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Die Armee Friedrichs des Großen wurde in der Literatur meist entweder im Geist der Schlacht von Leuthen heroisch verklärt, oder nach dem im Heer herrschenden, harten Strafsystem insgesamt negativ verzeichnet. Im vorliegenden Buch wird erstmals die Brücke zwischen beiden Bewertungen geschlagen, indem nicht nur festgestellt wird, was einen Soldaten zur Desertion bewegen konnte, sondern auch was so viele seiner Kameraden dazu anhielt weiter ihren Dienst zu tun. Die Maßnahmen gegen die Flucht aus dem militärischen Alltag, sowie individuelle Fälle der Desertion, erfahrene eine genaue…mehr

Produktbeschreibung
Die Armee Friedrichs des Großen wurde in der Literatur meist entweder im Geist der Schlacht von Leuthen heroisch verklärt, oder nach dem im Heer herrschenden, harten Strafsystem insgesamt negativ verzeichnet. Im vorliegenden Buch wird erstmals die Brücke zwischen beiden Bewertungen geschlagen, indem nicht nur festgestellt wird, was einen Soldaten zur Desertion bewegen konnte, sondern auch was so viele seiner Kameraden dazu anhielt weiter ihren Dienst zu tun. Die Maßnahmen gegen die Flucht aus dem militärischen Alltag, sowie individuelle Fälle der Desertion, erfahrene eine genaue Beschreibung.Auf der Basis von bisher unausgewertetem Archivmaterial und einer Fülle von kritisch bewerteten Zeitzeugenberichten, entsteht ein detailgenaues Alltagsbild der Soldaten der Potsdamer Garnison und ihrer Angehörigen. Die Vor- und Nachteile des preußischen Soldatenlebens werden nicht nur in vergleichender Perspektive zum Zivilleben, sondern auch zu dem Alltag in anderen Armeen betrachtet, was zu überraschenden Ergebnissen führt.
Autorenporträt
Jörg Muth, geb. 1967, Ausbildung in der Büro- und Kommunikationsbranche, jahrelang tätig als Leiter einer Computerabteilung und als Systemberater.Nach insgesamt einem Jahr Auslandsaufenthalt in den Vereinigten Staaten und Griechenland Abitur auf dem Zweiten Bildungsweg. Studium der Geschichte, der Soziologie und des Strafrechts an den Universitäten von Marburg und Potsdam.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.08.2003

