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Jacob Balde SJ (1604-1668) gilt als der bedeutendste deutsche Dichter lateinischer Sprache. Von seinen europäischen Zeitgenossen wurde er als "deutscher Horaz" gefeiert. Unter Kurfürst Maximilian I. wirkte er in München als Lehrer der Rhetorik, Prinzenerzieher, Hofprediger und Historiograph. Zur 400. Wiederkehr seines Geburtstags stellten renommierte Balde-Forscher auf einer internationalen Tagung neue Forschungsergebnisse zur Diskussion.

Produktbeschreibung
Jacob Balde SJ (1604-1668) gilt als der bedeutendste deutsche Dichter lateinischer Sprache. Von seinen europäischen Zeitgenossen wurde er als "deutscher Horaz" gefeiert. Unter Kurfürst Maximilian I. wirkte er in München als Lehrer der Rhetorik, Prinzenerzieher, Hofprediger und Historiograph. Zur 400. Wiederkehr seines Geburtstags stellten renommierte Balde-Forscher auf einer internationalen Tagung neue Forschungsergebnisse zur Diskussion.
Autorenporträt
Prof. Dr. Thorsten Burkard, geboren 1967 in Freiburg im Breisgau, ist seit 2005 Lehrstuhlinhaber für Klassische Philologie (Latinistik) an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.12.2006

