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Mit innovativen Fragestellungen und zudem aus den Perspektiven sechs verschiedener Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wird in diesem Vortragsband die zukünftige Entwicklung der europäischen Integration untersucht. Prof. Prof. Dr. José María Beneyto-Pérez zeigt Vor- und Nachteile einer europäischen Verfassung auf. Prof. Dr. Jean-Claude Gautron untersucht in seinem französischen Beitrag, ob der Vertrag von Nizza den Anforderungen einer EU-Erweiterung in Zukunft gerecht werden kann. Am Beispiel Norwegens beschreibt Prof. Dr. Hans Petter Graver die Ausdehnung des Europäischen…mehr

Produktbeschreibung
Mit innovativen Fragestellungen und zudem aus den Perspektiven sechs verschiedener Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wird in diesem Vortragsband die zukünftige Entwicklung der europäischen Integration untersucht. Prof. Prof. Dr. José María Beneyto-Pérez zeigt Vor- und Nachteile einer europäischen Verfassung auf. Prof. Dr. Jean-Claude Gautron untersucht in seinem französischen Beitrag, ob der Vertrag von Nizza den Anforderungen einer EU-Erweiterung in Zukunft gerecht werden kann. Am Beispiel Norwegens beschreibt Prof. Dr. Hans Petter Graver die Ausdehnung des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf Nichtmitglieder der Union. Prof. Dr. Gerard-René de Groot beleuchtet die Schwierigkeiten, die sich aus dem Verhältnis der Unionsbürgerschaft zu den Staatsangehörigkeiten in der Europäischen Union ergeben. Die Zukunft einer europäischen Integration durch Referenden wird durch Prof. Dr. Hjalte Rasmussen anhand dänischer Erfahrungen bewertet. Prof. Steven Weatherill geht in seinem englischen Aufsatz der Frage nach, ob es nach der Tabak-Richtlinie eine Zukunft für ein Europäisches Gemeinschaftsprivatrecht gibt. Der Band richtet sich an alle, die an aktuellen Fragen und Entwicklungen des Europäischen Integrationsrechtes wissenschaftlich interessiert sind.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.04.2003

Nur keine falsche Höflichkeit
Juli Zeh über Ansprüche von Kandidatenstaaten gegen die EU

Die Europäische Union und ihr Recht stellen ein Konglomerat aus unzähligen Bestimmungen dar, deren Unbekanntheit oft im Gegensatz zu ihrer überragenden praktischen Bedeutung steht. Zu dieser geradezu undemokratischen Schieflage trägt vor allem die Vielzahl der Akteure, aber auch die Fragmentierung und äußerliche Unscheinbarkeit ihrer Produkte bei. Normen und Institutionen addieren sich zwischen Straßburg und Brüssel zu einem ebenso dichten wie selbst für den Fachmann unübersichtlichen Konvolut. Wie groß die Bedeutung des Mehrebenen-Systems EU mittlerweile ist, illustrieren zwei kleine Schriften, die sowohl die Staaten als auch die Bürger als Rechtssubjekte des EU-Rechts thematisieren. Gemeinsam ist den Büchern, daß sie den zunehmenden Grad an Verrechtlichung der EU anschaulich machen.

Die Vorträge der Heidelberger Jean-Monnet-Vortragsreihe, die im Sammelband von Peter-Christian Müller-Graff versammelt sind, behandeln schlaglichtartig ausgewählte Fragen des Integrationsrechts. Sechs Europarechtler aus sechs Staaten haben Vorträge von recht wechselnder Qualität gehalten. Die Bandbreite spannt von einem Problemaufriß zur Europäischen Verfassung (José María Beneyto-Pérez) über die Anwendung des Binnenmarktrechts auf Nichtmitglieder (Hans Petter Graver) bis hin zu bissigen Bemerkungen über die Tauglichkeit von Referenden bei der Integration (Hjalte Rasmussen). Das alles ist so additiv, daß nicht einmal der Herausgeber den Versuch einer einleitenden Synthese gewagt hat.

