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Ein kurzes, unterhaltsames und lehrreiches Vademecum über die Lüge: ihre Geschichte, ihre Protagonisten, ihre Absichten Im ersten Kapitel geht die Autorin berüchtigten Allgemeinheiten und Gemeinheiten nach: Warum lügt man und mit welchen Folgen? Das zweite Kapitel widmet sich der verbotenen Lüge, der Lüge als Herausforderung Gottes. Das Lob der Lüge singt das dritte Kapitel: die griechischen Götter als Schwindler, Odysseus als Meister der Ausreden, Machiavelli als Lügenbold zugunsten des Staates, das Geschichtenerzählen als Lebensrettung. Im vierten Kapitel treten die geschichtsträchtigen…mehr

Produktbeschreibung
Ein kurzes, unterhaltsames und lehrreiches Vademecum über die Lüge: ihre Geschichte, ihre Protagonisten, ihre Absichten
Im ersten Kapitel geht die Autorin berüchtigten Allgemeinheiten und Gemeinheiten nach: Warum lügt man und mit welchen Folgen?
Das zweite Kapitel widmet sich der verbotenen Lüge, der Lüge als Herausforderung Gottes.
Das Lob der Lüge singt das dritte Kapitel: die griechischen Götter als Schwindler, Odysseus als Meister der Ausreden, Machiavelli als Lügenbold zugunsten des Staates, das Geschichtenerzählen als Lebensrettung.
Im vierten Kapitel treten die geschichtsträchtigen Lügen auf - von der sogenannten "Konstantinischen Schenkung" bis zu dem, was Umberto Eco "serendipità" nennt, wie etwa die irrtümliche Entdeckung Amerikas.
Das Schlußkapitel stellt die Lüge als Anstifterin von Heiterkeit und engerer Kommunikation vor, von Nietzsche bis Manganelli.

Stimme aus dem Verlag
"Die Lüge ist nicht unbedingt das Gegenteil der Wahrheit, doch findet sich in allen Ethiken, Kulturen und Religionen die Mahnung, aufrichtig zu sein. Warum lügt der Mensch also, und sogar gerne? Eine Antwort sucht Maria Bettetinis kurzes, unterhalsames Vademecum über die Lüge: ihre Geschichte, ihre Protagonisten und ihre Hintergründe. Lehrreich und spannend zugleich, denn schließlich rühmte schon Platon die Kunst des Lügens als "Fähigkeit des klugen Mannes". Echt wahr!"
(Annette Wassermann, Presse, Verlag Klaus Wagenbach)
Autorenporträt
Maria Bettetini, 1962 in Mailand geboren, lehrt als Professorin für mittelalterliche Philosophie an der Universität Ca'Foscari in Venedig. Sie ist Autorin zahlreicher Texte zur mittelalterlichen Philosophie und hat die Werke von Augustinus herausgegeben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.09.2003

Die Götter mögen es bezeugen
Talent der klugen Leute: Maria Bettetini lügt wie gedruckt

Was ist ein Zeichen? "Alles, was man zum Lügen verwenden kann", lautet die bündige Definition von Umberto Eco. Sie macht deutlich, daß die Lüge ein weites Feld ist, etwas, worüber man dicke Bücher voller Wahrheiten schreiben kann. Wenn Maria Bettetini, Professorin für mittelalterliche Philosophie in Venedig, trotzdem mit einer "kleinen Geschichte der Lüge" auskommt, so liegt das vor allem daran, daß sie sich weitgehend auf die gelehrten Zeichen beschränkt: auf die Geschichte des Lügen-Diskurses in der abendländischen Philosophie und Literatur.

Die Lüge ist nicht unbedingt das Gegenteil der Wahrheit, wie sie oft definiert wurde, sondern ihr Parasit. Sie braucht "ein geschütztes Umfeld", in dem sie gedeihen kann. Ein Übermaß an Lügen macht dieselben wirkungslos, weil die Konvention des wahrhaftigen Sprechens zerstört ist - die Voraussetzung jeder gelingenden Lüge. Shakespeares Jago, schlechthin die Verkörperung hochintelligenter Bosheit, maskiert seine Lügen deshalb mit Elementen der Wahrheit. Im falschen Kontext werden daraus fast von selbst die hinterhältigsten Verleumdungen, denen Othello, ein Mann schlichter Faktengläubigkeit, rettungslos ausgeliefert ist.

"Ich bin nicht, was ich bin", bekennt Jago schon in der ersten Szene, eine Travestie des "Ich bin, der ich bin", das dem christlichen Gott zugeschrieben wird - dem Gott der Wahrhaftigkeit, dessen Sohn die "Wahrheit und das Leben" verkörpert. In der christlichen Tradition hat die Lüge denn auch kurze Beine. Zwar wird im Alten Testament gelegentlich sehr erfolgreich gelogen; man denke nur an Jakobs dreisten Segensbetrug. Aber ansonsten gilt: Du sollst nicht lügen, auch wenn dich die menschenfreundlichsten Motive dazu treiben.

Die christliche Lügenfeindschaft konfrontiert Bettetini einerseits mit afrikanischen Mythen, die den "Trickster" kennen, einen maskierten Lügengeist und Kobold, der die Götter zum Narren hält. Andererseits und vor allem aber mit dem antiken Lob der Lüge. Sogar Platon rühmte gelegentlich die "Kunst des Lügens" als "Fähigkeit des klugen Mannes", die ihn den ehrlichen Ignoranten überlegen mache. Und dann gibt es noch jenen griechischen Helden, dessen fabelhaftes Geschick im Lügen die Jahrtausende faszinierte: Odysseus, den man besser nicht an seinen Worten, sondern an seiner Narbe erkennt, auch wenn er immer wieder mit Floskeln wie "Dies sage ich dir ganz ehrlich!" oder "Die Götter mögen dies bezeugen!" operiert.