Das Glöckchen an der Narrenkappe
Stürzen, lachen, sterben: Der Barockpoet und Jesuit Jacob Balde
Die protestantischen deutschen Lande haben es besser: Ihre literarische Tradition reicht fünfhundert Jahre zurück, bis zu Martin Luther und seiner Entscheidung, von nun an alles Wesentliche in der Volkssprache zu sagen. In Bayern und seinen katholischen Nachbarprovinzen hingegen scheint dagegen, bei aller Lust am Bauen, Malen und Musizieren, bis um 1800 weitgehend Schweigen im literarischen Walde zu herrschen. So scheint es; in Wirklichkeit gibt es auch hier ein reges dichterisches Leben. Der bedeutendste unter diesen Dichtern ist Jacob Balde (1604-1668), aus dem Elsass stammender Jesuit, der sein riesiges lyrisches, satirisches, episches und dramatisches Werk am kurfürstlichen Hof in München, in Ingolstadt und Neuburg an der Donau verfasst hat und den dennoch an diesen Orten kaum einer kennen dürfte. Nach Raum und Zeit müsste er den Bayern eigentlich näher stehen als Luther und seinesgleichen, tut es aber nicht. Sein Werk hat nämlich einen aus heutiger Sicht ganz fatalen Haken: es ist lateinisch.
Es kann einer ein bedeutender Autor sein und doch sich auf grundsätzliche Weise gegen die Lektüre sperren: Mit diesem Problem muss es der Sammelband über Jacob Balde aufnehmen, der jetzt von Thorsten Burkard, Günter Hess, Wilhelm Kühlmann und dem Jesuiten Julius Oswald herausgegeben worden ist. Welche Schwierigkeiten sich dem Leser in den Weg stellen, ermisst man beispielsweise aus Dieter Breuers Aufsatz, „Balde und Kurfürst Maximilian I.” Dieser hatte bei Balde ein historisches Werk über die Wittelsbacher in Auftrag gegeben, von dem Wahrheit und dynastisches Lob zugleich erwartet wurden. Balde scheitert an der heikel widerspruchsvollen Aufgabe, kann aber über den Vorgang natürlich nicht offen sprechen und wählt, was dem Zeitalter stets nahe, uns aber desto ferner liegt, die allegorische Einkleidung, in Form einer Traumerzählung. „Der Träumer schichtet in Eile Steine ohne Mörtel, da rauscht Jupiters Adler herab und stürzt alles nieder (Konflikt zwischen kaiserlicher und bayerischer Politik). Eine kreischende Megäre (Verleumdungen) und ein verschlagen schweigender, Bohnen aussäender Centaur (Selbstzweifel) kommen hinzu.” So geht das über mehrere Seiten. Hinzu denke man sich nun noch die schwierigen lateinischen Metren und überlege sich dann, auf welche Rezeption Balde heute wohl rechnen darf. Als Zeugnis einer komplexen vergangenen Kultur der indirekten Verständigung bleibt es gleichwohl aufschlussreich.
Für den allgemeinen Leser am interessantesten dürfte Teil 5 sein, „Visuelle Wahrnehmung, Text und Bild”. Zum Bild des 17. Jahrhunderts öffnet sich der Zugang leichter – wer vor den zeitgleichen Rubens-Gemälden in der Alten Pinakothek steht, sieht wenigstens etwas. Doch was es dort wirklich zu sehen gibt, darüber könnte er sich leicht täuschen; die bildende Kunst der Epoche ist in hohem Maß literarisch codiert. Jörg Robert interpretiert ein Visionsgedicht Baldes, das sich an Rubens’ „Apokalyptischem Weib” entzündet, und in diesem Zugleich von Text und Gemälde entfaltet er das neue, vom Konzil zu Trient festgeschriebene Verständnis des Sakralbilds, wie es den Übergang vom Idol zum Kunstwerk vollzieht: Die entscheidende Verwandlung, die in der Geschichte der Kunst statthat, wird so an ihrem Wendepunkt genau belegt.
Am engsten jedoch verschränken sich Bild und Dichtung, „Pictura” und „Poiesis”, in Baldes berühmtesten Werk, dem „Poema de Vanitate Mundi”. Das Thema des Barock überhaupt, die Eitelkeit aller Dinge, wird darin mit einer Drastik behandelt, die auch heute noch unerhört wirkt. Balde entwirft Inschriften für die Gräber der Philosophen: „Hier ist der weise Antisthenes begraben. Wanderer halte / die Nase zu, er riecht übel, er stinkt. / Hier ist beigesetzt der ganze Demokrit. / Seine kranke Lunge hat laut über das Leben gelacht. / Dies ist die Wurzel vom Stammbaum der Stoiker, / ein Mensch, geringer als eine Mistgrube. / Was aber ist da unten? Ein Hund, nach Farbe, Geruch und Schnauze.” („Colore, odore, ore” im Lateinischen.)
Die Gräber selbst, oder eher, Ruinen zweiten Grades, die Trümmer dieser Gräber samt ihren zerfallenen Lettern, sieht man auf beigegebenen Stichen, deren Rätselschrift Günter Hess entschlüsselt. Die runde Welt auf dem Monument des Kopernikus ist so zerbrochen, dass sie dem Glöckchen einer Narrenkappe gleicht, ihm selbst nur ein Auge geblieben: „Miseri queîs terra movetur – Unselige, für die die Erde sich bewegt!” Das mag von der Wissenschaft in die Rumpelkammer der widerlegten Hypothesen verbannt sein: Hier hat dennoch der Einspruch Stimme und Bild bewahrt und wird einprägsames Gegengewicht zur sattsam bekannten Galilei-Legende.
In der Verbindung solcher Verse mit den schönen, geistreichen Kupferstichen, die offenbar nach Baldes eigenen Anweisungen entstanden sind, in der Art, wie diese Zweiheit zum denkenden Schauen auffordert, öffnet sich heute am ehesten ein Fenster auf den fernen Autor. Wem dieser Ausblick Geschmack auf mehr macht, wer Lust bekommt, ihn aufzusuchen, der mag den so umfangreichen wie verdienstvollen Band als Türe nützen. BURKHARD MÜLLER
THORSTEN BURKARD, GÜNTER HESS, WILHELM KÜHLMANN, JULIUS OSWALD (Hrsg): Jacob Balde im kulturellen Kontext seiner Epoche. Schnell & SteinerVerlag, Regensburg 2006. 496 Seiten, 59,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Burkhard Müller würdigt den "umfangreichen wie verdienstvollen" Sammelband über den jesuitischen Barockdichter Jacob Balde (1604-1668), dessen umfassendes Werk an den kurfürstlich-bayerischen Höfen entstanden ist. Obwohl Jacob Balde eine größere Aufmerksamkeit im Kanon seiner Zeit und innerhalb der meist protestantischen Barockdichter verdient habe, zeigen die Aufsätze zugleich auch die Grenzen einer breiten Rezeption auf: Balde schrieb auf Latein und zudem allegorisch verschlüsselt. Es finden sich aber auch für den "allgemeinen Leser" zugängliche und faszinierende Poeme und Interpretationen, wie die Epitaphe für die Gräber von Philosophen, die in der Verbindung mit den abgebildeten Kupferstichen eine "unerhörte" Drastik des zentralen barocken Vanitas-Motivs bezeugen: "Hier ist beigesetzt der ganze Demokrit. / Seine kranke Lunge hat laut über das Leben gelacht."

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