Das "Integrationsrecht", von dem der Titel spricht, meint dabei die Zusammenführung von Teilen zu einem möglichst homogenen Ganzen. Zwei Varianten kann sich auch der Nichtjurist darunter vorstellen, und beide kommen innerhalb der EU vor: die Integration durch Recht und die Integration des Rechts. Will die EU ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden, sollte sie auf beiden Feldern intensiv tätig sein: Sie muß das Recht als Vehikel des Zusammenschlusses instrumentalisieren und zugleich die Normen auf einen möglichst tauglichen, kompatiblen Stand bringen.

Vielleicht ist es kein Zufall, daß die Probleme besonders in dem Aufsatz sichtbar werden, der sich mit jenem Rechtsgebiet beschäftigt, in dem der Begriff des "Integrationsrecht" von jeher sein zweites Standbein hat: dem Staatsangehörigkeitsrecht. Gerard-René de Groot problematisiert das Verhältnis der Unionsbürgerschaft zu den nationalen Staatsangehörigkeiten. Dabei wird deutlich, daß die EU einerseits großherzig eine Unionsbürgerschaft eingeführt hat, diese jedoch ihre Grenzen an den nationalen Staatsangehörigkeitsgesetzen findet. Anders als es der Wortlaut von Artikel 17 Unionsvertrag glauben macht, ist nicht jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaates unbedingt Unionsbürger. So gibt es britische Staatsangehörige, die nicht "British Citizens" sind und damit nicht Unionsbürger.

Diese Ausgrenzung war politisch gewollt, aber ist sie auf Dauer rechtlich haltbar? Nicht nur die gesetzlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten, auch die europäischen Verträge nehmen aus historischen und politischen Gründen allerlei verwirrende Ausnahmen und Abstufungen vor. Daraus ergeben sich verzwickte Rechtsprobleme, ob bestimmte Personengruppen das Freizügigkeitsprivileg aus dem EG-Vertrag besitzen. Wie die Briten ihre Overseas Citizens haben, so neigen auch andere Länder in bezug auf ihre überseeische Hoheitsgebiete zu einer Stachelschwein-Höflichkeit, die eine gewisse Distanz als Gebot der Angemessenheit preist.

Noch liegen die Erwerbs- und Verlustgründe der Staatsangehörigkeit wohlbehütet in der Hand der nationalen Parlamente, doch de Groot prophezeit zurückhaltend ihr Ende: Einerseits bestünden bereits derzeit zuhauf potentielle Konflikte mit dem geltenden EU-Recht, und andererseits steht mit großer Wahrscheinlichkeit eine Harmonisierung des Ausländer- und Asylrechts ins Haus, was ein Schritt hin zu einem einheitlichen Staatsangehörigkeitsrecht sein könnte. Europa entwickelt eine juristische Eigendynamik, die zunehmend die ursprünglichen politischen Vorbehalte einzelner Mitgliedstaaten aushebelt.

Erstaunlich ähnlich ist das Verhältnis von Recht und Politik auch beim Beitrittsverfahren für neue Mitglieder. Denn die europäische Integration erfolgt nicht nur durch eine Verdichtung der Vorschriften innerhalb der EU, und sie betrifft nicht nur die Bürger als Rechtssubjekte. Mindestens ebenso wichtig sind die Außenbeziehungen der EU zu anderen Staaten. Weil sich die EU schon vor Jahren und Jahrzehnten die Selbstausweitung als politisches Prinzip auf die Fahnen geschrieben hat, fragt Juli Zeh in ihrer Schrift nach der rechtlichen Bedeutung dieser Absichtserklärungen.

