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Das kinderlose Ehepaar Walt und Judy zieht den Schimpansen Looee in den Hügeln von Vermont wie ihren eigenen Sohn auf. Ihr Haus hält dem Wirbelwind in Kinderkleidung und seinem Tatendrang kaum stand. Aber die Familie lebt ihre besondere Version eines liebevollen Miteinanders. Bis der charmante, lustige und sympathische Affe eines Abends nach einem fürchterlichen Wutanfall plötzlich aus seiner heilen Welt gerissen und in ein Labor gesteckt wird. Nach einer behüteten Kindheit wird der Held zu einem isolierten Versuchsobjekt, infiziert mit HIV, degradiert auf die unterste Stufe einer nun gar…mehr

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Produktbeschreibung
Das kinderlose Ehepaar Walt und Judy zieht den Schimpansen Looee in den
Hügeln von Vermont wie ihren eigenen Sohn auf. Ihr Haus hält dem Wirbelwind
in Kinderkleidung und seinem Tatendrang kaum stand. Aber die Familie
lebt ihre besondere Version eines liebevollen Miteinanders.
Bis der charmante, lustige und sympathische Affe eines Abends nach einem
fürchterlichen Wutanfall plötzlich aus seiner heilen Welt gerissen und in ein
Labor gesteckt wird. Nach einer behüteten Kindheit wird der Held zu einem
isolierten Versuchsobjekt, infiziert mit HIV, degradiert auf die unterste Stufe
einer nun gar nicht mehr menschlichen Existenz. Erst in einem Freigehege, wo
Verhalten und Sprache einer Gruppe von Schimpansen untersucht werden, bekommt
er eine zweite Chance ? in einer anderen und doch nicht so anderen Art
von Familie.
Sowohl aus menschlicher Sicht als auch aus der von Schimpansen erzählt
Colin McAdam von Liebe und Freundschaft, von Macht und Konflikten, von
tiefen Gefühlen und existenziellen Bedürfnissen, die alle Primaten teilen. Er
gibt dem Leser die Botschaft mit auf den Weg, unsere nächsten Verwandten
als wichtigen Bestandteil unserer Welt (auch der literarischen) wahrzunehmen.
Autorenporträt
Colin McAdam, 1971 geboren, ist in Hongkong, Dänemark, England und Kanada aufgewachsen, er hat an der McGill University in Montreal studiert und in England an der University of Cambridge promoviert. Bei Wagenbach erschienen "Ein großes Ding" und "Fall", das mit dem Hugh MacLennan Prize ausgezeichnet wurde. Colin McAdam lebt in Toronto.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.2013

Schicksalsgeschichte eines Schimpansen
Arme Kreatur: Colin McAdams "Eine schöne Wahrheit"

Es gibt kaum ein anderes Land der westlichen Welt, in dem "Home" und "Family" mit mehr Sentimentalität und Glanz in den Augen ausgesprochen werden als in Amerika. Wer die obligatorischen Fragen nach Familie, Kindern und eigenem Haus nicht positiv beantworten kann, wird mit Bedauern als leicht beschädigtes Wesen angesehen. Judy und Walter Ribke in Colin McAdams drittem Roman können lediglich eine funktionierende Ehe und ein hübsches Anwesen im Landschaftsparadies Vermont vorweisen, jedoch keinen eigenen Nachwuchs. Um die Meinung anderer will man sich zwar nicht kümmern, die sozialen Normen erzeugen aber doch das Gefühl eines Mangels und innerer Leere.

Statt ein Kind zu adoptieren, ziehen Judy und Walt einen noch ganz jungen Schimpansen groß, der dreizehn Jahre lang wie ein Sohn mit ihnen lebt. "Wir haben es eben mit Tieren", erklärt Judy etwas verlegen ihrer Freundin Susan. Und natürlich lächelt jeder verständnisvoll, denn Respekt vor der Privatsphäre anderer ist im amerikanischen Selbstverständnis ebenso tief verwurzelt wie das geradezu religiöse Bekenntnis zur Familie. Ein wenig Heuchelei und Tratsch schließt das ja nicht aus, Hauptsache, die Fassade ist sauber gestrichen, und Störungen dringen nicht über den Gartenzaun hinaus nach draußen.

