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Franz von Papen, ehemaliger Reichskanzler und NS-Diplomat, kämpfte nach dem Krieg lange um öffentliche Rehabilitierung. Bis zu seinem Tod im Jahr 1969 leugnete er hartnäckig, das Regime Hitlers unterstützt zu haben. Bis heute halten sich derartige falsche Behauptungen in zeithistorischen Arbeiten und journalistischen Porträts. Reiner Möckelmann verwendet bislang unbeachtete Quellen wie Vatikandokumente aus den Kriegsjahren, Dokumente des US-Geheimdienstes, Tagebücher, Zeitzeugenaussagen oder Briefe von Papens an Hitler. Er vergleicht diese mit den fantasiereichen Selbstzeugnissen des…mehr

Produktbeschreibung
Franz von Papen, ehemaliger Reichskanzler und NS-Diplomat, kämpfte nach dem Krieg lange um öffentliche Rehabilitierung. Bis zu seinem Tod im Jahr 1969 leugnete er hartnäckig, das Regime Hitlers unterstützt zu haben. Bis heute halten sich derartige falsche Behauptungen in zeithistorischen Arbeiten und journalistischen Porträts. Reiner Möckelmann verwendet bislang unbeachtete Quellen wie Vatikandokumente aus den Kriegsjahren, Dokumente des US-Geheimdienstes, Tagebücher, Zeitzeugenaussagen oder Briefe von Papens an Hitler. Er vergleicht diese mit den fantasiereichen Selbstzeugnissen des Reichskanzlers und zeichnet so dessen Denken und Handeln nach. Im Zentrum der Darstellung stehen bislang wenig beachtete Themen, wie etwa von Papens Kampf um Anerkennung des Nationalsozialismus durch die Katholiken, seine gescheiterten Bestrebungen, die Türkei für die Achsenmächte zu gewinnen, oder sein Verhältnis zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Dieses Buch zeigt eindrücklich, dass von Papens verblendete Selbstdarstellung jeder Realität entbehrte.
Autorenporträt
Reiner Möckelmann war langjähriger Diplomat in Ankara, Belgrad, Istanbul, Moskau und Wien. Er ist Autor einer Monografie über die Exiljahre von Ernst Reuter in der Türkei, einer ausgesprochen hochgelobten Biografie zu Franz von Papen sowie einer Biografie über die Bismarck-Enkelin und Widerstandskämpferin Hannah von Bredow.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.2016

Selbstbetrüger und Lügenbaron
Der Zentrumspolitiker und spätere Diplomat Franz von Papen als Vasall Hitlers

An heutigen Historischen Seminaren können Studierende im Fach Geschichte lernen, dass man das Wort "Wahrheit" besser nicht benutzt. Denn der inhaltliche Gehalt liegt in der Regel immer im subjektiven Empfinden desjenigen, der diesen Begriff für sich verwendet. Wenig Bedenken, dieses Wort zu verwenden, hatte dagegen 1952 Franz von Papen. Der ehemalige Reichskanzler der Weimarer Republik und zeitweilige Vizekanzler unter Hitler veröffentlichte in diesem Jahr seine Version der geschichtlichen Ereignisse. Er nannte sie "Der Wahrheit eine Gasse". Der Titel war nicht ganz neu. Im Jahr 1919 benutzte ihn der Antisemit Ferdinand Werner für eine Publikation gegen das Judentum. Und der Sozialist Florian Schenk verwendete ihn ebenfalls wenige Jahre danach für ein Buch über den Besuch tschechoslowakischer Arbeiter in der Sowjetunion.

Papen, der zeit seines Lebens mit dem Odium behaftet war, als "Steigbügelhalter" Hitler zur Kanzlerschaft verholfen zu haben, benutzte die Phrase nun für seine eigene politische Rechtfertigung. Er wollte dem Leser die "Wahrheit" darüber sagen, wie es denn zu Hitler hatte kommen können und dass er und die konservativen Eliten weitgehend unschuldig daran gewesen seien. Sie hätten im Gegenteil vieles versucht, um mäßigend auf die Nationalsozialisten einzuwirken; so auch Papen, der später als Hitlers Botschafter in Österreich und der Türkei die deutschen Interessen vertreten hatte. Die Memoiren waren ein Erfolg. Sie erlebten mehrere Auflagen und wurden ins Englische und Französische übersetzt. Heute sind sie - ebenso wie ihr Verfasser - weiten Teilen der Öffentlichkeit kaum noch bekannt.

Reiner Möckelmann, im Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland in Ankara, Belgrad, Istanbul und Moskau auf Posten gewesen, stieß nach eigenen Angaben in den 1990er Jahren in der Ahnengalerie der deutschen Botschafter in der Türkei auf Papen. Möckelmann hat es sich seitdem zur Aufgabe gemacht, der schillernden Selbstdarstellung Papens auf den Grund zu gehen. Herausgekommen ist eine lesenswert geschriebene politische Biographie. Im Vordergrund stehen - wenig überraschend - die Stationen in Wien und Ankara von 1934 bis 1944.

