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Das stereotype Frauenbild im Rundfunk ist seit längerer Zeit Gegenstand medienpolitischer Debatten und sozialwissenschaftlicher Forschung. Die Studie unterzieht die mit der klischeehaften Darstellung von Frauen verbundene Problematik erstmals einer umfassenden rechtlichen Analyse. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rundfunkfreiheit entwickelt die Autorin das Gebot zur Schaffung geschlechtsspezifischer Vielfalt, das auf die Vermeidung von Geschlechtsrollenklischees in den Programmen des Rundfunks abzielt. Sie untersucht die Umsetzung dieses Verfassungsgrundsatzes in Recht…mehr

Produktbeschreibung
Das stereotype Frauenbild im Rundfunk ist seit längerer Zeit Gegenstand medienpolitischer Debatten und sozialwissenschaftlicher Forschung. Die Studie unterzieht die mit der klischeehaften Darstellung von Frauen verbundene Problematik erstmals einer umfassenden rechtlichen Analyse.
Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rundfunkfreiheit entwickelt die Autorin das Gebot zur Schaffung geschlechtsspezifischer Vielfalt, das auf die Vermeidung von Geschlechtsrollenklischees in den Programmen des Rundfunks abzielt. Sie untersucht die Umsetzung dieses Verfassungsgrundsatzes in Recht und Praxis der öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanstalten sowie im Bereich der Rundfunkaufsicht. Unter Berücksichtigung der langjährigen und vielfältigen Erfahrungen des kanadischen Rundfunkrechts mit "gender stereotypes" entwickelt sie Vorschläge für eine künftige Regulierung in Deutschland.
Mit dem Konzept einer dynamisch-reflexiven Regulierung bietet die Autorin erfolgversprechende Ansätze für die Vermeidung von Geschlechtsrollenklischees im Rundfunk.
Die Studie wendet sich damit an Rundfunkrechtler und Medienwissenschaftler, sie versteht sich aber auch als Beitrag zur Diskussion in Rundfunkanstalten und Aufsichtsgremien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.12.2001

Na ja, Frauen! Zu kleines Vokabular
Wer immerzu von Gleichheit redet, demonstriert nur Ungleichheit: Zwei Studien zu den Paradoxien der organisierten Emanzipation

Wer über Gleichstellungspolitik spricht, muß Bilanzen des Scheiterns ziehen. So jedenfalls der Eindruck von zwei kundigen Arbeiten, die die deutsche Problemlage analysieren und neue Mittel zur Gleichstellung empfehlen. Annette von Kalckreuth beobachtet dabei das Recht, Margit K. Epstein die Sprache als Hebel, um das verfassungsmäßige Gleichberechtigungsgebot Wirklichkeit werden zu lassen.

Wer immer schon ahnte, wie trist es um das Frauenbild des Fernsehens bestellt ist, findet bei Annette von Kalckreuth reichlich Material. Mit sicherem Griff zitiert sie empirische Analysen, die den Eindruck des kritischen Zuschauers von den verheerenden Zuständen noch weit übertreffen: Das Fernsehen sexualisiert Frauen zunehmend; es zeigt sie in Rollen unterwürfiger Weiblichkeit und sexueller Verfügbarkeit. Sexuelle Belästigung wird in Soap Operas und Sitcoms verharmlosend präsentiert.

Frauen wird eine niedrigere moralische Kompetenz als Männern attestiert, Männern hingegen zugeschrieben, daß sie sich, statt nur ihr persönliches Glück und zwischenmenschliche Harmonie zu suchen, um Gemeinwohlbelange sorgen und für ein Rechtsdenken einsetzen. Im Vergleich zu diesem Ensemble abstoßender inhaltlicher Schematisierungen erscheint die prozentuale Unterrepräsentation der Frauen auf dem Bildschirm und in den Fernsehredaktionen noch als das geringste Übel. Als Juristin teilt uns Annette von Kalckreuth mit, daß das juristisch nicht in Ordnung ist. Es gibt Schutzpflichten des Rundfunks für den Prozeß der Gleichberechtigung und das Vielfaltsgebot. Die öffentlich-rechtlichen Sender stehen besonders in der Pflicht.

Bei den Privaten ist die Lage komplizierter. Aber auch bei ihnen gibt es Programmgrundsätze und -verbote, manche Sender haben Frauenbeauftragte eingesetzt und Antidiskriminierungsgrundsätze unterschrieben. Es gehört zu den überraschenden Ergebnissen der Arbeit, wie beide Rundfunksysteme die Normen in der Praxis ausmanövrieren. Was die Privaten strukturell schon auf der Ebene der Normsetzung unterlassen, verschwindet beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf der Ebene der Kontrolle und Normdurchsetzung sang- und klanglos. Von Kalckreuth berichtet, daß bei pornographischen Darstellungen kaum je eine Verletzung der Menschenwürde der Frau in Betracht gezogen wird, sondern immer nur der Jugendschutz.

In den Aufsichtsgremien sind Fraueninteressen als solche nicht vertreten. Die Frauenbeauftragten erhalten keine Kenntnis von Zuschauerbeschwerden über Rollenklischees im Programm. Klare Verfahren sind nicht vorgesehen, Sanktionen bei Verstößen nicht geregelt. Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen der Privaten wiederum hat keinen Sinn für die Diskriminierung von Frauen. Eine Gleichstellungspolitik, die auf diese Instrumente setzt, hat es schwer, da sie eigentlich für andere Zwecke geschaffen wurden. Von Kalckreuth erörtert sorgfältig, wie mühsam Änderungen durch Recht auch künftig sein werden.