Die Ribkes richten sich mit Hingabe und Liebe auf ihren neuen Mitbewohner Looee ein. Affen sind in der Weltliteratur alles andere als selten, ihr Auffassungsvermögen und Nachahmungsgeschick hat Schriftsteller seit je fasziniert. Im Unterschied zu gelehrigen Gesellen wie E. T. A. Hoffmanns Milo oder Kafkas Rotpeter ist Looee von phantastischen, übertierischen Zügen indes weitgehend frei. McAdam versucht ein realistisches Bild zu entwerfen, die bizarre Tierbiographie soll möglichst glaubwürdig sein. Um dieses Ziel zu erreichen, fließt ungeheuer viel Wissen aus der aktuellen Primatenforschung ein. Der Erzählstrang über die Familie Ribke wird immer wieder durchflochten von Protokollberichten aus einem Forschungsinstitut in Florida, in dem das Sozialverhalten einer Schimpansenkolonie ausgewertet wird. Dass dort zugleich grausame Experimente mit auf engstem Raum internierten Tieren stattfinden, die mit Erregern wie HIV infiziert wurden und nur noch sehr selten das Tageslicht erblicken, erfährt man erst später in dem Buch.

Von einem Sachbuch unterscheidet es sich durch die literarische Darstellung. Looees Entwicklungsgeschichte basiert zwar auf Forschungsergebnissen, sie dienen hier aber zur Konstruktion einer ungewöhnlich engen und persönlichen Beziehung zwischen Mensch und Tier. McAdam begnügt sich nicht mit der in Florida aus einfachen Symbolverkettungen gewonnenen und in die Protokolle aus der Studienkolonie eingearbeiteten rudimentären "Sprache" der Affen, sondern erzählt auch aus Looees innerer Perspektive über seine Wünsche, Intentionen, Träume. Das ist der kühne psychologisierende Schritt über eine Vielzahl von Beobachtungen, Verhaltensuntersuchungen und Verständigungsexperimenten hinaus. Judy bemuttert den kleinen Schimpansen, kleidet ihn mit Sorgfalt, kocht ihm seine Lieblingsspeisen, lehrt ihn den Umgang mit Besteck, Bierdose und Toilette. Walt behandelt ihn wie einen Kumpel, nimmt ihn mit in die Kneipe und zum Angeln, spielt mit ihm und baut dem Heranwachsenden eine eigene Behausung, weil er in Küche und Wohnzimmer allzu viel Unfug treibt. Dann kommt Looee in eine Art Pubertät, nicht nur Judys Freundin Susan erregt ihn, sondern auch Bilder in Versandkatalogen und Magazinen. Launen und Eifersucht sind besonders dann zu beobachten, wenn Fremde das Grundstück betreten, manche mag er, andere attackiert er aber trotzig, vor allem, wenn sie sich über ihn lustig machen. Solche kleineren und größeren Zwischenfälle bringen dem Zuhause der Ribkes bald den Ruf eines "Affenhauses" ein und rufen sogar das Veterinäramt und einen Lokalpolitiker auf den Plan.

Nach einem gefährlichen Angriff, bei dem außer Judy ein Freund des Hauses lebensgefährlich verletzt wird, entzieht man Looee der Familie. Er findet sich in die Primatenstation in Florida wieder, wo er über Jahre in Experimenten für die Pharmaindustrie systematisch gequält wird. Looee, der sich den Menschen stets näher als den nackten und schmutzigen "Hundewesen" um ihn herum verbunden fühlt, gelangt erst am Ende in jenes Freigehege, aus dem schon während des ganzen Romans in der Sprache der Schimpansen berichtet wurde. Eine Integration des menschlich degenerierten Looee will jedoch nicht gelingen, er ist und bleibt ein arroganter Außenseiter in dieser Gemeinschaft.

