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Von der Plünderung Roms im Jahr 410 über Friedrich Barbarossa und den Frankenkönig Karl, die Spanier in Neapel, die Österreicher in der Lombardei, von der "Pseudo-Eroberung" Italiens durch das Piemont im Risorgimento bis zur Befreiung durch die anglo-amerikanischen Alliierten im Zweiten Weltkrieg: Die Herausbildung des kulturellen und politischen Italiens war ein langer Prozess voller dynastischer Verwicklungen, Überfälle, Eroberungen, Besetzungen. So entstand die italienische Identität, wie wir sie heute kennen. Aspekte der Alltagsgeschichte, die Auseinandersetzung mit den zahlreichen, dem…mehr

Produktbeschreibung
Von der Plünderung Roms im Jahr 410 über Friedrich Barbarossa und den Frankenkönig Karl, die Spanier in Neapel, die Österreicher in der Lombardei, von der "Pseudo-Eroberung" Italiens durch das Piemont im Risorgimento bis zur Befreiung durch die anglo-amerikanischen Alliierten im Zweiten Weltkrieg:
Die Herausbildung des kulturellen und politischen Italiens war ein langer Prozess voller dynastischer Verwicklungen, Überfälle, Eroberungen, Besetzungen. So entstand die italienische Identität, wie wir sie heute kennen.
Aspekte der Alltagsgeschichte, die Auseinandersetzung mit den zahlreichen, dem Italienliebhaber immer wieder begegnenden Mythen des italienischen Geschichtsbewusstseins und eine Fülle von Quellen machen die Lektüre dieser besonderen Geschichte Italiens zu einem außergewöhnlichen Vergnügen.
Autorenporträt
Girolamo Arnaldi, wurde 1929 in Pisa geboren und lebt heute in Rom. Er lehrte mittelalterliche Geschichte an den Universitäten Rom und Bologna.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.08.2005

An die Sonne, an die Pasta!
Girolamo Arnaldi erzählt von den Invasoren Italiens

Das Genialste an diesem Buch ist die Grundidee, nämlich die Geschichte Italiens im Spiegel der vielen Invasionen zu schreiben. So erschiene im Idealfall das Spiegelbild einer herkömmlichen Nationalgeschichte von den Römern bis Berlusconi - einer Historiographie, die in Italien daher so bemüht daherkommt, weil die heutige Republik nur eine fragile Identität, einen gerade einmal geographischen Zusammenhalt gefunden hat. Girolamo Arnaldi, renommierter Mediävist aus Pisa, hat daher den Spieß umgedreht: Wenn die Italiener sich schon mit ihrer Nation so schwertun, so sind es vielleicht die reiselustigen Fremden, die immer wieder über die Halbinsel herfielen, die dem Konglomerat aus Regionen den Zusammenhalt bescherten, den es ja fraglos gibt.

Eine solche nahtlose Invasorengeschichte kann nur in Italien gelingen. Deutschland etwa wollte die meiste Zeit seines Bestehens kaum jemand besetzen oder gar bevölkern, was gewiß weniger mit der Wehrhaftigkeit seiner Bewohner, sondern mit Klima, Geographie, Küche zu tun hat. Dies alles ist nun wieder in Italien höchst verlockend, so daß es gerade die Germanen waren und sind, die im Ultramontanen die Erfüllung ihrer Sehnsüchte nach Sonne, Meer und Pasta sahen. Zur längst nicht immer ungetrübten Freude der Italiener brachen von den Cimbern und Teutonen über die deutschen Kaiser und die Wehrmacht bis zu den Neckermännern in unregelmäßigen Abständen immer wieder Nordalpine über das Bel Paese herein. Wir haben es bei diesem Thema also auch mit einer deutschen Geschichte der Flucht zu tun - getreu der Einsicht des italophilen Rudolf Borchardt, daß die Restgermanen seit der Völkerwanderung in ihrem Land blockiert seien und verzweifelt versuchten, dem Elend der nieseligen Mittelgebirge zu entkommen.

