichsetzung der Gegner des demokratischen Verfassungsstaates”. Mit dieser Kritik stellen sich die Autoren jedoch selbst ein Bein, zeigt doch allein die Unterscheidung in Links- und Rechtsextremismus, dass – zumindest in der Wissenschaft, wenn auch nicht immer in der Politik – zwischen demokratischen und extremistischen Erscheinungen sowie zwischen politisch linken und rechten unterschieden wird.
Feinde der Demokratie
Die Gemeinsamkeiten am rechten und linken Rand liegen in der Gegnerschaft zur Demokratie, die Differenzen in der ideologischen Ausrichtung. Die Radikalität der Ziele beeinflusst auch die Wahl der Mittel. Im Rahmen einer empirischen Studie zu rechtsextremen Orientierungen Jugendlicher fanden Corinna Kleinert und Johann de Rijke wenig überraschend heraus, dass sich wie bei den Rechtsextremisten auch bei der extremen Linken eine weit größere politische Gewaltbereitschaft zeige als bei den „Moderaten”.
Das Gefahrenpotenzial des Rechtsextremismus ist jedoch gegenwärtig höher als jenes des Linksextremismus. Allerdings besteht nach der sorgfältigen Analyse Armin Pfahl-Traughbers keine Gefahr der Etablierung einer starken rechtsextremistischen Partei in deutschen Parlamenten. Dieses Ergebnis wurde mittlerweile durch das Scheitern der im Wahlkampf großspurig aufgetretenen „Republikaner” in Baden-Württemberg belegt. Die DVU-Fraktionen in den Landtagen sind, wie zuletzt in Sachsen-Anhalt zu besichtigen, regelmäßig zerfallen. Das neonazistische Spektrum könne wegen geringer Größe und innerer Zerstrittenheit ohnehin keine politisch bedeutsame Kraft werden, so der Autor.
Die Verbrüderung mit der NPD hat diesem Spektrum wenig genutzt, der Partei umgekehrt letztlich das Verbotsverfahren eingebracht. Gefahren sieht der Wissenschaftler eher wegen zunehmender Gewaltbereitschaft dieser Gruppen. Rechtsextremisten bedrohen derzeit nicht ernsthaft die Existenz der Demokratien, aber das Leben von Menschen, vor allem von Ausländern und Deutschen ausländischer Abstammung.
Was lässt sich nun konkret gegen den Rechtsextremismus tun? Hans Gerd Jaschke bescheinigt dem Konzept der streitbaren Demokratie, zur Erschwerung des Lebens rechtsextremistischer Kräfte beigetragen zu haben. Der Ansatz sei geeignet, die Toleranzgrenzen des Rechtsstaats wirksam aufzuzeigen. Das Votum überrascht etwas, zog doch gerade Jaschke lange gegen das Konzept der streitbaren Demokratie zu Felde. Gerade in der Diskussion um das NPD-Verbot änderte mancher seine Meinung und unterstützt nun repressive staatliche Maßnahmen gegen den politischen (Rechts-)Extremismus.
Nicht nur der Staat, sondern auch die Gesellschaft sind jedoch im Kampf gegen den Rechtsextremismus gefragt. Wilfried Schubarth präsentiert die bunte Palette der pädagogischen Konzepte von der politisch-historischen Bildung bis zum Anti-Aggressivitäts-Training und propagiert ihre langfristige Anwendung mit dem Ziel einer „Sensibilisierung für eine Kultur der Gewaltlosigkeit”. Mit schnellen Erfolgen ist kaum zu rechnen. Das gilt allemal für die schwierige und heikle pädagogische Arbeit mit rechtsextremistischen Jugendlichen.
Anbiedern an die Jugend
Vor allem die „akzeptierende Jugendarbeit” steht immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik. Franz Josef Krafeld verteidigt sie beherzt. Die Devise laute dabei: ernst nehmen, nicht anbiedern. Insbesondere in Ostdeutschland lassen sich nach Auffassung Krafelds aber immer wieder Pädagogen vor den Karren ihrer rechtsextremistischen Schützlinge spannen. Der Sammelband bietet ein Spiegelbild der gegenwärtigen Rechtsextremismusforschung mit all ihren Stärken und Schwächen. Die Aufsätze liefern solide Informationen über Teilbereiche des deutschen Rechtsextremismus und seiner Bekämpfung.
Der große Mangel des Werks ist aber das Fehlen von Vergleichen zwischen rechts- und linksextremistischen Phänomenen wie vor allem zwischen dem Rechtsextremismus in Deutschland und in anderen Ländern. Auch hinsichtlich der Formen des Umgangs mit dem Rechtsextremismus von staatlicher und gesellschaftlicher Seite wäre ein Blick auf andere Staaten sinnvoll gewesen. Die deutsche Rechtsextremismusforschung schmort allzu sehr in ihrem eigenen Saft.
STEFFEN KAILITZ
Der Rezensent ist Politikwissenschaftler an der TU Chemnitz.
Wo sind die Grenzen der Toleranz in einem demokratischen Staat? Wie weit darf akzeptierende Jugendarbeit gehen, ohne sich bei rechten Schlägern anzubiedern? Skinheads jedenfalls prügeln lieber, als zu reden. Foto: Vario-Press
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.08.2001