Seit 1996 ist im deutschsprachigen Raum keine Monographie mehr über Papen erschienen. Lediglich eine Reihe von Aufsätzen beschäftigte sich seitdem mit Hitlers ehemaligem Vizekanzler. Dies mag daran liegen, dass dessen Geschichte in weiten Teilen bereits umschrieben ist. Im Großen und Ganzen unterscheidet sich auch Möckelmanns Einschätzung kaum von denen anderer Zeitgenossen und Historiker. Er zeichnet überzeugend das Bild eines rechtskonservativen Katholiken, der viel Wert auf Titel, Hofzeremoniell und Orden legte. Sein politisches Denken war antidemokratisch und ständisch geprägt. Katholizismus und Adel spielten darin die wesentlichen Rollen. Im Persönlichen machte von Papen mangelnde Eignung mit kolossaler Selbstüberschätzung wett. Möckelmann nennt ihn "profilierungssüchtig" und eitel.

Und doch schafft es Möckelmann, neue Facetten herauszuarbeiten, da er sich auf die diplomatischen Stationen Papens konzentriert. Besonders die Zeit als Botschafter in der Türkei analysiert er quellennah und kenntnisreich. Zudem legt der Autor besonderes Gewicht auf die Analyse der strengen katholischen Bindung Papens, der sich als Mittler zwischen Kreuz und Hakenkreuz sah. Rotierende Achse in den Ausführungen sind immer wieder die Memoiren Papens, deren zweifelhafter Inhalt detailliert und kritisch widerlegt wird. Der Kampf um "Wahrheiten" hört also noch lange nicht auf. Bereits nach wenigen Seiten hat der Leser Klarheit darüber, dass der "Wahrheit" Papens in allen Belangen nicht zu trauen ist. Aus diesem Grund sind Möckelmanns eigene Interpretationen zum Handeln Papens viel interessanter zu lesen als die ständige De-Kostümierung der Papenschen Legenden von 1952, die auf Dauer etwas redundant wirkt. In Fachkreisen ist das Werk ohnehin schon seit langem diskreditiert.

Spuren von Resistenz oder widerständigem Handeln, die Papen den Memoirenlesern weismachen wollte, hat es nicht gegeben. Der Lackmustest für die Beteiligung an der nationalsozialistischen Gewaltpolitik ist immer die Beteiligung an der Judenvernichtung. Möckelmann sieht in Papen keinen radikalen Rasseantisemiten, aber sehr wohl einen nationalkonservativen Judenfeind. Papen sagte im Juni 1946 seinen Nürnberger Richtern, es sei für ihn im gesellschaftlichen Leben zu einer "gewissen Überfremdung oder des überstarken Einflusses des jüdischen Elements" gekommen, was er für "ungesund" gehalten habe.

Vor dem Nürnberger Tribunal nahm Papen für sich dennoch in Anspruch, 10 000 Juden aus der Türkei in Frankreich vor der Deportation in die Vernichtungslager bewahrt zu haben. Möckelmann hingegen kommt nach seinen Archivrecherchen zu dem Schluss, dass von Papen kein einziges Mal Einspruch gegen solche oder ähnliche Deportationen erhoben habe. Dabei wäre ihm dies durchaus ohne größere Probleme mit dem Verweis auf wichtige außenpolitische Belange bezüglich der türkischen Neutralität möglich gewesen. Im Gegenteil habe sich Papen mehrfach für eine pauschale Ausbürgerung türkischer Juden ausgesprochen, was ihren letzten völkerrechtlichen Schutz praktisch aufgehoben hätte. In seinen nach 1945 dargestellten, angeblichen Rettungsbemühungen ist Papen für Möckelmann nur ein Trittbrettfahrer, der sich die tatsächlichen Rettungsversuche des Apostolischen Nuntius in der Türkei, Angelo Roncalli, später zu eigen machte.

Reiner Möckelmann hat ein sehr gutes Buch über den Diplomaten Franz von Papen geschrieben, den er zu Recht "Hitlers ewigen Vasallen" nennt. Er belegt, was es mit Papens Selbstsicht auf sich hat: "Der Wahrheit eine Gasse" ist eigentlich eine einzige Lüge.

SEBASTIAN WEITKAMP

Reiner Möckelmann: Franz von Papen. Hitlers ewiger Vasall. Verlag Philipp von Zabern - WBG, Darmstadt 2016. 480 S., 39,95 [Euro].

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»Reiner Möckelmann hat ein sehr gutes Buch über den Diplomaten Franz von Papen geschrieben, den er zu Recht "Hitlers ewigen Vasallen" nennt. Er belegt, was es mit Papens Selbstsicht auf sich hat: 'Der Wahrheit eine Gasse' ist eigentlich eine einzige Lüge.« Sebastian Weitkamp, FAZ