Arnaldi, der seinen Titel, nicht aber sein Konzept einer britischen Historie der Völkerwanderungszeit entlehnt hat, setzt nicht bei den Kelten und Cimbern, sondern erst bei den sonnenhungrigen Südtouristen der Völkerwanderungszeit an: Alarichs Westgoten, die 410 Rom plünderten. Arnaldi schildert detailliert die Gemengelage weströmischen Verrats bei der Zerstörung des Mythos vom Ewigen Rom. Nach der Implosion des Imperiums waren dann die Dämme für die Fremden gebrochen. Als profunder Kenner dieser Übergangsepoche kann Arnaldi überzeugend das soziale, juristische, militärische, religiöse Neben- und Gegeneinander langobardischer und römischer Bevölkerungsteile beschreiben.

Gerade aus der heutigen Epoche einer neuen, andersartigen Völkerwanderung lesen sich die ziemlich kargen Quellen über die Ausbeutung der Bauern durch die militärisch überlegenen Zuwanderer, über den wahllosen Mord an reichen Römern als Gegenbild zu jedweder Multikulti-Utopie. Arnaldi zitiert einen Angehörigen des Tätervolks, den langobardischen Historiker Paulus Diaconus: "Zu jener Zeit wurden viele vornehme Römer aus Gewinnsucht ermordet, die übrigen wurden zinspflichtig gemacht und den langobardischen Fremdlingen in der Art zugeteilt, daß sie den dritten Teil ihrer Früchte an sie zu entrichten hatten." Da war es kein Zufall, daß patrizische Restbestände im Nordosten des heutigen Italiens vor den rabiaten Einwanderern lieber auf sandige Laguneninseln flüchteten und das amphibisch unerreichbare Venedig gründeten - jene sichtbarste und dauerhafteste Gründung der Völkerwanderungszeit.

Danach kamen - nicht als Besatzer - die Franken, im Süden die Byzantiner, doch die imponierendste Invasionsgeschichte des Mittelalters lieferten die Normannen, die ab dem späten elften Jahrhundert auf Sizilien und im Mezzogiorno erst diverse Baronien, dann einen gut administrierten Zentralstaat (wenn das Wort zu so früher agrarisch dominierter Zeit einen Sinn hat) aufbauten. Es war der Staufer Friedrich II. - eine Art undurchschaubarer Ein-Mann-Invasor -, der von Apulien und Palermo aus und etwa gleichzeitig mit den frühen Tendenzen Englands zum Fiskalstaat ein Reich mit merkwürdig frühmodernen Rechts- und Verwaltungsbräuchen lenkte. Arnaldi stößt hier auf das vielleicht größte Rätsel der an Rätseln reichen italienischen Historie, das freilich auch er nicht lösen kann: Warum schienen in Sizilien Staatlichkeit und Rechtlichkeit im nachrömischen Europa zuallererst auf, und warum konnten sie sich danach und bis heute genau dort nicht recht durchsetzen?

An den Eroberern - diesmal französische Anjoukrieger und Spanier aus dem Haus Aragon - kann die sizilianische Rückständigkeit allein nicht liegen, denn auch der Lombardei war unter langer spanischer, später österreichischer Fremdherrschaft ein ähnliches Los beschieden, jedoch zeichnet sich heute gerade Padanien durch einen besonders hohen Modernitätsgrad aus. Arnaldi kommt wie viele Historiker vor ihm zu dem Schluß, daß über die Jahrhunderte einzig das Papsttum, also keine rein weltliche und keine rein italienische Macht, den byzantinischen, deutschen, spanischen, französischen Eroberern gegenüberstand oder mit ihnen kooperierte. Kontinuität stellte sich mit den Errungenschaften der Renaissance da höchstens auf kulturellem Gebiet - in toskanischer Sprache und Kunst - her, so daß man das heutige, von den Savoyern im neunzehnten Jahrhundert zusammengeraubte Italien im besten Sinn als Kulturnation bezeichnen kann.

Den zahllosen Fremden, die sich an ihrer schönen Heimaterde bereicherten, traten die Italiener mit einer Tugend entgegen, die man heute als zivilen Ungehorsam bezeichnen würde. Gerade die Aufstände gegen die Zentralisierungsversuche Kaiser Friedrich Barbarossas, der bei der Plünderung Mailands die Gebeine der Heiligen Drei Könige nach Köln entführte, verhalfen den Italienern in der Optik Arnaldis zu einem frühen, asterixhaften Gemeinschaftsgefühl: "Eine der kreativsten Perioden unserer Geschichte entfaltete sich demnach im Zeichen allgemeinen zivilen Ungehorsams." Und es ist kein Zufall, wenn heute etwa die rabiaten Separatisten der "Lega Lombarda" mit dem Parteinamen und allerhand komischen Ritualen an jene Epoche der mittelalterlichen Stadtrepubliken anzuknüpfen versuchen. Der zivile Ungehorsam jedenfalls wurde danach zur Konstante italienischer Mentalität: Einem Staat, der immer nur von Fremden verwaltet wird, ist kaum zu trauen.