Mit der allgemeinen Besinnung auf die Antike in der Renaissance stieg auch die Lüge wieder im Ansehen. Erasmus von Rotterdam fand, Wahrhaftigkeit stehe nur dem Toren gut zu Gesicht. Machiavelli pries die Lüge als Herrschaftstechnik des Fürsten. Baldassare Castigliones "Buch vom Hofmann" wertete die Verstellung geradezu als Pflicht höfischen Benehmens. Ein 1641 veröffentlichtes Buch von Torquato Accetto mit dem Titel "Die ehrenwerte Verhehlung" empfahl, einen "Schleier aus ehrenwerter Finsternis" über die traurigen Wahrheiten des Lebens zu leben. Alles Schöne sei nichts anderes als eine "liebenswerte Verhehlung" des Todes und der Verwesung.

Die Aufklärung machte Schluß mit den Verstellungen. Selbst für die kleinste Notlüge hatte Immanuel Kant kein Verständnis; er sah durch sie den gesamten Bau der Ethik in den Grundfesten erschüttert: "Der Lügner aber hebt die Gemeinschaft auf." Andererseits rühmte er die Verschwiegenheit als Tugend in einer verschwätzten Gesellschaft. Ganz nach seinem Geschmack wären wohl die Houyhnhnms gewesen, jene intelligenten Pferdewesen, die Gulliver am Ende seiner Reisen besucht. Sie kennen die Lüge nicht. Wenn jemand etwas sagt, was nicht stimmt, ist das für sie allein durch Mangel an Information erklärbar.

Roheit und Wahrheit können nah beieinander liegen. Das triftigste Beispiel ist der Arzt, der einem Kranken statt einer freundlichen Lüge den tödlichen Befund ins Angesicht sagt. Maria Bettetini zitiert Vladimir Jankélévitch, der 1942 eine Abhandlung über die "Lüge in der Medizin" verfaßte und den wahrheitsbesessenen Arzt mit einem Denunzianten verglich, der den in seinem Zimmer verborgenen Partisanen der Gestapo ausliefert. Immerhin sollte es Wahrheitsfanatikern zu denken geben, daß Kindern das Lügen durch eine Drohung verboten wird, die selbst eine Lüge ist: die lange Nase des Pinocchio.

Das Kapitel über "Lügen, die Geschichte gemacht, und Wahrheiten, die getrogen haben" ist leider spärlich geraten. Etwas mehr lügnerische Tatsachen und etwas weniger mittelalterliche Scholastik hätten dem Buch gutgetan. Immerhin, es gibt einen Abschnitt über Hitlers Aufrichtigkeit. Der Mann hatte bekanntlich in "Mein Kampf" alle späteren Menschheitsverbrechen grundehrlich angekündigt. Er tat dies, so Bettetini, weil er wußte, daß seine Gegner ihm nicht glauben würden. Die Wahrheit als Mittel zur Verschleierung ihrer selbst - die perfideste aller Täuschungen.

Gegen Ende setzt sich ein stark erweiterter Lügenbegriff durch: Fälschungen und wissenschaftliche Irrtümer, künstlerische Verstellung, Schauspiel, juristische Fiktionen und belletristische Scheinwelten fallen darunter. Alltäglichere Bereiche wie die akzeptierte Lüge in der Werbung kommen dagegen nicht in den Blick. Bettetinis Bemühung um angemessene stilistische Leichtfüßigkeit wird von der Übersetzung bisweilen konterkariert. Ein anregendes und kenntnisreiches Werk zu einem ergiebigen Thema verliert so ein wenig an Attraktivität, man darf es nicht verhehlen. Bemerkenswert schließlich noch, daß der Titel auf dem Umschlag "Eine kleine Geschichte der Lüge" lautet, der Innentitel jedoch "Eine kurze Geschichte" derselben ankündigt. Ungelogen.

WOLFGANG SCHNEIDER.

Maria Bettetini: "Eine kleine Geschichte der Lüge". Von Odysseus bis Pinocchio. Wagenbach Verlag, Berlin 2003. 142 S., br., 10,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wolfgang Schneider lobt das Buch von Maria Bettetini als "anregendes und kenntnisreiches Werk zu einem ergiebigen Thema". Die "kleine Geschichte der Lüge" werde umfassend abgehandelt, von Platons "Kunst des Lügens" über die durchaus lügenfreundliche Renaissance bis hin zum menschenfreundlichen Schwindeln in der Medizin und heutigen Formen des Lügenbegriffs. Schneider findet bei all dem Historischen aber schade, dass das Kapitel "Lügen, die Geschichte gemacht, und Wahrheiten, die getrogen haben" bis auf Hitlers Strategie der "Wahrheit als Mittel zur Verschleierung ihrer selbst" ein wenig kurz geraten ist. Außerdem kämen manche heute alltäglichen Formen der Lüge wie z.B. die "akzeptierte Lüge in der Werbung" nicht vor, mokiert der Rezensent. Zudem leide der Lesegenuss ein wenig durch die teilweise holprige Übersetzung, die die Bemühungen der Autorin Bettetini um "stilistische Leichtfüßigkeit" konterkariere.

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