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Wenn Amors Pfeil trifft, zeichnet er das Portrait der geliebten Person direkt ins Herz - weshalb der Liebesgott vom italienischen Dichter Petrarca als größter Künstler gerühmt wurde. Ulrich Pfisterer erschließt in Texten und Bildern die grundlegenden Zusammenhänge zwischen Kunst und Liebe. Schon Cicero wies auf die sprachliche Verwandtschaft zwischen dem Pinsel [pennellus], der Feder [penna] und dem Penis hin. Neben dem erotisch- sinnlichen Aspekt steht aber auch der von Zeugung und Geburt der Künste. Die Kunst wird körperlich empfunden. Und nicht nur die Antike, auch das Christentum steht…mehr

Produktbeschreibung
Wenn Amors Pfeil trifft, zeichnet er das Portrait der geliebten Person direkt ins
Herz - weshalb der Liebesgott vom italienischen Dichter Petrarca als größter
Künstler gerühmt wurde. Ulrich Pfisterer erschließt in Texten und Bildern die
grundlegenden Zusammenhänge zwischen Kunst und Liebe.
Schon Cicero wies auf die sprachliche Verwandtschaft zwischen dem Pinsel
[pennellus], der Feder [penna] und dem Penis hin. Neben dem erotisch- sinnlichen
Aspekt steht aber auch der von Zeugung und Geburt der Künste.
Die Kunst wird körperlich empfunden. Und nicht nur die Antike, auch
das Christentum steht Pate, wenn sich etwa die Allegorien auf Gerechtigkeit
und Frieden in einem leidenschaftlichen Kuss verbinden. Auf einem niederländischenStich von 1580 sind es dann erstaunlicherweise Fleiß und Arbeit,
die sich küssen.
In der Renaissance war die Erotisierung der Kunst in Wort und Bild allgegenwärtig
- und rechnete mit dem Kunstliebhaber als voyeuristischem Dritten, der
an all dem sein Vergnügen hat.
Ulrich Pfisterer, einer der profiliertesten jüngeren Kunsthistoriker, lassen
sowohl die Kunst- Liebe als auch ihre zahlreichen Zeugnisse in schriftlichen
Quellen und Bildern nicht los - hier fasst er die Ergebnisse seiner Forschungen
zusammen.
Autorenporträt
Ulrich Pfisterer, geboren 1968, hat in Freiburg/Br. und München Kunstgeschichte, Archäologie und Philosophie studiert, war Stipendiat der Bibliotheca Hertziana in Rom und am Kunsthistorischen Institut in Florenz und ist seit 2006 Professor für Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians- Universität München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.01.2015

Liebesarbeit im Atelier

Erregt sind die Maler und die Betrachter ganz entflammt: Ulrich Pfisterer sondiert, was sich aus dem Vergleich von Kunst und Zeugung rhetorisch und bildlich so alles machen ließ.

An Studien zu Liebe, Erotik und Sexualität in der Kunst der frühen Neuzeit herrscht kein Mangel. Wer in dieser umfangreichen Bibliothek ein eigenes Buch unterbringen möchte, steht vor keiner geringen Herausforderung. Die Gelehrsamkeit, mit der sich die Gründer der kunsthistorischen Ikonologie Aby Warburg, Erwin Panofsky und Edgar Wind dem Eros in der Renaissance zugewandt hatten, um aus dem Bann der ästhetizistischen Verehrung für die Figuren Botticellis, Leonardos und Michelangelos zu treten, hat Maßstäbe gesetzt, die auch für ganz anders ausgerichtete Untersuchungen jüngeren Datums wirksam geblieben sind. Der in München lehrende Kunsthistoriker Ulrich Pfisterer, der durch zwei vielgelobte Studien zur Skulptur des Quattrocento hervorgetreten ist, hat nun eine Forschungslektüre entdeckt, die es ihm erlaubt, Amors Kunstreich vom Standpunkt ebenjener Tugend zu überblicken, der die Gelehrten verpflichtet sind: der Liebesmüh.

Auch das Buch selbst ist das Ergebnis einer Anstrengung, die "con amore" für seine Leser geleistet wurde, denen auf knapp hundertfünfzig Seiten das klare Destillat eines stupenden Quellen- und Literaturstudiums dargeboten wird. Wie bereits der Titel andeutet, unternimmt "Kunst-Geburten. Kreativität, Erotik, Körper" die Sichtung eines ebenso breiten wie bunten Korpus an Theorien, Anekdoten und Bildern zu Kunst und Fortpflanzung. Doch so vielfältig das Liebesleben der Menschen und anderer Tiere auch ist und so fremdartig die Erklärungsversuche der frühen Neuzeit in vieler Hinsicht auch erscheinen mögen - die Aspekte, unter denen Fortpflanzung und Kunst verglichen werden, sind doch leicht vorhersehbar.

Der Pinsel ist das männliche Glied, das weiße Papier die Jungfrau; Kunstwerke betrachten heißt sich verlieben, der Sammler möchte sie körperlich besitzen, der Künstler ist zugleich ihr Vater, Erzieher und Liebhaber wie auch ihre Mutter und Amme und sorgt sich, so Montaigne, ungleich inniger um sie als um seine leiblichen Kinder. Sein Schaffen ist ein erotischer Kreislauf, der mit der Liebe zu seinem Modell in Gang kommt, um in sein Werk überzugehen, welches den Betrachter erregt, der unter dem Eindruck der Kunst ein schönes Wesen zeugt, das wiederum den Maler entflammt.

