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'Unverdächtig' ist ein hintergründiger Roman über große Hoffnungen und noch größere Enttäuschungen - und Verrat. Er ist Kriminalgeschichte und Liebesroman in einem und stellt einen der begabtesten jungen französischen Autoren erstmals auf deutsch vor. Sam und Lise sind ein Paar. Sie arbeitet als Animierdame und schläft am Tag. Er hingegen schläft nachts und verbringt seine Tage vor dem Fernseher. Der Traum von einem anderen Leben scheint auf ewig ein Traum bleiben zu müssen. Bis Lises bester Kunde Henri ihr einen Heiratsantrag macht. Das ist die Chance, findet Lise und unterbreitet Sam den…mehr

Produktbeschreibung
'Unverdächtig' ist ein hintergründiger Roman über große Hoffnungen und noch größere Enttäuschungen - und Verrat. Er ist Kriminalgeschichte und Liebesroman in einem und stellt einen der begabtesten jungen französischen Autoren erstmals auf deutsch vor. Sam und Lise sind ein Paar. Sie arbeitet als Animierdame und schläft am Tag. Er hingegen schläft nachts und verbringt seine Tage vor dem Fernseher. Der Traum von einem anderen Leben scheint auf ewig ein Traum bleiben zu müssen. Bis Lises bester Kunde Henri ihr einen Heiratsantrag macht. Das ist die Chance, findet Lise und unterbreitet Sam den perfekten Plan. Und so wird Sam der Bruder von Lise, ihr Trauzeuge gar und Golfpartner seines neuen >Schwagers<. Er ist über jeden Verdacht erhaben...
Autorenporträt
Tanguy Viel, geboren 1973 in Brest, lebt in Meung-sur-Loire. Er hat bereits vier Romane veröffentlicht, die von der französischen Presse hoch gelobt wurden. 'Unverdächtig' ist sein erstes Buch auf Deutsch.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.09.2007

Alles aus Liebe
Sehr französisch: Tanguy Viels Roman "Unverdächtig"

Viel ist über Tanguy Viel nicht zu erfahren. Er ist Mitte dreißig, in Brest geboren, lebt jetzt in einem Ort namens Meung-sur-Loire in der Nähe von Orléans, und man kann sich schon vorstellen, dass man in einem Ort mit diesem Namen schöne Romane schreiben kann, kurze Romane, die sich beim Zuklappen nach der letzten Seite anfühlen, als käme man aus dem Kino. Wo man gerade einen Film gesehen hat, einen französischen natürlich, mit komplizierten Verstrickungen der Protagonisten untereinander, einigen guten Dialogen und gezielt eingesetzten, bekannten Sujets, ein paar Landschaftsaufnahmen, anrührend und ein bisschen böse. Diese Elemente, eine Liebe und eine Kriminalgeschichte hat Tanguy Viel in seinem Roman "Unverdächtig" mit jener Leichtigkeit zusammengefügt, die man französischen Kulturprodukten gerne zuschreibt. Tatsächlich ist "Unverdächtig" ein Paradebeispiel erzählerischer Leichtigkeit in Kombination mit inhaltlicher Wehmut und der richtigen, wichtigen Prise Zorn, wie man sie sonst selten findet.

Die Geschichte ist ein ironischer Drahtseilakt von Dilettanten: Man weiß, dass sie fallen werden, und da, wo die Katastrophe dem Humor einen Gutenmorgenkuss gibt, genau da befinden wir uns. Im ersten auf Deutsch erscheinenden Roman des in Frankreich durch seine drei anderen Romane schon bekannten Autors geht es um eine ménage à trois, um ein Liebespaar, das sympathisch aufgeregt versucht, kriminell zu sein, und sein Opfer, das eigentlich Täter ist.