Die Juristin Zeh, bekannter als Schriftstellerin, hat ihren Band provokant "Recht auf Beitritt?" betitelt. Sie untersucht, ob die Kandidatenstaaten gar einen juristisch einklagbaren Anspruch auf Aufnahme in die EU haben. Zeh sagt, sie haben. Grundlage ihrer Argumentation sind dabei die verschiedenen, von der EU verschriftlichten Beitrittsvoraussetzungen. Artikel 49 des Maastricht-Vertrags von 1992 bestimmt, daß jeder "europäische" Staat, der bestimmte Grundsätze achtet, beantragen kann, Mitglied der Union zu werden. Zeh belegt in überzeugender Weise, aber oft etwas knapp, daß die EU hier nicht nur ein politisches Programm formuliert hat. Vielmehr habe sie die Zulässigkeitsvoraussetzungen und die materiellen Bedingungen für den Beitritt normiert. Die Staaten Ost- und Mitteleuropas hätten Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der EU über ihre Beitrittsanträge, die sie notfalls auch vor dem EuGH einklagen könnten. Die Stichworte heißen hier Vertrauensschutz gegenüber den Kandidaten und Selbstbindung der EU durch ihre bisherigen einseitigen Rechtsakte.

Als gute Juristin klammert Zeh die Sachkonflikte von der Darstellung aus, da es ihr nur um die Tatsache des Anspruchs auf Entscheidung geht, nicht um die eigentliche Ermessensausübung. Man erfährt nur soviel, daß hier einerseits die Handlungsfähigkeit der EU zu wahren ist, die bei aller Größe nicht blockiert werden darf, und andererseits die sogenannten Kopenhagener Kriterien von 1993 erfüllt werden müssen. Diese verlangen von den Kandidaten unter anderem Stabilität der Institutionen, der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrecht sowie Achtung und Schutz von Minderheiten sowie die Existenz einer funktionierenden Marktwirtschaft.

Das alles wurde von den Staaten und Regierungen als juristisch verbindliche Tatbestandsvoraussetzung für die Aufnahme formuliert und mit Verfahrensnormen ausgestaltet. Die Antragskandidaten werden die Regeln so aufmerksam gelesen haben, wie es Zehs Interpretation ihnen nahelegt. Der politische Entscheidungsspielraum ist durch juristische Selbstbindungen eingeschränkt worden, die Erwartungshaltungen geschürt haben. Für eine unverbindliche Stachelschwein-Höflichkeit ist bei der Ost-Erweiterung nun kein Raum mehr.

MILOS VEC

Juli Zeh: "Recht auf Beitritt?" Ansprüche von Kandidatenstaaten gegen die Europäische Union. Schriften des Europa-Instituts der Universität des Saarlandes, Rechtswissenschaft, Band 41. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2002. 91 S., br., 19,- [Euro].

Peter-Christian Müller-Graff (Hrsg.): "Europäisches Integrationsrecht im Querschnitt". Europäische Verfassung, Nizza, Europäischer Wirtschaftsraum, Unionsbürgerschaft, Referenden, Gemeinschaftsprivatrecht. Heidelberger Schriften zum Wirtschaftsrecht und Europarecht, Band 10. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2002. 113 S., br., 19,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Selbst Fachleute, weiß Milos Vec, sehen nicht immer durch im europäischen Recht: zu viele Ebenen, zu viele Akteure, und dann auch noch die verschiedenen nationalen Rechtsbestimmungen, mit denen die europäischen in eine Übereinstimmung gebracht werden sollen. Fest steht, die EU wird immer mehr zu einem rechtlich verankerten System - das mache auch dieses Büchlein deutlich, das sechs Beiträge zum Thema Integrationsrecht versammelt. Integrationsrechtler, erklärt Vec, sind für die "Zusammenführung von Teilen zu einem möglichst homogenen Ganzen" verantwortlich, also dafür, das schwer zu durchschauende Rechtsgebilde EU auszulegen und zu vereinheitlichen. Es ist für unseren Rezensenten daher kein Wunder, dass die Qualität der Beiträge so unterschiedlich ist und dass der Herausgeber sich an einer "einleitenden Synthese" noch nicht einmal versucht. Was bleibt, sei die Erkenntnis, dass eine europäische Rechtlichkeit im Entstehen sei, die nationale politische Erwägungen zunehmend dominiere - wenn auch auf schwer zu durchschauende Weise.

© Perlentaucher Medien GmbH