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Kurt Schumacher lebt in der Erinnerung der Deutschen vor allem als der erste Vorsitzende der SPD nach dem Zweiten Weltkrieg. Volker Schober schildert in diesem Buch die persönliche und politische Entwicklung Schumachers von dessen Kindheit im Kaiserreich über die politischen Kämpfe in der Weimarer Republik bis zum Beginn seines Leidenswegs im "Dritten Reich".

Produktbeschreibung
Kurt Schumacher lebt in der Erinnerung der Deutschen vor allem als der erste Vorsitzende der SPD nach dem Zweiten Weltkrieg. Volker Schober schildert in diesem Buch die persönliche und politische Entwicklung Schumachers von dessen Kindheit im Kaiserreich über die politischen Kämpfe in der Weimarer Republik bis zum Beginn seines Leidenswegs im "Dritten Reich".

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.01.2001

Gegen den inneren Schweinehund im Menschen
Kurt Schumacher bis zum Jahr 1933: Mit "vierzehn Ellenbogen" auf dem Weg zur SPD-Spitze

Volker Schober: Der junge Kurt Schumacher 1895-1933. Verlag J. H. W Dietz, Bonn 2000. 504 Seiten, Abbildungen, 78,- Mark.

Kurt Schumacher zählt neben August Bebel und Willy Brandt zu den bedeutendsten Vorsitzenden der deutschen Sozialdemokratie, aber auch zu den umstrittensten. Obwohl bereits Peter Merseburger in seiner 1995 erschienenen Schumacher-Biographie feststellte, daß der Vorsitzende der Nachkriegs-SPD in "Weimarer Parallelen" dachte und mit seinem Kampf 1945 beinahe nahtlos dort anknüpfte, wo er ihn 1933 beenden mußte, hat sich die Forschung bisher nicht eingehend mit der Biographie des jungen Schumacher beschäftigt. Nun zeichnet Volker Schober die ersten vier Lebensjahrzehnte des 1895 im westpreußischen Culm geborenen Bürgersohnes nach, der als einer von ganz wenigen "Jungen" während der Weimarer Republik in die Führungsriege der SPD gelangte.

Interesse für die Politik und den Sozialismus entwickelte der in einem politisch liberalen Elternhaus Heranwachsende bereits im Alter von 15 Jahren als Obersekundaner. Von seinem Taschengeld abonnierte er die "Sozialistischen Monatshefte". Geistige Orientierung fand er in den gegen die marxistische Orthodoxie gewandten Lehren Eduard Bernsteins, aus denen er auch in späteren Jahren noch die Erkenntnis zog: "Nicht sozialistischer Katechismusglauben, sondern Sozialismus als Ziel und Marxismus als Methode sind heute die geistigen Waffen der Bewegung." In seiner bei dem Neumarxisten Johann Plenge angefertigten Dissertation über den "Kampf um den Staatsgedanken in der deutschen Sozialdemokratie" kritisierte er die Staatsablehnung bei Marx und ergriff Partei für den Staatsidealismus bei Lassalle.

Die "Juristerei", deren Studium der Kriegsfreiwillige nach seiner schweren Kriegsverwundung, die zur Amputation seines rechten Armes führte, 1915 aufgenommen hatte, ließ ihn "kalt". Die Referendarausbildung empfand er als eine "entsetzlich widerliche und sinnlose Tortur". Er drängte in die Politik, so daß er nach einem kurzen Intermezzo als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter im Reichsarbeitsministerium Ende 1920 ohne Zögern eine Redakteursstelle bei der "Schwäbischen Tagwacht" annahm. Daß der überalterten SPD eine Verjüngung not tat, stellte Schumacher nicht erst 1945 als SPD-Parteivorsitzender fest. So zog er 1924 als zweitjüngster Abgeordneter in den württembergischen Landtag ein. Im Reichstag, in den er 1930 gewählt wurde, gehörte er zu den sechs Jüngsten.

Der steilen Karriere gingen harte innerparteiliche Auseinandersetzungen voraus, die zum Zerwürfnis Schumachers mit seinem einstigen Förderer Keil führten, der nicht nur Anstoß am "Kaffeehausleben" seines Redakteurs nahm, sondern auch seine Stellung als ungekröntes Oberhaupt der württembergischen SPD durch den jungen Aufsteiger, dem man nachsagte, daß er zwar nur einen Arm, aber "vierzehn Ellenbogen" habe, gefährdet sah. In dem 1928 ausgebrochenen Streit um den Bau des Panzerkreuzers A, den Keil befürwortete, während Schumacher meinte, daß die "10-Tausend-Tonnen-Kähne" die großen Seemächte nur amüsierten, konnte sich der junge Hoffnungsträger der SPD gegenüber dem 25 Jahre älteren Parteiveteran profilieren.

Im Gegensatz zur Reichsregierung und zu Keil votierte Schumacher für Deutschlands Gleichberechtigung auf dem Boden der Abrüstung. Die außenpolitische Neutralität Deutschlands wollte er gewahrt wissen, denn er lehnte - wie auch nach 1945 - eine Unterwerfung Deutschlands unter die Westmächte ab. Er begrüßte jedoch die Locarno-Politik Stresemanns und die Teilnahme Deutschlands am Völkerbund. Sein europapolitisches Credo faßte er im September 1931 in einem für die "Eßlinger Volkszeitung" geschriebenen Artikel zusammen, der die programmatische Überschrift trug: "Heraus aus der Isolierung! Deutschlands Lebensnotwendigkeit: Verständigung mit Frankreich!"