"A Beautiful Truth", von Eike Schönfeld geschmeidig übersetzt, handelt nicht nur von schönen, sondern auch von bitteren Wahrheiten. Der Wunsch des Menschen, von seinen tierischen Hausgenossen verstanden zu werden und diese selbst zu verstehen, geht eben nur teilweise in Erfüllung. Auch mit Milo und Rotpeter erlebt man trotz aller Kultiviertheit tierische Rückschläge. Bei Looee ist der Grat zwischen biologischem Realismus und einem hypothetisch abgeleiteten Entwicklungsniveau oft schmal und für den Laien schwer auszumachen. Man fragt sich, ob manche der erstaunlichen Verhaltensweisen aus Beobachtungen und Experimenten hervorgehen oder sich eher schönen Hoffnungen verdanken. Die Einsicht, dass höhere Affen ihrer selbst bewusst sind und sogar einen Sinn für eigenes Fehlverhalten besitzen, mögen Verhaltensforscher und Tierschützer schön nennen. Die Kategorie von Schuld ist auf sie dennoch kaum anwendbar, Looees Verbannung in ein Tiergefängnis ist bitter. Das von McAdam sentimental nahegelegte Mitleid verdient Looee nicht als vermenschlichter oder hart bestrafter Affe, sondern höchstens als missbrauchtes und gequältes Tier.

ALEXANDER KOSENINA

Colin McAdam: "Eine schöne Wahrheit".

Roman.

Aus dem Englischen von Eike Schönfeld. Wagenbach Verlag, Berlin 2013. 284 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

In seinem dritten Roman "Eine schöne Wahrheit" wagt der kanadische Schriftsteller Colin McAdam ein mutiges und gelungenes Experiment, berichtet Rezensent Felix Stephan. McAdams Versuch, einem Schimpansen eine Sprache zu geben, die ohne die menschliche Interpretation des Gefühlslebens auskommt, ist allemal die - gelegentlich etwas "mühevolle" - Lektüre wert, so Stephan. Und so folgt er gebannt dem Schimpansen Looee, der als Baby von dem kinderlosen Ehepaar Walt and Judy aufgenommen wird und bald darauf für anderthalb Jahrzehnte in einem Versuchslabor pharmazeutischen Versuchen ausgesetzt wird. Tief beeindruckt liest der Kritiker, wie der Erzähler auch bei seinen menschlichen Protagonisten versucht, nur das zu berichten, was zu sehen ist - und so lernt Stephan hier, wie sehr das soziale Leben durch die Interpretation von Körperhaltungen, Blicken und Untertönen geprägt ist. Sein Urteil: Ein lesenswertes Buch, das nicht zuletzt die Beobachtungsgabe schult.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.10.2013