Zwischen Meer, Kleinstadt und Golfplatz, will man gerne glauben, gibt es nicht viele andere Möglichkeiten, als einer romantischen Vorstellung von Liebe nachzugehen, so intensiv, dass es außer der Liebe fast nichts mehr gibt. Das tun die Protagonisten. Weil sie aber trotz oder gerade wegen großer Liebe aus ihrer Welt ausbrechen wollen - so genau erfährt man das nicht -, entwickeln sie einen Plan. Der allerdings ist zum Scheitern verurteilt (wer glaubt denn wirklich noch an Entführungen?). Weil es nicht viel anderes gibt in ihrer Welt außer einem Nachtclub und einem Fernseher und einer Wohnung, in der die Fensterläden meistens geschlossen sind, reden sich Sam und Lise jedoch ein, ihr Plan sei perfekt, sie opfern ihre Zweisamkeit und spielen ihr Spiel. Lise heiratet den reichen Henri, um an sein Geld zu kommen. Sam, den Lise ab da als ihren Bruder ausgibt, versetzt das in eine nicht enden wollende Katerstimmung, er muss "die Fähigkeit der natürlichen Welt" erleben "sich zu regenerieren, ohne mich".

Zorn und Wehmut

Dieses Büchlein gewinnt seinen Charme auch daraus, dass es sich mit einem Plot tarnt, mit Spannungselementen des Krimis, dabei geht es eigentlich darum, abzurechnen und der Verachtung Ausdruck zu verleihen gegenüber dem Reichen, der schlechte Witze macht, sein Auto streichelt, impotent ist und hilflos und feige. Wahrscheinlich ist es Tanguy Viel gelungen, mit der Figur des Henri eine der unsympathischsten Romanfiguren der letzten Jahre zu beschreiben, so unsympathisch, dass sie schon wieder Mitleid erzeugt. Die kritische Wut des Erzählers speist sich aus der Lücke zwischen dem Zwang, unverdächtig sein zu müssen, und dem durchschimmernden Zweifel an allem - an der Idee, etwas verändern zu müssen, und an der Perfektion des Plans. Vor allem aber zeigt sich die große Abneigung gegen das Leben beim Golfspielen, dem Kristallisationspunkt aller Bildungs-, Sozialisierungs- und Klassenunterschiede: "Aber ich musste an die unendlich langen Stunden denken, in denen ich den Abschlag übte, das Tee schlecht plazierte, mir den Rücken verdrehte, um einen Ball irgendwohin zu befördern, zweihundertfünfzig Meter weiter, tagelange Plackerei, stets von dem Gedanken begleitet, durch Golfspielen lasse sich ein neues Leben ergattern, und ich dachte: Wie man doch manchmal innerlich zerstört sein kann, ohne dass etwas davon nach außen sichtbar wird."

Tanguy Viel denkt schreibend. Dass Thomas Bernhard zu seinen Vorbildern gehört, merkt man an der plastischen Spiralenform, in der sich seine Sätze auftürmen, um dann auf einen Nebensatz zu stürzen, in dem wie beiläufig erwähnt wird, was passiert. Doch wirkt das an keiner Stelle manieriert, es ist kein durchgepeitschter Stil. Beim Sprung durch die Perspektiven und beim Jonglieren mit Erzählzeiten wird ganz lapidar eine böse Vorahnung heraufbeschworen, die den Ausgang dieses Liebeskrimis vorhersehbar macht, um den Leser dann doch vor den Kopf zu stoßen, so abrupt ist das böse Ende. Kunstvoll und humorvoll schraubt Viel alles ineinander, den Rückblick in die Vorahnung, die Absicht ins Scheitern, die Wut in die Resignation, und zusammen ergibt das eine Romangegenwart, die flimmert wie ein gelber, heißer Horizont. Man will sie festhalten, Romangegenwart samt großer Liebe der Protagonisten, aber beides ist so flüchtig wie ein Sonnenuntergang.

Sonnenuntergang ist es auch, als Lise und Sam ihren Plan in die Tat umsetzen wollen und alles schiefgeht. Da zeigt sich wieder, dass Liebe nur dann wirklich groß ist, wenn sie unmöglich ist. Da in diesem Buch alles aus Liebe geschieht und alles scheitert, wird es größer, als es zunächst scheint.

