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Venusdarstllungen stellten für die Maler seit dem 16. Jahrhundert eine besondere Herausforderung dar, ging es doch einerseitsum ein großes mythologisches Thema und andererseits um die immer raffiniertere Darstellung verführerischer Frauenakte, um die Schönheit des nackten Körpers. Der Autor vergleicht das berühmte Werk des Velazquez mit anderen Venusdarstellungen der Kunstgeschichte, etwa von Giorgone, Veronese, Tizian, Goya und Manet.

Produktbeschreibung
Venusdarstllungen stellten für die Maler seit dem 16. Jahrhundert eine besondere Herausforderung dar, ging es doch einerseitsum ein großes mythologisches Thema und andererseits um die immer raffiniertere Darstellung verführerischer Frauenakte, um die Schönheit des nackten Körpers. Der Autor vergleicht das berühmte Werk des Velazquez mit anderen Venusdarstellungen der Kunstgeschichte, etwa von Giorgone, Veronese, Tizian, Goya und Manet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2002

Macht die Jungfrau frei
Wer ist so ritterlich, ihr beizustehen? Andreas Prater ficht für die "Venus" des Velázquez / Von Ilona Lehnart

Das ist ungewöhnlich: In seiner so schönen wie eminent gelehrten Studie über die "Venus mit dem Spiegel" von Velázquez überläßt der Autor das letzte Wort einem anderen. Doch warum das so ist, warum der Freiburger Kunsthistoriker Andreas Prater zu guter Letzt, nach unablässig-obsessivem Umkreisen eines Kunstgeschöpfes, das er mit den Augen des Liebenden zu verlebendigen wünscht, das Wort an George Steiner gibt, erschließt sich. Denn in Steiners Schlußsatz: "Der Busch brannte heller, weil sein Interpret ihm nicht zu nahe treten durfte", kondensiert sich für Prater aufs schönste die Demut vor einem unentschlüsselbaren Meisterwerk. Eine Demut, die der Leser mit dem Autor teilt, ja die ihn überhaupt veranlaßt hat, staunend den Exkursen, assoziativen Verknüpfungen und kühnen Gedankenflügen zu folgen.

Und auch das ist ungewöhnlich: Der Leser, dem der Autor, wie sich selbst, die Freiheit des Deutens zugesteht, löst die Metapher vom Dornbusch auf seine Weise auf. Ist der lodernde Busch nicht das Sinnbild für die Emanation des Göttlichen, das sich verflüchtigt, sobald aus der Annäherung Zudringlichkeit wird? Was Luhmann die "operative Unzugänglichkeit von Kunstwerken" nannte, das Eingeständnis nämlich, daß große Bildschöpfungen wie die "Venus" des Velázquez oder Giorgiones verrätselte Bildpoesien - man denke an die "Tempestá" oder das "Ländliche Konzert" - niemals widerspruchsfrei zu entschlüsseln sind, bedeutet für die Kunstgeschichte einen ungeheuren Befreiungsakt. Denn wo die spärliche Quellenlage keine ultimativen Erklärungsmodelle zuläßt, eröffnet sich ihr ein Spielraum für die Phantasie. Eben deswegen darf Steiner in der Rolle des Apologeten das letzte Wort führen und gleichsam autoritativ bestätigen: "Lohnende Interpretationen und Kritiken, die ernst zu nehmen sind, das sind diejenigen, die ihre Grenzen, ihre Niederlagen sichtbar machen. Die Sichtbarkeit trägt ihrerseits dazu bei, die Unerschöpflichkeit des Gegenstandes offenbar werden zu lassen."

Wenn nun trotz der Apologie auf das Wagnis einer poetisch-assoziativen Methode des Autors, die freilich in den Überlegungen von Eco oder Salvatore Settis ihr postmodernistisches Echo hat, wenn trotzdem der Tadel der Überinterpretation laut werden sollte, dann schmälert dies kaum den Lesegenuß. Das Buch betört nicht nur durch opulente Bebilderung, durch die Wiederbegegnung mit dem Altbekannten: von den noblen "Venus"-Inventionen Giorgiones, Tizians, Lottos und Correggios bis hin zu Goyas "Nackter Maja", Manets "Olympia" und Ingres' "Großer Badender". Mehr noch fesselt es durch profunde, zu überraschend neuen Schlüssen fähige Sachkenntnis und nie versiegende Neugier an einem Bildgegenstand, der doch durch die großen "Venus"-Ausstellungen in Bonn, München und Antwerpen vor zwei Jahren hinreichend erschöpft schien. Freilich, die spanische Variante der Aktmalerei blieb dort ausgespart. Aus vielerlei Gründen, nicht zuletzt dem, daß die spanische Malerei "diferente" ist, anders jedenfalls, als sie prima vista erscheint.

Praters essayistische Form der Abhandlung hindert ihn nicht, eine systematische und erschöpfende Analyse des Sach- und Forschungsstands zu erstellen. Das vor allem rechtfertigt seine Methode. Doch fern von didaktischem Furor weiß er um die magische Präsenz der nackten Liebesgöttin. Um die Augenlust, die bis zur Sinnverwirrung führt, wie damals, am Mittag des 10. März 1914, als eine unauffällige, grau gekleidete Frau im Raum 17 der National Gallery mit einem Hackmesser mehrere Hiebe gegen die "Rokeby Venus" führte, die seit acht Jahren der Stolz der Nation war.