Der Mann, von dem nach 1945 fast jeder sagte, daß er "kein Ohr für Frankreich" habe, betonte 1931, daß die unumgängliche Verständigung mit Frankreich die Verständigung mit Polen voraussetzte. Obwohl er wie viele seiner politischen Weggenossen den Versailler Vertrag ablehnte, warnte er vor nationalistischer "Stimmungsmacherei", die nur der Agitation rechter Kreise Vorschub leisten mußte. Warum sich der Nachkriegspolitiker entgegen dieser Einsicht zu nationalistischen Parolen hinreißen ließ, thematisiert Schober nicht. Überhaupt vermißt man in der auf breiter Quellenkenntnis fußenden und gut geschriebenen Arbeit etwas die Kontinuitätslinien vom jungen Schumacher zum Vorsitzenden der Nachkriegs-SPD.

Den Kampf gegen die Nationalsozialisten und Kommunisten führte Schumacher mit einer Schärfe wie kaum ein anderer Politiker. Im Dezember 1924 rief er im württembergischen Landtag den Nationalsozialisten zu: "Die Sozialdemokraten werden das nationalsozialistische Krebsgeschwür mit allen Mitteln aus unserem Volkskörper herausbrennen!" Ein Jahr zuvor schon hatte er festgestellt, daß nur das "rein negative Band des Judenhasses" die Völkischen zusammenhalte.

In seiner einzigen Reichstagsrede im Februar 1932 schleuderte er den Nationalsozialisten dann die häufig zitierten Worte entgegen: "Die ganze nationalsozialistische Agitation ist ein dauernder Appell an den inneren Schweinehund im Menschen." Die Kommunisten, die er aufgrund ihres Hasses gegen die Demokratie und ihrer Vorliebe für Gewalt "rotlackierte Doppelausgaben der Nationalsozialisten" nannte, hielt er für nicht weniger gefährlich als den Feind von rechts. Eine Zusammenarbeit der SPD mit der KPD schloß er schon deshalb aus, weil die KPD keine deutsche, sondern eine fremden Weisungen unterworfene Partei war: "Die Kommunistische Partei Deutschlands kennt kein geistiges Eigenleben, sie ist vollständig abhängig von den geistigen Strömungen, die jeweils in Rußland die Oberhand gewinnen, und was in Rußland als Tragödie spielt, wiederholt sich in Berlin als Farce."

Was konnte die SPD tun, um der Demokratie ein breites Fundament zu geben? 1923 hatte Schumacher noch zu den Befürwortern einer großen Koalition gehört. Selbst die Tolerierung der Regierung Brüning durch die SPD hatte er zunächst unterstützt, meldete jedoch schon bald Zweifel an deren Erfolg an: "Die etwaige Tolerierung darf nicht so weit gehen, durch eine Belastung auf sozialem Gebiet die Chancen des Faschismus zu verstärken." Der Stuttgarter Reichsbannerführer, der den "militanten Sozialisten" zugerechnet wurde, gab sich Ende 1932 zwar kämpferisch und kündigte eine parlamentarische und außerparlamentarische Mobilmachung gegen den Nationalsozialismus an. Doch privatim äußerte er im Dezember 1932 Resignation: "Die Sache ist nicht mehr aufzuhalten. In Berlin ist es hoffnungslos."

An den Erfolg eines Generalstreiks vermochte Schumacher angesichts der Spaltung der Arbeiterbewegung nicht zu glauben. Spontanen Aktionen von unten stand der Befürworter einer rigiden Parteidisziplin, der im Alter von 25 Jahren geäußert hatte, "daß alles, was auf deutschem Boden groß geworden ist, durch Gehorchen seine Größe erreicht hat", mit unverhohlener Skepsis gegenüber. So blieb nur noch die Hoffnung, über die böse Zeit hinweg das "politische Erbrecht behaupten" zu können.

PETRA WEBER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Petra Weber begrüßt dieses Buch vor allem, weil sie der Meinung ist, dass sich bisher kaum jemand mit der Biografie der ersten Jahre von Kurt Schumacher eingehender beschäftigt hat. Das Buch, das das Leben des späteren SPD-Vorsitzenden bis 1933 beschreibt, sei "gut geschrieben" und durch "breite Quellenkenntnis" fundiert, lobt die Rezensentin. Trotzdem ist sie nicht ganz zufrieden, denn sie findet, dass der Autor manche Unstimmigkeiten in den Äußerungen Schumachers weder benennt, noch erklärt. So werde zum Beispiel nicht kommentiert, warum sich der Politiker, obwohl er die nationalsozialistische "Stimmungsmacherei" gegen Frankreich verurteilte, in der Nachkriegszeit selbst "nationalistische Parolen" von sich gegeben habe. Überhaupt bemängelt die Rezensentin die fehlenden "Kontinuitätslinien", die die Biografie der ersten Jahre Schumachers mit seinem Leben und Wirken als Nachkriegspolitiker verbinden würden.

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