Beliebige Diagnosen

RECHTSEXTREMISMUS. Den Stand der Forschung und die Diskussion zu diesem Thema zu vermessen ist ein begrüßenswertes Anliegen. Selbst Experten drohen angesichts der Flut von Veröffentlichungen und einer öffentlichen Debatte, die längst ins Uferlose abgeglitten ist, den Überblick zu verlieren. Der Sammelband informiert in mehr oder weniger verständlicher Sprache über vielfältige Aspekte des Rechtsextremismus. Zunächst wird das Phänomen in vergleichender Perspektive erörtert. Dann wird sich der Geschichte des gewaltbereiten ebenso wie des parteipolitisch organisierten Rechtsextremismus, dessen Ideologien und Strategien, der Entwicklung des Antisemitismus in Deutschland seit 1945, der rechtsextremen Haltung von Jugendlichen, dem Geschlechterverhältnis im Rechtsextremismus und Fragen des Wahlverhaltens gewidmet. Der politische, staatliche, gesellschaftliche und pädagogische Umgang mit den rechten Feinden der Demokratie steht abschließend im Zentrum der Betrachtung. Jürgen R. Winkler stellt der Rechtsextremismus-Forschung kein besonders gutes Zeugnis aus. Es mangele ihr an gehaltvollen Theorien, aussagekräftigen und vergleichbaren empirischen Erhebungen sowie nicht zuletzt an einer eindeutigen Wissenschaftssprache. "Gleiche Ausdrücke" würden "für verschiedene Sachverhalte" verwendet und "gleiche Sachverhalte mit unterschiedlichen Ausdrücken" beschrieben. Der Band konstatiert diesen Mißstand nicht nur, sondern spiegelt ihn selbst auch wider. Während Armin Pfahl-Traughber unter Extremismus eine Sammelbezeichnung für antidemokratische Bestrebungen mit verschiedenen - "linken", "rechten" oder sonstigen - ideologischen Ausprägungen versteht, lehnt Gero Neugebauer eine solche Definition ab. Für ihn trifft sie auf Extremisten von links nicht zu. Diese seien, von wenigen Ausnahmen abgesehen, lediglich Kapitalismuskritiker, aber keine Gegner des demokratischen Verfassungsstaates. Christoph Butterwegge teilt diese Auffassung und beklagt eine - vor allem von ihm selbst wahrgenommene - Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus, die oft mit einer Leugnung politisch-ideologischer Affinitäten zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus einhergehe. Parteien, Gewerkschaften, Wissenschaft und Medien kritisiert er für ihren mangelnden Abwehrkampf gegen den Rechtsextremismus, manche gar für "Anpassungstendenzen". Fast in Manier eines Verschwörungstheoretikers macht er allenthalben Anzeichen für den Niedergang der demokratischen Kultur aus. Andere Autoren sehen rechtsextreme Einstellungen dagegen auf dem Rückzug und schätzen das davon ausgehende Gefahrenpotential für die bundesdeutsche Demokratie als nicht sonderlich hoch ein. Die Diagnosen scheinen beliebig. (Wilfried Schubarth, Richard Stöss [Herausgeber]: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz. Verlag Leske + Budrich, Opladen 2001. 358 Seiten, 36,- Mark.)

ALEXANDER GALLUS

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