Ein vernichtendes Zeugnis stellt Arnaldi der barocken spanischen Dominanz im Königreich Neapel und in der Lombardei aus, in der mafiose Banden die Bauern terrorisiert hätten, unfähige Regenten die Regionen in feudale Rückständigkeit hätten zurückfallen lassen. Der Autor stimmt hier mit der Sicht von Italiens Nationalromancier Alessandro Manzoni überein, dessen Sittenbilder aus der gebeutelten Lombardei er auch ausgiebig zitiert. Dennoch muß man sich fragen, ob solche Mythenbildung über vermeintliche "Fremdherrscher" gegen geduldige Forschung der Alltagshistorie bestehen kann. Allzu viele Urteile über Italiens supernationale Vorgeschichte sind nämlich bis heute von der Propaganda des savoyischen Königreiches gegen Habsburger, Bourbonen, Päpste und Venezianer geprägt, die als Konkurrenzmächte im nachhinein wie unfähige und staatsfeindliche Invasoren dargestellt werden mußten - gerade um ausgerechnet die landesfremden Savoyer als patriotische Befreier erscheinen zu lassen.

Arnaldi fällt später glücklicherweise in seinem Risorgimento-Kapitel auf dergleichen Verfälschungen nicht herein, schildert Garibaldis und vor allem Cavours Annexion als zuvörderst politische Intrige. Gegen Ende zerfasert der Ansatz dann zusehends, denn die Invasion amerikanischer Truppen nach 1943 muß man natürlich als Befreiung vom Faschismus - sozusagen eine Invasion von innen - begreifen. Die Touristen der sechziger Jahre und die heutigen Arbeitsmigranten, die im jetzigen Italien immer wieder verächtlich als "Illegale" mißverstanden werden, kommen dann nur noch als Aperçus im Schlußkapitel vor. In solcher Hurtigkeit liegt überhaupt die Schwäche dieses Buches, das seinem geistreichen Ansatz nur wenige bleibende Einsichten folgen läßt. Arnaldi hebt zwar hervor, daß er hier nicht für ein Fachpublikum, sondern für die historisch interessierte breite Masse schreibt. Doch gerade dann hätte er sich nicht um eindeutige Urteile drücken müssen. Er schreibt oft ebenso kryptisch und sprunghaft wie uneindeutig, als wolle er auf dem unsicheren Terrain der jüngeren Geschichte nicht ausrutschen. Doch anstelle literarischer Passagen ohne großen Aussagewert oder des Heruntererzählens sporadischer Fakten der Ereignisgeschichte fehlt ein Konzept, mit dem sich der Niederschlag der anderthalbtausend Jahre von Invasionen in der italienischen Kultur nachweisbar machen ließe.

Was unterscheidet die Langobarden als bleibende Invasoren von den Staufern, die ja nur nach Süditalien einheirateten? Welche Verwaltungstechniken und Rechtsbräuche, welche Vokabeln und kulinarischen Gewohnheiten sind den Italienern von den diversen Fremden geblieben? So etwas im Detail nachzuschauen wäre wohl Aufgabe für ein Opus magnum und nicht für dieses übersichtliche Büchlein. Vielleicht wäre Arnaldi mit dem ethnologischen Konzept der Akkulturation - als wechselseitige Beeinflussung in Realien und Mentalität bereits von Georges Duby als entscheidende Maßeinheit der Historie erkannt - besser gefahren. Hinzu kommt der etwas fahrige Gebrauch von Zitaten, deren Autoren man sich mühsam und ohne weitere Angaben aus den Fußnoten erschließen muß. Auch hätte die Übersetzung kundiger redigiert gehört, zum Beispiel wenn der Patriarch von Aquileia als "Poppone", also in italienischer Version, vorgestellt wird, obgleich man jedem Übersichtswerk hätte entnehmen können, daß dieser bajuwarische Adlige in seiner Sprache schlicht "Poppo" hieß. So gebührt Arnaldi das Verdienst, auf ein veritables und ergiebiges Forschungsfeld hingewiesen zu haben. Beackern müssen es wohl andere.