Diese Folge ermüdender Variationen über die Manneskraft der Maler zwischen "überbordender Potenz und sexueller Sublimierung" durchbricht Pfisterer mit klug ausgewählten Gegenbeispielen. Sie reichen von dem antiken Maler Pausias, der laut Plinius sein Meisterwerk aus Liebe zu und im Wetteifer mit der Blumenwinderin Glycera geschaffen haben soll, über das Selbstbildnis der Mary Beale mit ihren beiden Söhnen bis hin zu Parodien der künstlerischen Sexualprahlerei in Baldung Griens "Wildpferden" und Giambattista Tiepolos "Capricci". Sie schließen auch Giulio Bonasones Allegorie der Malerei ein, in der die Zeugungsmetaphorik und die tatsächliche Praxis der Malerei in Konflikt miteinander geraten: Auf der Leinwand, die von der Personifikation der Malerei unter Anleitung Apollos bemalt wird, lässt sich bereits der voll ausgearbeitete Kopf eines Puttos im Bildzentrum erkennen, während der Körper bloß angedeutet und der größte Teil des Bildträgers überhaupt noch unberührt ist. Dies führt Pfisterer zum einen auf die aristotelische Embryologie zurück, der zufolge zuerst der Kopf wächst, während die übrigen Körperteile "zunächst wie in Umrisslinien angelegt" seien; er hält zum anderen jedoch fest, dass diese Reihenfolge dem tatsächlichen Vorgehen der Maler widerspricht, das auf dem Vorrang der Gesamtkomposition gegenüber den Einzelteilen beruht.

Er interessiert sich jedoch weniger für dergleichen schwer nachzuweisende Fälle, bei denen Künstlern und Publikum gedämmert haben mag, dass die Zeugungsmetaphorik den Blick auf die Kunstgriffe der Malerei auch verstellen kann. Im Zentrum der Untersuchung stehen vielmehr Bilder, in denen die künstlerische Arbeit in Metaphern der Fruchtbarkeit und Liebe gekleidet wird, um die Milchspenden der Musen, die göttliche Gnade oder auch den Furor des Unterleibs mit Eifer, Sorgfalt und der Betriebsamkeit des Ateliers zu verbinden.

Der englische Architekturtheoretiker Henry Wotton berichtet zu Beginn des 17. Jahrhunderts aus Italien, dass nach der gewöhnlichen und der unterrichteten Gewissenhaftigkeit die "loving diligence" als die höchste Stufe der Kunst anzusehen ist, auf der das Werk selbst Liebe verdient. Eine Allegorie der Kunstausbildung, die Giovanni Paolo Lomazzo Ende des 16. Jahrhunderts zeichnet, enthält an zentraler Stelle die Figur Amors, der mit seinem goldenen Pfeil auf den Künstlernachwuchs zielt, um ihm jene bedingungslose Hingabe und Liebe zur Kunst einzuimpfen, ohne die das Joch des Studiums unerträglich wäre. Der Kupferstecher Hendrick Goltzius schließlich, der sich wie kein anderer darauf versteht, das Ab- und Anschwellen der mit dem Grabstichel gezogenen Linie als pulsierende Erregung zur Geltung zu bringen, wird die Personifikationen von "Labor" und "Diligentia" in so inniger Umarmung darstellen, dass die Kopula der beiden Begriffe zur Kopulation fortschreitet. Die Beischrift verrät die Moral: Arbeit und Fleiß gebären neue Erfindungen. Von diesen Tugenden zeugt auch das berühmte Selbstporträt als Akt, in dem Dürer sein Geschlecht zeigt, um sich selbst als Geschöpf Gottes und fruchtbarer Künstler zu präsentieren, doch nicht ohne mit dem künstlichen Licht auf die nächtliche Stunde zu verweisen, die der Fleißige zum Studium nützt.

Die für Autoren wie Leser kunsthistorischer Abhandlungen durchaus erfreuliche Einsicht, dass das Studium unter Amors Fittichen gedeiht und diese sogar wachsen lässt, ist nicht die einzige, die wir dieser überaus lohnenswerten Lektüre verdanken. Trotz oder besser wegen seiner Zurückhaltung, über die Interpretation einzelner Bilder und Texte hinauszugehen, schafft Pfisterer eine quellengesättigte Grundlage für die These, dass die oft beschriebene Transformation des Handwerks zur Kunst nicht nur als soziale Nobilitierung und intellektuelle Sublimierung zu verstehen ist, sondern ebenso als sexuelle und erotische Verlebendigung der Verfahren ihrer Herstellung.

RALPH UBL.

Ulrich Pfisterer: "Kunst-Geburten". Kreativität, Erotik, Körper. Wagenbach Verlag, Berlin 2014. 192 S., Abb., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Wie kann man ein ganzes Buch über die Bedeutung von Lust und Liebe für die Kunst der Renaissance schreiben, über Säfte, Sex, Körper, und sich in ihrer Beschreibung dann ganz den "akademischen Gerätschaften der Kunstgeschichte" überlassen?, fragt sich Gisela von Wysocki. Die Rezensentin findet es wirklich schade, dass Ulrich Pfisterer sich in "Kunst-Geburten" nicht etwas mehr Spielraum verschafft, dass er sich absolut gar nicht von seinem Sujet anstecken lässt, denn sonst hätte dieses Buch ein wirkliches Ereignis der Kunstgeschichte werden können, vermutet von Wysocki. Stattdessen wird alles, was da lebt und bebt, in Begriffen trockengelegt, die weiter von der Kunst der frühen Neuzeit kaum entfernt sein könnten, so die Rezensentin.

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