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  • Gebundenes Buch

Produktdetails
  • Verlag: Ueberreuter
  • Seitenzahl: 304
  • Deutsch
  • Abmessung: 245mm
  • Gewicht: 984g
  • ISBN-13: 9783800038169
  • ISBN-10: 3800038161
  • Artikelnr.: 09886636
Autorenporträt
Univ. Prof. Dr. Bernd Saletu, Facharzt für Psychiatrie, Neurologie und klinische Pharmakologie; ESRS-zertifizierter Somnologe; 1975 Gründer des ersten Schlaflabors in Österreich; bis 2007 Leiter des Bereichs für Schlafforschung und Pharmakopsychiatrie der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Universität Wien; seit 1994 Leiter des Schlaflabors im Rudolfinerhaus Wien; ehemaliger Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.04.2002

Gequälte Seele, zerknitterte Kissen
In der Schlaffibel von Bernd und Gerda M. Saletu finden Sie Ruhe

Der Schlaf ist ein scheues Reh. Je stärker man ihn herbeizwingen will, desto schneller verflüchtigt er sich. Und wer sie kennt, die endlosen, grauen Morgenstunden, in denen man sich ruhelos hin- und herwälzt, spürt die Abhängigkeit vom eigenen Körper besonders schmerzhaft. "Schlafstörung" ist ein lapidarer Begriff für ein vielschichtiges Elend. Laut Statistik leidet jeder vierte chronisch daran. Aber nur jeder dritte Betroffene spricht mit seinem Arzt darüber. Vielleicht weil er ahnt, daß dessen Therapie in der Regel denkbar schnöde ausfällt: als Tablettenverschreibung. Noch immer tut sich die Medizin schwer, die Insomnie, die Schlafstörung, als Krankheitssymptom ernst zu nehmen. Über ein Jahr Wartezeit muß man in Kauf nehmen, um eine Kontrollnacht im Schlaflabor einer Klinik verbringen zu können. Was den Schlaf und seine Problematik angeht, verzichtet man aus Kostengründen allzu oft auf objektive Messungen und ergeht sich statt dessen lieber in Ratschlägen.

Die Literatur zum Thema ist zum Ozean angewachsen, in dem man schnell den Überblick verliert und auf gegensätzliche Meinungen trifft. Vor knapp zwei Jahren schockte William C. Dement, ein Pionier der Schlafforschung, die Öffentlichkeit mit der Diagnose, daß Katastrophen wie die Reaktorexplosion von Tschernobyl oder das Tankerunglück der "Exxon Valdez" hauptsächlich auf das Konto von Übermüdung gingen. Der Mensch im aufgebrochenen Kosmos von Internet und Globalisierung, resümierte Dement vernichtend, käme heute kaum noch zur Ruhe, permanent angestachelt von der Vorstellung, "alles tun zu können und zu müssen".

Diesem Urteil scheint nun eine Studie des amerikanischen Forschers Daniel Kripke zu widersprechen, wonach Kurzschläfer deutlich länger leben als Langschläfer. Schon wer täglich acht Stunden verschlummert, so Kripke, steigert sein Sterberisiko um zwölf Prozent. Wie lange aber sollte man schlafen? Das ist eine Frage, die seit jeher die Gemüter erregt, weil sich an sie häufig gleich eine ganze Lebensphilosophie knüpft. Was für den einen schlicht "Verschwendung" (Thomas Alva Edison), ist für den anderen "Labe- und Lethetrank" (Thomas Mann).

Das Forscherpaar Saletu ist demgegenüber um Nüchternheit bemüht. Beide arbeiten als Fachärzte für Psychiatrie an der Universitätsklinik Wien und beschränken sich in ihrem Buch weitgehend darauf, den aktuellen Forschungsstand wiederzugeben. Als Einschlaflektüre eignet sich ihr Nachschlagewerk nicht. Es ist ein Handbuch ohne Anekdoten, das für Laien in seiner medizinischen Aufmachung nicht immer leicht verständlich ist, wenngleich sich im Anhang ein Begriffsglossar findet. Wer sich vom Vokabular und der Vielzahl an Statistiken indes nicht abschrecken läßt, erhält Antworten zur Genüge. So haben beide Praktiker bei ihren Laboruntersuchungen festgestellt, daß das Schlafbedürfnis individuell unterschiedlich und - dafür sprechen die Ergebnisse der Zwillingsforschung - höchstwahrscheinlich genetisch festgelegt ist. Die Mehrheit der Erwachsenen braucht demnach sieben bis acht Stunden Schlaf pro Tag, Frauen im Schnitt eine Stunde mehr als Männer. Und nur eine Minderheit von Extremschläfern, wie Edison, Napoleon oder Churchill es waren, kommen mit vier Stunden aus. Respektive: benötigen wie einst Albert Einstein sogar über zehn Stunden täglich.