MEIKE HAUCK

Tanguy Viel: "Unverdächtig". Roman. Deutsch von Hinrich Schmidt-Henkel. Wagenbach-Verlag. 128 Seiten, 15,90 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.01.2008

Das schwarze Loch im Strohhut
Der französische Autor Tanguy Viel lässt einen Coup virtuos scheitern
Ein Küstenstädtchen in der Bretagne, ein hübsches Mädchen, das in der örtlichen Nachtbar als Animierdame arbeitet und ihr mehr oder weniger überflüssiger Freund, der seine Tage vor dem Fernseher verbringt. Er tröstet sich damit, dass Lise nicht mit einem der Autohändler oder Zahnärzte der Gegend ins Bett gehen wird. In diesem schönen Glauben wird Sam von Lise bestärkt. Vielleicht hat Lise ja wirklich eine ehrliche Haut und Sam ist kein Trottel, der sich zu Recht darüber freut, dass Lise jeweils um sechs Uhr morgens zu Hause ist und eine Stange Geld heimbringt, die Sams Zigarettenkonsum finanziert. Eines Tages aber erzählt Lise, dass Henri, einer der beiden ehrbaren Brüder, die das Auktionshaus des Küstenstädtchens leiten, um ihre Hand angehalten hat. Lise sagt ja. Aber nur, um Henri von seinem Geld zu befreien. Es soll eine Entführung geben, die Sam und Lise reich machen wird.
Schon das Personal dieses schmalen, schnellen und zugleich verzwickten Krimis passt gut zur Tradition des Film noir. Zwei abgerissene, moralisch zweifelhafte Menschen, in deren desillusionierten Träumen das bessere Leben noch ab und zu aufscheint, treffen auf ein mehr oder weniger dumpfes Gegenüber, das es auszunehmen gilt. Die Täter sind sympathischer, wollen mehr leben, sie glauben an eine Flucht in die „States”. Das ist untypisch für Frankreich, aber nicht für das Genre. Es gibt in diesem Buch aber auch Traditionslinien jenseits des Genres. Sie zeigen sich in den krimi-untypischen, virtuosen, langen, schön geschwungenen Sätzen, die mit zum Rätsel gehören, das dieses Buch aufgibt.
Denn eigentlich weiß man viel: Dass Sam die Geschichte doch nicht gefällt; dass er Henri, diesen Bovary-Typ, verachtet, dass das Kidnapping, weil Sam einwilligt, aber dennoch geschieht. Es gibt aber auch einen Mord an Henri, und der Täter ist wirklich Sam. Aber nur halb aus Eifersucht, eher, weil Henri zum Übergabetermin in den Dünen keine Million mitbringt, sondern, wie sich beim Fallenlassen des Geldkoffers zeigt, Papierfetzen. Sam, der hinter den Dünen liegt, bemerkt das. Worauf er nicht anders kann, als laut loszulachen. Was Henri zu einer verunsicherten Frage ermutigt: „Bist Du das, Sam?” Da ist Henri nicht mehr zu retten.
Weil der Film noir ohnehin eine intellektuelle Spielform des Krimis ist und Tanguy Viel auf seine Sätze achtet, ergibt sich aus dieser Geschichte ein eigenwilliges Buch. Eine Woche nach der Heirat besucht Sam, den Lise als Bruder ausgibt, das Paar. Henri ist nicht da. „Sie antwortete nicht, saß wie ein totes Tier in die Falten des Sessels verkrochen, und dazu mein Beinahe-Mitleid an diesem Tag, wenn ich auf ihre ungeschickten Hände die Verlegenheit und die Scham projizierte, die sie empfand (. . . ).”
Die Angst, der Ball, der Stolz
