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Stimme aus dem Verlag "Vasold räumt auf mit traditionellen Halbwahrheiten über die Pest und zeigt uns, wie Geschichtsschreibung und ihre Quellen den Blick auf die gefürchtete Seuche verzerrt haben." (Marketing, Theiss Verlag)
1348/49 fegt die Pest über Europa hinweg, rafft über ein Drittel der Bevölkerung dahin und reißt den Kontinent in die große "Krise des Spätmittelalters" von dieser Vorstellung, so zeigt Manfred Vasold auf, müssen wir uns trennen. Die Pest ist bis heute gleichbedeutend mit Tod, Verderben und Chaos. Der Autor kann jedoch zeigen, dass viele Gegenden Mitteleuropas erst…mehr

Produktbeschreibung
Stimme aus dem Verlag
"Vasold räumt auf mit traditionellen Halbwahrheiten über die Pest und zeigt uns, wie Geschichtsschreibung und ihre Quellen den Blick auf die gefürchtete Seuche verzerrt haben." (Marketing, Theiss Verlag)

1348/49 fegt die Pest über Europa hinweg, rafft über ein Drittel der Bevölkerung dahin und reißt den Kontinent in die große "Krise des Spätmittelalters" von dieser Vorstellung, so zeigt Manfred Vasold auf, müssen wir uns trennen.
Die Pest ist bis heute gleichbedeutend mit Tod, Verderben und Chaos. Der Autor kann jedoch zeigen, dass viele Gegenden Mitteleuropas erst Jahrzehnte nach 1348/49 oder überhaupt nicht von der Pest berührt wurden und dass die Verlustzahlen insgesamt weit geringer waren als bisher angenommen. Er weist nach, dass die weit verbreitete Fehleinschätzung des Phänomens Pest das Ergebnis einer langen historischen Entwicklung ist: So ließen die Geschichtsschreiber zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges die eigenen grauenvollen Seuchenerfahrungen in ihre Berichte einfließen, griffen zudem nur auf wenige, nicht repräsentative Quellen zurück und verzerrten dadurch ihre Interpretation vergangener Ereignisse.
Dieses Buch entschlüsselt den Mythos um das kollektive Grauen dem Schwarzen Tod und revidiert festgefahrene Forschungsmeinungen über die Pest im Spätmittelalter. Es erzählt auch vom langen Weg zur Erkenntnis über das Wesen der Seuche und dem schlussendlich erfolgreichen Kampf gegen die Pest.
Autorenporträt
Dr. Manfred Vasold, geboren 1943 in Nürnberg, Krankenpflegerausbildung 1960-63, danach als Krankenpfleger tätig, u. a. in Saudi-Arabien. Studium der Geschichte in Tulsa/USA, Dijon/Frankreich und Erlangen. Von 1977-1981 Verlagstätigkeit. Zahlreiche Veröffentlichungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2003

Von Ratten war nie die Rede
Auch Manfred Vasold weiß kein Kraut gegen die große Pest

In der Einleitung wird der Untertitel und damit das Ziel des Buches erläutert: Die Pest, die um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts Europa heimsuchte, sei von Mythen umstellt. Deren erster betreffe das Auftreten der Seuche, schreibt der Autor Manfred Vasold. Zeitgenössische Zeugen sowie moderne Autoren erweckten den Eindruck, die Seuche sei in Mittelmeerhäfen angelandet worden und habe sich blitzschnell überallhin ausgebreitet. Das würde jedoch nicht zur Pest passen, denn so rasch greife diese wegen ihres umständlichen Übertragungsmodus nicht um sich. Dann gebe es den Mythos von den großen Verlusten. Heute werde fast unisono behauptet, ein Drittel der Bevölkerung sei der Epidemie zum Opfer gefallen. Das aber wäre für die Pest zuviel. Entweder habe es sich um eine andere Krankheit gehandelt, oder die Zahlen seien zu hoch angesetzt. Die Pest sei in Deutschland zweifellos weniger verheerend gewesen als bisher angenommen, habe aber trotzdem ihren Schrecken nicht verloren.

Im Kapitel über "Die Angst vor Pest und Tod" führt Vasold das bei der Nennung des Wortes "Pest" eintretende Schaudern der Deutschen auf Reminiszenzen an den Dreißigjährigen Krieg und die seit 1632 grassierende Seuche zurück. Eine Befragung aus den frühen sechziger Jahren habe ergeben, daß jener Krieg an erster Stelle der deutschen Katastrophen genannt wurde, an zweiter die Niederlage im Zweiten Weltkrieg, danach folgten "Das Dritte Reich" und "Der Schwarze Tod". Ob diese Reihung und die Namen deutscher Desaster das Jahr 1968 unverändert überstanden haben, wird nicht gefragt. Vielmehr heißt es, der Dreißigjährige Krieg mit seinen zahllosen, auch von der Pest verursachten Todesopfern sei bei den Deutschen zum Trauma schlechthin avanciert.