Der Anschlag der militanten Suffragette galt, wie die "Times" erschüttert ausführte, dem "vielleicht schönsten Gemälde einer Nackten in der Welt". Und geradeso hatte sich Lion Feuchtwanger in seinem Künstlerroman von 1949 das Urteil Goyas vorgestellt: den erregenden Moment, in dem der Maler der List beizukommen versucht, mit "welcher der Kollege das Antlitz der Frau im Dämmer des unklaren Spiegels gelassen und alle Aufmerksamkeit des Beschauers auf die wunderbaren Linien des Körpers gelenkt hatte". So romanhaft übersteigert Feuchtwangers Vision auch sein mag, so darf doch - trotz mangelnden Belegen - als sicher gelten, daß Goya die "Venus" kannte. Zu offenkundig ist sein Gegenentwurf durch das Concetto seines Vorgängers inspiriert. Die schillernde Alternative indes, die sich in Goyas zwei Varianten einer nackten und einer bekleideten Frau manifestiert, ist bezeichnend für eine neue, nun ganz und gar unverhülltes Begehren stimulierende Weiblichkeit, von der die Liebesgöttin des Velázquez nichts weiß.

Aber was weiß sie, die in ihrer ostentativen Teilnahmslosigkeit so selbstgenügsam erscheint, von der Empfänglichkeit des Betrachters für ihre "sündhafte Erscheinung"? Als "mujer desnuda" - als nackte Frau, nicht als Göttin - wird sie 1651 im Inventarverzeichnis des kunstliebenden Aristokraten Don Gaspar Méndez de Haro, Marqués de Eliche, erstmals aufgeführt. Offenbar ein "Schlafzimmerbild", das Don Gaspar unter der Decke einer "galería" befestigte, und zwar in einer Anordnung, die geeignet war, seine erotische Phantasie angenehm zu beflügeln.

Ist da nur Eros, sonst nichts? So hätten wir, wie der Autor selbst, mit Gelassenheit zu tragen, daß ein Meisterwerk wie die "Venus mit dem Spiegel" vor allem uns selbst widerspiegelt. "Wir analysieren eine Kunst", gibt der Autor zu bedenken, "die für manchen ihrer vermögenden Sammler mehr Diktat der Mode als geistige Widmung gewesen ist." Gut möglich, daß unsere Diskurse über alte Kunst nur jene anzunehmenden Unterhaltungen fortsetzen, die sich aus den Schriften der Kunstliteratur - lückenhaft - erschließen lassen. Projektionen mithin, aber schön sind sie doch.

Andreas Prater: "Im Spiegel der Venus". Velázquez und die Kunst, einen Akt zu malen. Prestel Verlag, München 2002. 128 S., 95 Farb- u. S/W-Abb., geb., 39,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2002