Lehr- und Wanderjahre eines Affen
Colin McAdams „Eine schöne Wahrheit“ ist ein Entwicklungsroman mit einem Schimpansen als Hauptfigur
Walt und Judy sind ein gut situiertes Paar aus dem US-Bundesstaat Vermont, das niemals eigene Kinder haben wird. Weil sie es zu zweit in ihrem Haus allerdings ein wenig still und einsam finden, kaufen sie sich einen Affen. Ein Zirkusclown vermittelt den Kontakt zu afrikanischen Schleusern, Walt und Judy erstehen ein Schimpansenbaby und nennen es Looee.
  Dieser Looee ist der Protagonist in „Eine schöne Wahrheit“, dem dritten Roman des 1971 geborenen kanadischen Schriftstellers Colin McAdam, der in Toronto lebt. Der Roman erzählt das ganze Leben des Tieres: Seine frühe Entführung in die USA, die liebevollen ersten Jahre im Haus von Walt und Judy, die anderthalb Jahrzehnte als Laboraffe, die Looee durchstehen muss, nachdem er einmal bei einem Wutanfall seine Kraft unterschätzt und zwei Menschen lebensgefährlich verletzt hat. Er kommt in ein Institut, das seinen Körper als Testobjekt an verschiedene Pharmaunternehmen vermietet.
  Als die Forschungen eingestellt werden, weil es keinen messbaren Fortschritt gibt, hat Looee bereits siebzehn Jahre isoliert in einem kleinen Käfig einen halben Meter über dem Boden gelebt. Mit deformierten Knochen und einem Blutkreislauf, der eher einem Chemiebaukasten ähnelt, wird das gebrochene Tier schließlich in die Feldstation entlassen, wo es zum ersten Mal sozialen Kontakt mit anderen Affen hat.
  „Eine schöne Wahrheit“ ist ein personal erzählter Entwicklungsromans mit einem Schimpansen als Hauptfigur. Colin McAdam wirft in diesem erzählerischen Experiment weniger die Frage auf, wo die Linie zwischen den genetisch nahezu identischen Spezies Mensch und Affe genau verläuft, sondern versucht sich eher an einer Erzählform, die gerade dieser Unschärfe Rechnung trägt. Bei McAdam heißt es also nicht: „Looee lacht“, weil Schimpansen nun einmal nicht lachen, sondern: „Looee macht den Laut für Genuss.“ Das liest sich mitunter etwas mühevoll, jedoch gesteht man das gerne zu, denn der ästhetische Versuch ist kühn: Colin McAdam versucht hier eine Sprache zu entwickeln, die ohne menschliche Interpretation des tierischen Gefühlslebens auskommt, den Affen so wenig wie möglich vermenschlicht und dadurch das ewige Nicht-Verstehen zwischen den Arten zum inhärenten Thema der Geschichte macht.
  Der traditionellen Entmündigung der Primaten durch den Menschen stellt Colin McAdam einen wissenschaftlich objektivierenden Beobachtungsstil entgegen: Der Erzähler berichtet nur genau das, was zu sehen ist. An dem Primatenforschungsinstitut, in dem Looee landet, werden neue Laboranten stets aufgefordert, die Affen im Freigehege einen Nachmittag zu beobachten. Schlechte Beobachter sagen danach, dass die Affen auf dem Boden gesessen haben und sonst alles ruhig war. Gute, genaue Beobachter jedoch registrieren, wer das Alphatier ist, wer der Herausforderer, wo sich Allianzen andeuten, wie die Stimmung in der Gruppe ist. Blicke und Handbewegungen.
  Diesen kühlen Laborstil lässt McAdam nicht nur den Affen, sondern ebenso den menschlichen Nebenfiguren angedeihen. Walt, zum Beispiel, ist der Geschäftspartner von Mike und findet dessen Frau Judy schön. Er kann sich ihr aber nicht auf unziemliche Weise nähern, weil er damit die Geschäftsbeziehung zu Walt gefährden würde. Also zieht er sich zurück und geht in die Politik, wo er relativ schnell aufsteigt und es bald zum Senator bringt. Als Senator beginnt er dann, Walts Leben zu sabotieren und nutzt seine neue Macht etwa dafür, ein Gesetz anzuschieben, das es in Vermont verbietet, zu Hause Affen zu halten. Im Unbewussten gründet sich Mikes gesamte politische Karriere darauf, dass Walt den Platz neben der schönen Judy besetzt hat.
  Im Roman wimmelt es vor derlei Parallelen, trotzdem geht es McAdam nicht darum, dass Menschen letztlich nur Affen sind, die lesen und schreiben können. Woher sollte man schließlich wissen, was Affen letztlich sind? Also: Was sie fühlen, woran sie sich erinnern, was sie wie verstehen? Der Mensch hat nur die Beobachtung und die Interaktion zur Verfügung, um seine Schlüsse zu ziehen. Allerdings, und das ist hier wohl zentral, gilt das ebenso unter Gleichen: Weil ein großer Teil des sozialen Lebens aus der Interpretation von Blicken, Körperhaltungen und Untertönen besteht, ist der Einzelne letztlich immer darauf angewiesen, dass das soziale Programm, dem er unausgesprochen folgt, von den anderen Teilnehmern im gleichen Maße anerkannt wird.
  Andernfalls droht die Höchststrafe, die sowohl Affen als auch Menschen für abtrünnige Artgenossen bereithalten: Isolation.
FELIX STEPHAN
Colin McAdam: Eine schöne Wahrheit. Roman. Aus dem Englischen von Eike Schönfeld. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2013. 336 Seiten, 19,90 Euro.
Wenn Menschen Affen sind,
die lesen und schreiben können,
was sind dann die Affen?
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