Dann werden die verschiedenen Formen der Krankheit und ihre Symptome beschrieben: Die Beulen- oder Bubonenpest verdankt ihren Namen der Schwellung von Lymphknoten vor allem im Leisten- und Achselbereich. Durchbricht das Pestbakterium die Barriere der Lymphknoten, überschwemmt es den gesamten Körper, darunter auch die Lunge. Das daraus resultierende zweite Stadium der Krankheit wird als sekundäre Lungenpest bezeichnet. Die primäre rührt von den direkt über die Atemluft aufgenommenen Erregern. Beide Versionen sind extrem ansteckend und verlaufen nahezu immer tödlich, während die Bubonenpest in einigen Fällen auch schon vor der Erfindung der Antibiotika geheilt werden konnte, zum Beispiel durch das Aufschneiden der Eiterbeulen. Die Entdeckung des Pestbakteriums sowie die fatale Rolle der Ratten und ihrer Flöhe bei dessen Verbreitung werden dem Leser noch verheimlicht.

Erst später folgt der Bericht über den seinerzeit in Europa mit Spannung verfolgten Wettlauf von Bakteriologen neuer und alter Kolonialmächte, den der in der Schweiz geborene, später als Franzose zum Kreis um Louis Pasteur gehörende und von seiner Regierung beauftragte Arzt Alexandre Yersin 1894 für sich entschied. Die lange Geschichte des Streits darüber, ob der Entdeckerruhm auch dem zum Schülerkreis Robert Kochs zählenden Japaner Shibasaburo Kitisato zustehe, wird von Vasold nur unzureichend referiert.

Erwähnenswert wäre gewesen, daß der Pesterreger erst nach Yersins Tod (1943) aufgrund einer 1944 erschienenen Studie des Niederländers van Loghem als Yersinia pestis bezeichnet wurde. Der Name ist inzwischen gemäß dem International Code of Nomenclature of Bacteria sanktioniert. Zu einer explosiven Verbreitung bedürfen diese Bakterien und ihre Zwischenträger warmen und nicht zu trockenen Klimas. Insofern kann das Auftreten der Pest in kälteren Zonen als eher unwahrscheinlich gelten. Dennoch hat die Pest in Sommermonaten auch die europäischen Regionen nördlich der Alpenlinie heimgesucht, zum ersten Mal im Jahre 1349.

Mythos am Ende?

Diesem Ereignis ist das für die These vom Ende eines Mythos entscheidende Kapitel gewidmet: "Der Schwarze Tod - Die europäische Pestepidemie 1348/49". Der Autor benennt damit trotz der eingangs geäußerten Skepsis die Seuche als Pest. Zugleich kennzeichnet er sie kommentarlos mit einem Beinamen, der erst 1631 in lateinischer Version als "mors atra" belegt ist. Auch damals war der Name auf die große Pest von 1348/50 gemünzt. Deutsche Zeitgenossen benannten sie anders: Der Straßburger Kleriker Fritsche Closener setzte seinen Bericht über die Katastrophe vom Sommer 1349 unter den Titel: "Das große sterbote". Ähnlich hielten es andere Autoren.

Das erste Wüten der 1347/48 vom Schwarzen Meer nach Italien und in die Provence eingeschleppten Seuche ist von Chronisten und anderen Autoren durchweg sehr sachkundig beschrieben worden. Der Kölner Medizinhistoriker Klaus Bergdolt hat fünfzig dieser Texte gesammelt und herausgegeben. Vasold nennt einige darin genannte Zahlen. Mitunter soll mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausgerottet worden sein. Nach Maßgabe seiner These vom "Ende eines Mythos" fragt er, ob es sich bei dieser Seuche tatsächlich einzig und allein um die Pest gehandelt habe. Er verweist unter anderem darauf, daß in den Quellen nie von einem Rattensterben die Rede sei. Schon früheren Autoren war das aufgefallen. Indes wird noch in dem 1898 erschienenen Band 13 des "Brockhaus" zwar die Entdeckung des Pestbakteriums notiert, nicht aber, daß es vor allem die Ratte ist, die dem Erreger als erste zum Opfer fällt. Noch im selben Jahr wurde im Ergänzungsband dann auch deren Rolle erwähnt, der von den toten Nagern auf den Menschen überspringende Floh jedoch immer noch nicht gewürdigt, sondern vermutet, der Erreger werde unmittelbar vom verseuchten Boden aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte jedoch Kitisatos Lehrer Masanori Ogata bereits den wahren Infektionsweg entdeckt.

Im Abschnitt über die Pest in England übernimmt Vasold die Bilanz der modernen Forschung ohne Bedenken: Ein Drittel der Bevölkerung sei der Pest zum Opfer gefallen. Erhebliche Kritik äußert der Verfasser dann jedoch an einigen Darstellungen über die Pest in deutschen Landen. Wenn die Seuche über die Alpen gezogen sei, so heißt es, müßte sie zunächst Bayern und das heutige Baden-Württemberg erreicht haben. Bei der Musterung neuerer Stadtgeschichten, die durch Anfragen bei süd- und westdeutschen Archivaren ergänzt wurde, ergaben sich oft nur unklare oder explizit negative Auskünfte.