Venus im Kunstpelz
Zeit für Göttinnen: Andreas Prater umschmeichelt Velázquez’ Meisterwerk der „Venus mit dem Spiegel”, ohne ihr zu nahe zu treten
Am 10. März 1914 betrat eine unauffällig gekleidete Frau mit einem Fleischermesser die Londoner National Gallery. Ihr Ziel war das Gemälde „Die Venus mit dem Spiegel” von Diego Rodriguez de Silva y Velázquez. Die Hiebe trafen das Bildnis der Liebesgöttin an deren Hüfte, am Rücken und zwischen den Schulterblättern. Die militante Suffragette hatte sich das Objekt ihrer Attacke genau ausgesucht: Sie habe, so erklärte sie bei ihrer Vernehmung, das Bild „der schönsten Frau der mythologischen Geschichte” zerstören wollen. In ihrer Wertschätzung von Velázquez’ berühmtem Rückenakt, der erstmals im Jahr 1651 in einem Inventar auftauchte, war sich die Dame einig mit den zahllosen Bewunderern, die das delikat und mit unvergleichlichem Sfumato gemalte Werk in den vergangenen vier Jahrhunderten betrachtet haben.
Lockender Entzug
Der Reiz der „Venus mit dem Spiegel”, der sich auch heute noch in Zitaten der Werbebranche widerspiegelt, geht von ihrer physiologischen und konzeptuellen Unbestimmtheit aus: Wie Velázquez seine gesichtslose „doña desnuda” malerisch umschmeichelt, ohne ihr Geheimnis zu enthüllen, wie der Spiegel den Betrachter seiner selbst gewahr werden lässt, ohne dass das gespiegelte, aber mimisch stumme Antlitz der Schönen den Nebel der Ungewissheit verlässt, wie schließlich dieser ganze lockende Entzug von allem schmückenden Beiwerk absieht und die Szene auf die in ihrer Verführungskraft sehr irdische Göttin und ihren Sohn Amor, der den Spiegel hält, beschränkt: Diese negative Rhetorik der „Venus” hat vor allem die Poeten unter den Bildbetrachtern herausgefordert, etwa Lion Feuchtwanger, der bemerkte: „Zart, leicht, streng und elegant war diese nackte Frau gemalt, nichts Billiges war da, nichts von der grellen, lauten Lust, die von dem Weiberfleisch der Italiener und Holländer ausging.”
Auch Andreas Prater treibt in seiner Studie die mannigfaltigen Interpretationsstränge nicht durchs Nadelöhr einer ein für allemal gültigen Deutung. Aber er legt genügend ikonografische und kontextuelle Fährten, um der „Rokeby Venus”, wie sie auch genannt wird, in ihrer schillernden Vielschichtigkeit gerecht zu werden. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass kaum die Zeit, ja nicht einmal der Ort der Entstehung des Werks genau eingegrenzt werden können (wahrscheinlich hat der spanische Höfling es in Rom vollendet). Stellt dieser schweigende, bewusst unscharf gemalte Akt, der an seiner Statt Amor kommunizieren lässt, eine philosophische Reflexion über den Sehvorgang dar? Ist die intime Ansicht des Schlafgemachs ein Indiz, dass hier, wie bei Velázquez’ Vorbildern der venezianischen Hochrenaissance, eine morgendliche Toilette stattfindet? Ist die „Rokeby Venus” aus dem Geist der Hochzeitsgaben entstanden, als erotischer Fruchtbarkeitswunsch für frisch Vermählte? Prater umkreist sein Sujet, ohne es zu umzingeln; sein vorzügliches Beispiel eines Parler Peinture lässt kein doktrinäres Schlusswort zu. Doch lässt er viele verwandte Bildbeispiele durch seine Studie paradieren, so dass gleichsam nebenbei eine veritable Geschichte der Aktmalerei daraus geworden ist.
Deutlich wird auf diese Weise, dass das so genannte „Ewig-Weibliche”, auf welches das Bild der Venus heute reduziert wird, ein ungleich reicheres Begriffsfeld verdrängt hat, etwa das Verschmelzen irdischer und himmlischer Sphären in den Venusbildern der Renaissance, das Konzept des „discreto pintore”, der aus Ehrfurcht vor der Schönheit seines Sujets dieses nur in der Rückansicht zu malen wagt, oder die neuplatonische Idee der Schönheit, die das Begehren weckt und deren Bild zwischen Keuschheit und Sinnlichkeit schillert. Und schließlich ist die „Rokeby Venus”, deren vibrierende Oberflächen gegen alle damals üblichen Handwerksnormen verstoßen, auch ein Ausweis für die neu erlangte Autonomie des Künstlers am Hof von Phillipp IV. Und: Nie wieder war danach eine Venus so sehr Herrin der Situation, wie Prater am Beispiel dreier berühmter Akte so bündig wie poetisch zusammenfasst: „Giorgiones Schlummernde Venus schläft gleichsam im Wissen ihrer hoheitlichen Präsenz, Velázquez’ Venus ist hellwach, Reiters Schlafende (1849) dämmert im Dickicht von Gefühlen ... Das ist menschlicher, allzumenschlicher Schlaf. Die Zeit der Göttinnen ist zu Ende. ”
HOLGER LIEBS
ANDREAS PRATER: Im Spiegel der Venus. Velázquez oder die Kunst, einen Akt zu malen. Prestel Verlag, München 2002. 128 Seiten, 39,95 Euro.
„Nichts Billiges war da, nichts von der grellen, lauten Lust, die von dem Weiberfleisch der Italiener und Holländer ausging.”
Bild:
Prestel
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Die Aktmalerei in Zeiten der Inquisition: Bettina Erche vermittelt allerhand Wissenswertes über die Zeit, in der Velázquez lebte und malte, das sie Andreas Praters Studie "Im Spiegel der Venus" entnommen hat. Prater rekonstruiert darin die Entstehungsgeschichte eines Venus-Bildes des spanischen Malers, der die griechische Göttin als Rückenakt zeigt. Die Darstellung allen nackten Fleisches war von der spanischen Inquisition verboten worden, trägt Erche an uns weiter, nur importierte flämische oder italienische Gemälde für die königlichen Sammlungen entgingen der kirchlichen Verfolgung. Überzeugend rekonstruiert Prater die Entstehungsumstände des Bildes in Rom, meint Erche. Anders als seine italienischen Kollegen habe Velàzquez seine Venus von hinten gemalt. Das sei "spanisch gedacht", so die Rezensentin, die das Gemälde dennoch provozierend findet. Vermutlich sei das Werk ein Auftragswerk - für das Brautgemach des Sohnes - eines königlichen Günstlings gewesen und so der Inquisition entgangen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Wunderbar, wie die Farben ineinandergingen, das Perlmutt des Fleisches, das weiße Schleiertuch, das grünliche Grau des Spiegels, das dunkle Braun des Haares, die rötlich violetten Bänder des nackten Knaben, die ganz leichten Regenbogentöne seiner Flügel. Zart, leicht, streng und elegant war diese nackte Frau gemalt ..." (Lionel Feuchtwanger)