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70 Jahre nach dem Holocaust: Welche Bedeutung hat Auschwitz für die politische Kultur der Bundesrepub-lik Deutschland? Kann die deutsche Gedenkkultur helfen, die Gesellschaft vor neuem Antisemitismus zu bewahren oder führt sie eher ins Vergessen? Kann Deutschland das Versprechen "Nie wieder!" einhalten? Diesen Fragen geht der wissenschaftliche Leiter der "Gedenkstätte Deutscher Widerstand" Peter Steinbach in einer kurzen und fulminanten Analyse nach. Er stellt die Verantwortung des Kulturbetriebs und der Politik in den Mittelpunkt seiner Überlegungen und gibt einen historischen Abriss früherer…mehr

Produktbeschreibung
70 Jahre nach dem Holocaust: Welche Bedeutung hat Auschwitz für die politische Kultur der Bundesrepub-lik Deutschland? Kann die deutsche Gedenkkultur helfen, die Gesellschaft vor neuem Antisemitismus zu bewahren oder führt sie eher ins Vergessen? Kann Deutschland das Versprechen "Nie wieder!" einhalten? Diesen Fragen geht der wissenschaftliche Leiter der "Gedenkstätte Deutscher Widerstand" Peter Steinbach in einer kurzen und fulminanten Analyse nach. Er stellt die Verantwortung des Kulturbetriebs und der Politik in den Mittelpunkt seiner Überlegungen und gibt einen historischen Abriss früherer Jahrzehnte deutschen Nachkriegsgedenkens. Steinbach hält im baden-württembergischen Landtag am 27. Januar 2015 die offizielle Rede zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus und zur Befreiung des Lagers Auschwitz.
Autorenporträt
Peter Steinbach, geb. 1948, Dr. phil., Historiker und Politikwissenschaftler, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Mannheim sowie wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.10.2015

Gedanken über Gedenken
Peter Steinbach spürt dem „Nie wieder“ nach
Nie wieder – zwei Worte, ein Versprechen. Der Historiker Peter Steinbach, seit 1989 wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, spürt in seinem Essay „Nach Auschwitz“ diesem Versprechen nach: Welche Bedeutung hat das Wissen um die Existenz des Vernichtungslagers für die politische Kultur in Deutschland, und wie kann ritualisiertes Gedenken ein neuerliches Erstarken des Antisemitismus verhindern? Ganz neu ist das nicht. Schon Adorno schrieb in seiner „Erziehung nach Auschwitz“: „Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei (. . .), geht so sehr jeglicher anderen voran, dass ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen.“
  Diese Selbstverständlichkeit sieht Steinbach, knapp 50 Jahre nach Adorno, gefährdet. Indizien dafür gebe es genug: die anfängliche Verunglimpfung der Verbrechen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ als „Döner-Morde“, Hetze vor Flüchtlingsheimen, Synagogen unter Polizeischutz. Auch wenn die kritische Auseinandersetzung mit der Nazizeit fest im Schulunterricht verankert ist, Gedenkstätten wie Dachau oder Bergen-Belsen gut besucht sind, warnt der Autor vor Erosion: Was, wenn dieses Gedenken an festen Tagen und Orten nur noch Pose ist? Steinbach nimmt nicht nur gelangweilte Schüler, sondern auch die Politik ins Visier. Beim kollektiven Gedenken, schreibt er, geht es um „gesellschaftliche Inklusion“, um ein Miteinander mit Andersdenkenden, um Konfrontation mit dem Leid der Verfolgten. Das politische Alltagsgeschäft jedoch sei zunehmend bestimmt durch Exklusion, wie etwa die Diskussion über vermeintliche „Wirtschaftsflüchtlinge“ aktuell zeige.
  Seine Gedanken über das Gedenken flankiert Steinbach mit der Beschreibung des Zusammenbruchs der Weimarer Republik und der Demokratiedämmerung , die die Machtergreifung Hitlers markierte. Die Kapitel entgehen der Gefahr, als altbekannt überblättert zu werden nur dadurch, dass Steinbach sie in die Frage nach Verantwortung münden lässt: Selbstgleichschaltung bis hin zum Kadavergehorsam glaubt er auch heute wieder zu erkennen, etwa wenn sich Pegida-Anhänger als „das Volk“ verstehen. Historiker, schreibt Steinbach, beziehen ihr Wissen aus dem Geschehenen, nicht aus der Mitte der Entwicklungen heraus, sie sind deshalb „schlechte Gewährsleute“, um Entscheidungssituationen im Hier und Jetzt zu beurteilen. Steinbach aber gelingt genau das.
  Es ist die ewige Frage, was und ob wir aus Geschichte lernen. Denn natürlich werden auch heute noch Ortsnamen zu Synonymen für Verbrechen. Das Massaker in Srebrenica jährte sich im Juli zum 20. Mal. Massenmorde wie der an den Tutsi in Ost-Zentralafrika finden in Echtzeit statt, oft sind Reporter vor Ort. Der Satz „Davon haben wir nichts gewusst“ ist heute noch weniger glaubwürdig als damals.
  Was also ist zu tun, damit das „Nie wieder“ nicht zur leeren Floskel, aus einem Denkmal keine „Kranzabwurfstelle“ wird? Das ist die zentrale Botschaft in Steinbachs im Kern humanistischer Schrift: Wenn jene gestorben sind, die von den Gräuel berichten können oder für sie verantwortlich sind, dann müssen wir die Zeitzeugen der Zeitzeugen werden. Wachsam sein, die Augen offen halten, wichtiger noch: den Mund aufmachen.
ULRIKE NIMZ
  
  
Peter Steinbach,
Nach Auschwitz.
Die Konfrontation der Deutschen mit der Judenvernichtung. Dietz-Verlag 2015, 108 Seiten,
14,90 Euro.
Als E-Book: 12,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ulrike Nimz hört gut zu, wenn der Historiker Peter Steinbach, der auch wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin ist, die Möglichkeiten einschätzt, aus Geschichte zu lernen. Wenn Steinbach das Gedenken problematisiert und heutige Ignoranz gegenüber den Toten und Verfolgten von Kriegen und Genoziden feststellt, erscheint Nimz das als ein humanistischer Akt. Steinbachs Frage nach der Bedeutung von ritualisiertem Gedenken in Zeiten von NSU und Pegida findet die Rezensentin sehr berechtigt und äußerst wichtig.

© Perlentaucher Medien GmbH
Ulrike Nimz hört gut zu, wenn der Historiker Peter Steinbach, der auch wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin ist, die Möglichkeiten einschätzt, aus Geschichte zu lernen. Wenn Steinbach das Gedenken problematisiert und heutige Ignoranz gegenüber den Toten und Verfolgten von Kriegen und Genoziden feststellt, erscheint Nimz das als ein humanistischer Akt. Steinbachs Frage nach der Bedeutung von ritualisiertem Gedenken in Zeiten von NSU und Pegida findet die Rezensentin sehr berechtigt und äußerst wichtig.

© Perlentaucher Medien GmbH