Tanguy Viel findet schön verschnörkelte, von Hinrich Schmidt-Henkel mit viel Liebe übertragene Sätze, die dem komplizierten Innenleben seines unzuverlässigen Ich-Erzählers und Mörders auf die Spur zu kommen suchen. Doch mindestens so intensiv bezieht er sich auf den nouveau roman. Gern beginnt er seine recht kurzen Kapitel mit einer Beschreibung: „Zuerst ist es eine Pendelbewegung, langsam reckt sich der Arm nach hinten und steigt am fest gegründeten Körper empor, das Handgelenk wappnet sich, beugt sich unter dem Gewicht des Schlägers, wie ein Abzug, den man festhält und der etwas federt, dann senkt der Arm sich ( . . .).” Es dauert noch eine Weile, bis für alle erkennbar ist, dass Sam Golf spielt, und zwar mit seinem Schwager Henri.
Witz und Scherz erreicht Tanguy Viel durch souveränes Stil-Management. Da lässt er Henri seinen Schwager spieltheoretisch demütigen, um Sam eher derb zurückschlagen zu lassen: „Er ist noch ein Neuling beim Golf, was, Sam? Sein Problem ist die Angst, fuhr er fort. Er hat Angst vor dem Ball. Man muss dem Ball mit Stolz begegnen (. . .). Angst beim Golf ist wie Todesangst, sagte er. Und ich sah sie an, die ihm lauschten, Bierschaum stand ihnen noch um den Mund und verlieh ihnen etwas Rindviehaftes. (. . . ). Alles, was ich mir in diesem Augenblick dachte, mit der mir eigenen Vulgarität und dem mir eigenen Geheimnis, das war: pass auf, den Schwager steck ich dir noch in den Arsch.”
Bizarr ist das alles und ziemlich brillant gemacht. Denn trotz der detaillierten Beschreibungen geht die Handlung zügig voran. Winzige, oft zufällig anmutende Entschlüsse und Vorkommnisse lösen die Fortschritte aus. So wird der tote Henri zwar sicher im Meer versenkt, aber Lise vergisst Sams Strohhut (und Tunichtgut-Markenzeichen) im Kofferraum des Jaguar, der nach Henris Tod in den Besitz von dessen Bruder Edouard übergeht. Also glaubt Edouard, der noch besser Golf spielt und gescheiter ist als sein Bruder, nicht an die Selbstmord-Theorie Sams und hat ihn im Verdacht. Doch stellt er keine Anzeige, sondern macht einen überraschenden Vorschlag: „Mein Schweigen gegen Lise.” Sam bleibt nichts, als zu akzeptieren. Und Lise auch. Zu den Vorzügen dieses doppelbödigen Romans gehört die Inszenierung der Verwirrung, die aus dieser Schluss-pointe erwächst: Hat Lise bei ihrer Übergabe an Edouard womöglich gelächelt? HANS-PETER KUNISCH
TANGUY VIEL: Unverdächtig. Roman. Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Verlag Klaus Wagenbach. Berlin 2007. 121 Seiten, 15,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Bizarr und "ziemlich brillant" findet Hans-Peter Kunisch diesen Thriller von Tanguy Viel, der von einem jungen abgerissenen Pärchen erzählt, das sich die Chance auf ein besseres Leben nicht entgehen lassen will. Lise und Sam leben in einem bretonischen Küstenstädtchen - sie arbeitet in einem Striplokal, er sitzt vor der Glotze - bis Lise beschließt, den Antiquitätenhändler Henri zu heiraten, um an sein Geld zu kommen. Aber nicht legal und Monat für Monat, sondern auf einen Schlag. Der Plan ist, den Mann zu entführen und Lösegeld zu kassieren. Das Ende ist wohl recht absehbar, aber dass Kunisch die Schlusspointe verrät, ist wirklich eine Gemeinheit. Zumal er zuvor recht anregend von Witz und Tempo schwärmt, die Viel vorlegt, von seinem souveränen "Stil-Management" und seinen "schön geschwungenen Sätzen".

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