DIRK SCHÜMER

Girolamo Arnaldi: "Italien und seine Invasoren". Vom Ende des Römischen Reiches bis heute. Aus dem Italienischen von Friederike Hausmann. Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2005. 208 S., Abb., geb., 22,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.11.2005

Gäste della casa
Girolamo Arnaldi über Italiens Invasoren von Alarich bis heute
Hospitalitas - das war es, was sich die ersten aus dem kargen Nordosten kommenden Völker von den Bewohnern der italienischen Halbinsel wünschten. Damit war in der Spätantike freilich weniger „Gastfreundschaft” gemeint als ganz bestimmte Gastrechte, die die einheimische Bevölkerung den Neuankömmlingen gewähren musste: Ländereien und vor allem mehr oder minder hohe Abgaben aus der landwirtschaftlichen Produktion. Auf diese Weise nahm die lange Reihe der Invasionen ihren Ausgang, die in Europa - so der französische Historiker Marc Bloch - im 10. bis 11. Jahrhundert ihr Ende fand, während sie in Italien andauerte - letztlich bis heute, denkt man nur an die Touristen- und Pilgerströme oder auch an die Immigranten.
Eben diese Geschichte Italiens und seiner „Invasoren” vom Ende des Römischen Reiches bis heute hat sich Girolamo Arnaldi, ein anerkannter Mediävist und Papst-Forscher, vorgenommen. Wie er im Vorwort schreibt, hat er die Arbeit an diesem Buch als Ablenkung von seinen wissenschaftlichen Studien genossen und zugleich als Chance verstanden, auf diese Weise eine neue Geschichte Italiens zu schreiben, an die er sich sonst nicht herangewagt hätte.
Ausschließlich chronologisch geht Arnaldi vor und entfaltet in zehn Kapiteln die Invasionen seit der Einnahme Roms durch Alarich Anfang des 5. Jahrhunderts. Er befasst sich mit Odoaker, dem ersten Barbaren, der Italien regierte, geht länger auf das kurze Intermezzo eines friedlichen Miteinanders von Römern und Barbaren unter Theoderich dem Großen ein, berichtet von den Langobarden, die auf einmal kein Gastrecht mehr wollten, sondern die reichen Römern von ihren Besitzungen vertrieben und sich selbst an deren Stelle setzten, bis der Papst Ende des 8. Jahrhunderts in den Franken einen Verbündeten fand, der die Langobarden besiegte. Die Franken indes, betont Arnaldi, seien keine Invasoren gewesen, weil sich Karl der Große lediglich in Rom zum Kaiser habe krönen lassen, um dann in den Norden zurückzukehren. Allein, es wurden doch viele Franken, wie im folgenden zu lesen ist, dort mit Kirchensitzen oder Grafschaften belehnt und begannen, im Sinne Karls des Großen und der Franken politisch tätig zu werden - ist das nicht auch eine Form der Invasion?
Problematisch ist, dass Arnaldi den Begriff der „Invasion” nicht genau definiert, dass er nicht zwischen den unterschiedlichen Formen des Eindringens und des Wirkens in einem fremden Land ausreichend differenziert. Bezeichnenderweise distanziert sich Arnaldi im Vorwort zwar vom Ausdruck „Invasoren”, da er keineswegs nur von Eroberern und Fremdherrschern handele, sondern etwa auch von Studenten, die es im Mittelalter zum Studium des Römischen Rechts nach Bologna zog, oder auch von Italien-Reisenden wie Goethe. Was aber Arnaldi letztlich in seinem Buch ausbreitet, sind militärische Besatzungen, ihre Ursachen und die Reaktionen der Italiener darauf. Und das färbt wiederum auf seine Behandlung anderer Einwanderer ab, so dass bei ihm etwa der Zustrom von Jura-Studenten im Mittelalter ebenfalls zu einer Invasion ausartet.
In Italien kompliziert sich die Frage nach den „Invasoren” obendrein dadurch, daß sich Italiener auch untereinander durchaus als Invasoren zu verunglimpfen pflegen. Der ausgeprägte regionale Partikularismus führte etwa dazu, dass im Florenz der Renaissance schon ein Pisaner als Fremder verdächtig beäugt wurde. Noch aufschlussreicher ist aber wohl das Beispiel des Risorgimento, der Wiedervereinigung Italiens im 19. Jahrhundert, die vom Königshaus Savoyen aus dem Piemont geleitet wurde. Denn für einen Großteil der Süditaliener waren die Piemonteser schlichtweg Eroberer, Invasoren nicht anders als die spanischen Herrscher zuvor. Sie unterwarfen die Bevölkerung und führten ihre eigene, eine den südlichen Verhältnissen unangemessene Verwaltung ein.