So fragt er am Ende, ob es möglich sei, daß die Pest nicht, wie durchweg unterstellt, von Süden her in die deutschen Gebiete eingebrochen sei, sondern über die Seehäfen im Norden. Dagegen spricht schon, daß die Pest in Bremen, Hamburg und Lübeck erst 1350 ihren Einzug hielt, in Straßburg aber schon im Sommer 1349. Das alles und viele weitere Details hätte Vasold einigen Monographien zum Thema entnehmen können, von denen das 1994 erschienene, ebenso sachkundig wie brillant geschriebene Werk des bereits genannten Klaus Bergdolt hervorgehoben werden soll: "Der Schwarze Tod in Europa. Die Große Pest und das Ende des Mittelalters".

Entsetzen im Winter

Die von Vasold in Zweifel gezogene Todesrate von einem Drittel der Bevölkerung wird zwar schon in zeitgenössischen Texten genannt, jedoch werden Zahlenangaben mittelalterlicher Chronisten nicht ohne Grund mit Skepsis betrachtet. Indes verfügten viele der über die Pest schreibenden deutschen Autoren über zuverlässige Informationen. Ihre mitunter gut begründeten Angaben vermitteln den Eindruck, daß der Ansatz eines Drittels der gesamten deutschen Bevölkerung, zu dem sich auch Bergdolt bekennt, nicht aus der Luft gegriffen ist, sondern allenfalls nach oben korrigiert werden müßte. Die Verluste auf dem Land wurden von den Chronisten zwar nur selten erwähnt.

Indes hat Hans Georg Trüper in einer Studie zur Bremer Ritterschaft Berechnungen über die Verluste dieses Standes angestellt, die vermuten lassen, daß die Todesrate auf dem Land zumindest nicht niedriger war als im urbanen Bereich. Dafür gibt es sichere Daten: In Hamburg sind 1350 von einundzwanzig Ratsherren sechzehn gestorben, in einem Magdeburger Minoritenkonvent acht von elf Mitgliedern. Anderswo war die Todesrate zwar niedriger, an der allenthalben als entsetzlich empfundenen Höhe der Opferzahlen kann jedoch kein Zweifel bestehen. Auch das rasend anmutende, nur in den Wintermonaten geminderte Tempo des Seuchenzugs geht aus den zeitgenössischen Quellen einwandfrei hervor.

Es bleibt das von Vasold genannte Problem, ob es sich bei der Seuche von 1347 bis 1350 tatsächlich um die von der Yersinia pestis verursachte Krankheit gehandelt habe, jedoch erörtert der Autor diese Frage im Hauptteil nur noch sporadisch und kommt dabei über Vermutungen nicht hinaus. Die im Jahre 2001 von Susan Scott und Christopher Duncan verfochtene These, bei der großen Pest habe es sich um eine von Viren ausgelöste Seuche gehandelt, fand bei Kennern der Materie keinen Anklang. So wird auch der Historiker fürs erste dabei bleiben können, daß der Schwarze Tod von der Yersinia pestis rührte.

Das im Untertitel des Buches genannte Ziel der Darstellung kann demnach als verfehlt bezeichnet werden: Dem großen Sterben um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts wird auch weiterhin eine enorme Bedeutung zugemessen werden, und zwar auch und vor allem deshalb, weil die von Gerüchten und sicheren Nachrichten genährte Angst vor dem Nahen der Katastrophe dazu genutzt wurde, schon vorher grassierende Ressentiments aufzuputschen und die Juden als Urheber des Übels zu bezichtigen.

Die in dieser hysterischen Atmosphäre oft aus ganz anderen Motiven inszenierten Mordaktionen werden von Vasold nur gestreift: Zum Nachweis des Auftretens der Seuche seien die Pogrome von 1349 ungeeignet, weil sie fast immer vor dem Einzug des Todes stattfanden. Das ist richtig, aber auch schon alles. Klaus Bergdolt hat das Thema selbstverständlich beachtet und ihm ein umfangreiches Kapitel gewidmet, das als die beste Zusammenfassung der in jüngerer Zeit intensiv betriebenen Forschung zu diesem nicht nur für die jüdische Geschichte epochalen Einschnitt gewertet werden kann.

HEINZ THOMAS

Manfred Vasold: "Die Pest". Ende eines Mythos. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2003. 196 S., 50 Farb- u. S/W-Abb., geb., Subskriptionspreis bis 31. Januar 2004 24,90 [Euro], danach 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Manfred Vasold will Aufklärung leisten wider die Mythen, die sich um die Pest ranken, doch Heinz Thomas mag ihm nicht folgen und legt dar, was der Autor alles unterschlage und wo er schludrig argumentiere: Der "Wettlauf von Bakteriologen" um die Entdeckung des Erregers werde nur ungenau geschildert, "bedenkenlos" würden einerseits Forschungsergebnisse übernommen und anderswo unsinnige Hypothesen gegen die Lehrbuchmeinung vertreten, die Pogrome gegen die Juden während der Epidemie Mitte des 14. Jahrhunderts kommen nur am Rande vor. Der Rezensent empfiehlt dem Autor zur Besserung und den Lesern zur Information Klaus Bergdolts Buch zum selben Thema empfiehlt.

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