Die Waffen nieder!
Eine Studie über die Desertion in der Armee Friedrichs des Großen
Der bekannteste Deserteur Preußens war ausgerechnet der Sohn des Soldatenkönigs. Jener schöngeistige, weiche und musisch veranlagte Friedrich, der später als König den Beinamen „der Große” trug, ergriff im August des Jahres 1730 die Flucht vor regelmäßiger Prügel und Demütigung durch den Vater. Weit kam er nicht. Wäre es nach seinem direkten militärischen Vorgesetzten, der zugleich sein Vater und König von Preußen war, gegangen, Kronprinz Friedrich wäre wie sein Fluchthelfer, der Leutnant von Catte, als Deserteur hingerichtet worden, hätte nicht der europäische Adel interveniert.
Zwei Besonderheiten dieser Episode einen den jungen Friedrich mit den Deserteuren seiner späteren Regimenter: Motiv und Strafvollzug. In Friedenszeiten, so schreibt Jörg Muth in seiner Studie „Flucht aus dem militärischen Alltag”, beeinflusste der Umgang der Offiziere mit dem Soldaten die Desertionsrate maßgeblich. Im Krieg traten mit den zermürbenden Märschen, dem allgegenwärtigen Tod und der bisweilen schlechten Versorgung weitere Motive hinzu. Dass Deserteure, denen die Flucht nicht gelang, vorschriftsmäßig exekutiert wurden, war die Ausnahme. „In der Praxis schätzten die preußischen Regimentschefs ihre Soldaten als zu wertvoll ein, um sie sofort hinzurichten. Die Todesstrafe wurde – wenn überhaupt – erst bei der dritten Desertion vollstreckt.”
Hier deutet sich bereits eines von Muths zentralen Argumenten an: Die Desertion, so behauptet der Historiker, sei für die preußische Armee keineswegs das alles überragende Problem gewesen, sondern ein ganz alltägliches Phänomen. Dass die Historiker sie bis heute überbewerteten, führt Muth auf drei Gründe zurück: Erst die Reorganisation der Armeen in Folge des Dreißigjährigen Krieges und die durch Uniformen klare Zuordnung der Soldaten zu ihren Lagern haben die Desertion für jedermann offensichtlich werden lassen. Für Preußen kam hinzu, dass bei geringer Einwohnerzahl und langer Ausbildungszeit jeder Soldat benötigt wurde und schwer zu ersetzen war, weshalb sein Verlust als doppelt schmerzlich wahrgenommen worden sei. Schließlich müsse „die Überbewertung der Desertion im 18. Jahrhundert mit hoher Wahrscheinlichkeit der mangelhaften oder nicht existenten Erforschung dieses Phänomens in anderen Epochen zugeschrieben werden.”
Die Fahnenflucht freilich ist für das friderizianische Zeitalter ebenfalls wenig erforscht. Muths Arbeit will diesen Mangel beheben, indem sie die psychologische, nicht die quantitative Dimension der Desertion ergründet und die individuellen Motive der Soldaten aufspürt. Deshalb ist weniger der erste Teil seiner Abhandlung hervorzuheben, der sich dem Alltag in der Armee Friedrichs des Großen und der Desertion im Allgemeinen widmet und aus dieser perspektivischen Totale viel Bekanntes erzählt. Interessanter sind die regionalgeschichtlichen Ausführungen zu den Potsdamer Garnisonen im zweiten Teil des Buches, insbesondere den Infanterie-Regimentern Nr. 6, 15 und 18 und dem Füsilier-Regiment Nr. 35. Erst durch diesen Perspektivwechsel wird verständlich, wie eng die Beweggründe für die Fahnenflucht mit Status und Umgangsformen in den einzelnen Regimentern zusammenhingen. Dass die Soldaten in den Eliteeinheiten der Armee ein ausgeprägter „Unwille zur Desertion” auszeichnete, leuchtet angesichts ihrer Karrieren und Besoldung, inklusive der üppigen Handgelder, ein. Drakonische Strafen, wie das Vierteilen eines desertierten Füsiliers, waren bei Friedrichs Garden nicht nötig.
Angesichts solch unterschiedlicher Arbeitsbedingungen sei ein pauschales Urteil über die Desertion in der preußischen Armee, so Muths Fazit, nicht möglich. „Durch die – unterhalb des Reglements – fast grenzenlose Entscheidungsgewalt der Regiments-Chefs und Kommandeure bezüglich ihrer Einheiten könnte man eher von den Regimentern als von der Armee Friedrichs des Großen sprechen.”
THOMAS THIEMEYER
JÖRG MUTH: Flucht aus dem militärischen Alltag. Ursachen und individuelle Ausprägung der Desertion in der Armee Friedrichs des Großen. Rombach Verlag, Freiburg 2003. 213 Seiten, 19,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Rezensent Thomas Thiemeyer entdeckt durchaus einige Neuigkeiten in diesem Buch über Desertionen aus der preußischen Armee: am herausragendsten ist seiner Meinung nach die Erkenntnis, dass Desertionen in der preußischen Armee nicht so ein großes Problem waren, wie bis heute von Historikern angenommen wurde. Sie bewegte sich in einem normalen Maß, bekam jedoch durch einige Faktoren, zum Beispiel den Umstand, dass die neuen Uniformen die Zugehörigkeit zu einem Lager für alle Welt sichtbar machten, plötzlich eine erhöhte Aufmerksamkeit. Eine echte Bereicherung ist die Studie von Jörg Muth nach Meinung des Rezensenten deshalb, weil sie regionalgeschichtlich auf die einzelnen Garnisonen eingeht. So entsteht ein wesentlich differenzierteres Bild der preußischen Armee: "Erst durch diesen Perspektivwechsel wird verständlich , wie eng die Beweggründe für die Fahnenflucht mit Status und Umgangsformen in den einzelnen Regimentern zusammenhingen"

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