Mit dem Alter nehmen Dauer und Qualität allerdings drastisch ab, so daß "Frauen ab dem fünfzigsten, Männer ab dem fünfundfünfzigsten Lebensjahr mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Schlafprobleme bekommen". Doch nicht allein die Dosis, sondern auch die richtige "Architektur" des Schlafs entscheidet darüber, wie erfrischt man morgens aufwacht. Nach spätestens dreißig Minuten sollte man eingeschlafen sein, um in einer spezifischen Reihenfolge wiederholt die Stadien des Spindelschlafs, Tiefschlafs und der Traumarbeit zu durchlaufen, die bekanntermaßen mit schnellen Augenbewegungen (Rapid Eye Movement, REM) einhergeht. Wann man zu Bett geht, ist dabei übrigens ziemlich gleichgültig. Den landläufig gepredigten, "guten" Schlaf vor Mitternacht gibt es wissenschaftlich erwiesen nicht. Von Bedeutung ist vielmehr eine ausgewogene Proportion der Phasen.

Bei Insomnikern zeigt sich das Gefüge auffällig verschoben, was zumeist auf ein körperliches oder - dreimal häufiger - auf ein psychisches Mißbehagen hindeutet. Fast immer sind Schlafstörungen Warnsymptome für andere Krankheiten. Überwiegend ist es eine gequälte Seele, die sich nachts unbequem zu Wort meldet. So leidet jemand, der depressiv ist, sehr oft auch darunter, daß er zu lange und zu leicht schläft. Eine Kur muß von daher stets neu auf den Patienten abgestimmt werden. Im Beispielfall hieße das, eine Einschlafhilfe zu geben und die überschüssige REM-Aktivität zu stoppen, die zu unerwünschten "Arousals" führt, zu minimalen Aufwachreaktionen.

Neben den "sanften" Methoden einer verbesserten Schlafhygiene, einer Entspannungs-, Schlafentzugs- und Lichttherapie, empfehlen die Autoren hier auch Medikamente, ohne jedoch deren teilweise krasse Nebenwirkungen zu verharmlosen. Aber ist der Rhythmus erst einmal gestört, sollte man schnell handeln. Denn Insomnie kann leicht chronisch werden. Bald gesellt sich zur Einschlafschwäche dann die Angst vor dem Zubettgehen hinzu. Man fragt sich bang: "Werde ich heute schlafen können?" und liegt wach für Stunden. Ein "perfider Teufelskreis", der zu jenen "Schlafschulden" führt, die nach Schätzungen mittlerweile jeden vierten Verkehrsunfall verursachen. Besser also man beugt vor. Und gönnt sich ruhig auch tagsüber gelegentlich ein Nickerchen, das schon unsere Großväter schätzten. Nur so nennen das Schlafwissenschaftler des dritten Jahrtausends natürlich nicht. Sie nennen es lieber "Power Nap", passend zur Effizienz-Maxime der Zeit.

GISA FUNCK.

Bernd Saletu, Gerda M. Saletu-Zyhlarz: "Was Sie schon immer über Schlaf wissen wollten". Ueberreuter Verlag, Wien 2002. 304 S., Tabellen, geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Gisa Funk sieht die Literatur zum Thema Schlafstörung mittlerweile zu einem Ozean angewachsen, in dem man schnell den Überblick verliert und mit vielen gegensätzliche Meinungen konfrontiert ist. So meint beispielsweise der Pionier der Schlafforschung William C. Dement nach Auskunft der Rezensentin, dass viele Katastrophen wie das Tankerunglück der "Exxon Valdez" hauptsächlich auf das Konto von Übermüdung gingen, während der amerikanische Forscher Daniel Kripke behauptet, dass Kurzschläfer deutlich länger leben als Langschläfer. Demgegenüber sind Bernd Saletu und Gerda M. Saletu-Zyhlarz - beide arbeiten als Fachärzte für Psychiatrie an der Universitätsklinik Wien - nach Einschätzung der Rezensentin um Nüchternheit bemüht, sie beschränken sich weitgehend darauf, den aktuellen Stand der Forschung darzustellen. Herausgekommen ist ein medizinisch aufgemachtes Handbuch "ohne Anekdoten", das für den Laien nicht immer leicht verständlich ist, findet die Rezensentin. Wer sich allerdings nicht von den vielen Statistiken und dem Vokabular - glücklicherweise gibt's im Anhang ein Begriffsglossar - abschrecken lässt, dem bietet das Buch nach Ansicht der Rezensentin "Antworten zur Genüge" - vom Thema richtige Schlafdauer über die "Architektur" des Schlafes hin zur Therapie bei Schlafstörungen.

© Perlentaucher Medien GmbH
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