Arnaldi indes belässt es bei einer sicherlich interessanten Aneinanderreihung von historischen Fakten und Aussprüchen - und geht auf die vielen sich aufdrängenden Fragen nicht ein. Gerne hätte man von ihm gewusst, worin nun eigentlich die nationale Gemeinsamkeit Italiens besteht, wenn die regionalen Partikularismen so stark ausgebildet waren und heute noch sind, oder anders gesagt: warum die lang andauernden Fremdherrschaften keinen stärkeren Zusammenhalt unter den Italienern hervorbrachten. Gewusst hätte man auch gerne, wie es dazu kam, dass die italienische Kultur gerade unter der langen spanischen Herrschaft im 16. und 17. Jahrhundert nochmals zu großer Blüte gelangte, wie sie in Musik, Theater, Malerei, Architektur und Literatur für die Höfe in ganz Europa stilbildend werden konnte. Genaueres hätte man schließlich noch über das Gegeneinander von italienischem Selbstwertgefühl unter den Spaniern, ihrem unerhörten Kulturdünkel in der größten politischen Ohnmacht, und späterer Geringschätzung dieser höfischen Kultur als Verfallserscheinung erfahren. Kurz: In Arnaldis Geschichte der Invasoren Italiens fehlt es an Reflexionen über das, was man als den italienischen Sonderweg bezeichnen könnte.
Ziemlich fragwürdig sind die letzten Absätze des Buchs, in denen Arnaldi auf den - nun politisch korrekt ausgedrückten - Zustrom von Fremden, von afrikanischen und asiatischen Immigranten, eingeht. Dort versteigt sich der Emeritus zu der optimistischen Vision einer bevorstehenden Erneuerung der abendländischen Kultur, eines abermaligen Schmelztiegels. Der freilich war in seinen vorherigen Ausführungen nirgends zu erkennen. Da ging es allenfalls um Übernahmen von Wörtern - etwa dem aus dem Langobardischen stammenden „casa” oder dem spanischen „camorrista” - oder Sitten wie dem Ziehen von Hüten alla spagnola handelte, während die italienische Kultur sich ansonsten von fremden Einflüssen freigehalten zu haben scheint. Schade, dass ein so spannendes Thema von Arnaldi nicht gründlicher behandelt worden ist.
FRANZISKA MEIER
GIROLAMO ARNALDI: Italien und seine Invasoren. Vom Ende des Römischen Reiches bis heute. Aus dem Italienischen von Friederike Hausmann. Wagenbach Verlag, Berlin 2005, 208 S., 22,50 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine Kluft zwischen der Idee und ihrer Umsetzung beklagt Rezensent Dirk Schümer an diesem Buch des renommierten Mediävisten Girolamo Arnaldi. Die Grundidee, die Geschichte Italiens im Spiegel der vielen Invasionen zu schreiben, lobt er als "das Genialste" an dem Buch. Was nicht heißen soll, dass der Rest ebenfalls genial ist. Die Darstellung der verschiedenen Invasionen durch Westgoten, Franken, Normannen, Lombarden und anderen findet er zwar im Einzelnen durchaus überzeugend. Insgesamt aber folgten dem "geistreichen Ansatz" nur "wenige bleibende Einsichten". Neben der "Hurtigkeit" der Darstellung kritisiert Schümer die Schreibweise Arnaldis, die er als "oft ebenso kryptisch und sprunghaft wie uneindeutig" empfindet. Gerade weil es sich um ein Buch für das breitere interessierte Publikum handelt, hätte sich der Autor nach Ansicht des Rezensenten nicht vor eindeutigen Urteilen drücken dürfen. Zudem bemängelt Schümer das Fehlen eines Konzepts, "mit dem sich der Niederschlag der anderthalbtausend Jahre von Invasionen in der italienischen Kultur nachweisbar machen ließe." Als Verdienst schreibt Schümer dem Autor zu, auf ein "veritables und ergiebiges Forschungsfeld" hingewiesen zu haben. Und fügt hinzu: "Beackern müssen es wohl andere."

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