Was bei von Kalckreuth als Hoffnung für die Zukunft bleibt, sind gezielte Sensibilisierungen, etwa durch Schulungen des Personals. Die Kamera und die Bildregie beispielsweise müssen die Wahl ihrer Bildausschnitte und Perspektiven überprüfen; denn auch über Froschperspektive und Ganzkörperaufnahmen werden Geschlechtsrollenklischees fortgeschrieben. Der Rest der Empfehlungen des Buches ist so differenziert wie konventionell. Von Kalckreuth setzt auf eine verbesserte Selbstkontrolle, auf die Entsendung von Frauenvertreterinnen sowie auf Frauenquoten- und -förderpläne.

Ob der gute Wille gleich von selbst das richtige Mittel findet, mag nach der Lektüre von Margit K. Epsteins origineller Studie mit Fug und Recht bezweifelt werden. Denn auch das Werkzeug der klassischen Institutionen der Gleichstellungspolitik sind vor allem Texte, und sie werfen eigene Fragen auf. Epstein zieht einunddreißig öffentliche Texte zum Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetz aus den Jahren 1990 bis 1994 heran. Sie analysiert einerseits den Wortlaut der Pressemitteilungen des Frauenministeriums, einer in ihren Worten "staatsfeministischen Institution", sowie andererseits die Berichterstattung der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und der Neuen Presse. Epsteins Studie ist keine leichte Kost; sie verprellt den Leser trotz ihrer Kürze mit Redundanzen, neigt zu technokratischer Sprache und zitiert Bücher gerne ohne Seitenzahl.

Epstein liest unter vier Aspekten: Sie fragt danach, welche expliziten Nennungen der Geschlechterkategorien es gibt, welche impliziten Positionszuweisungen vorkommen, welche Tätigkeiten welcher Geschlechterkategorie zugeordnet werden, und schließlich, welche sozialen Orte und Personen mit den Geschlechtern in Beziehung gesetzt werden. Dabei stellt sich heraus, daß das konservative Geschlechterbild der Medien hier, wo man eigentlich feministische Entwürfe vermuten müßte, in durchaus pikanter Weise fortgesetzt wird.

Denn auch in den zehn Texten des Ministeriums erscheinen Frauen nach Epsteins filigraner Argumentation als stumme, kollektive Gruppe. Sie bleiben nicht nur grammatikalisch passiv. "Männer" behalten die Definitionsmacht, sie besetzen die Institutionen und handeln als aktive Subjekte. Die Familie wird nur bei den Frauen erwähnt. Die einzig aktiv handelnde Kategorie im Lager der Frauen ist Frauenministerin Waltraud Schoppe, und sie ist - so die Beobachtung Epsteins - mit anderen Personen oder Institutionen "diskursiv unvernetzt". Gleichstellung wird in den Texten auf ein persönliches Anliegen der Ministerin verkürzt: Der feministische Fortschritt kommt bloß Schoppe für Schoppe.

Die einundzwanzig von Epstein analysierten Zeitungsartikel wiederum inszenieren und banalisieren die Gleichstellungspolitik als emotionales Drama zwischen den Geschlechtern. Gleichstellungspolitik wird zur Frauensache, sowohl auf der Seite der Akteurinnen als auch in bezug auf den Inhalt. Den Bürger erreicht das Gleichstellungsanliegen in einer zweifachen Brechung: Was die Ministerialbürokratie in ihrem Trott formuliert, kommt nochmals durch das sprachlich-gesellschaftliche Sieb der lokalen Tagespresse und ihrer Normen. Beide zusammen unterlegen die avancierten Gleichstellungsprogramme sprachlich mit traditionellen Rollenklischees.

Epstein mahnt für die öffentliche Rede an, sie solle die konkreten sozialpolitischen Absichten und ethischen Wertvorstellungen vermitteln, die hinter dem Gesetz stehen. Zugleich verweist sie - leider sehr knapp - auf die politikwissenschaftlichen Einsichten über die Notwendigkeit eines allgemeinen sozialen Konsenses für so umfassende regulative Programme wie die Gleichstellung. Die von der Autorin beklagte Passivierung, Vereinzelung und Entkontextualisierung der Kategorie "Frau" in den öffentlichen Verlautbarungen ist insofern bedauerlich, aber realitätsnah. Umgekehrt klingt Epsteins abschließende Vision, in welcher Frauenministerium, deutscher Frauenrat und die Gewerkschaften sprachlich Arm in Arm marschieren, nach verordneter Solidarität und angestaubtem Politik-Bürokratismus. Ihre Arbeit konvergiert mit der von Kalckreuth trotz ihres unterschiedlichen Gegenstands also in einem verhaltenen Pessimismus, der freilich hier wie dort nicht überzeugt.

Denn Steuerung durch Rechtsprogramme und Sprachregelungen ist bei allen Mängeln so wirkungslos nun doch nicht. Beide Arbeiten beschreiben vielmehr einige strukturelle Durchsetzungsschwächen jener Mittel, auf die moderne Gesellschaften bei der Implementation ihrer politischen Programme setzen. Natürlich erscheinen diese Mittel um so langsamer und ineffektiver, je höher die Erwartungen sind, die man an sie knüpft. Inwieweit die präzise beschriebenen Leistungsdefizite ein Problem sind, das besonders die Gleichstellungsbemühungen trifft, wüßte man gerne.

MILOS VEC.

Margit K. Epstein: "Sprache macht Geschlecht". Die Kategorien "Mann" und "Frau" in Texten zur Gleichstellungspolitik. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2000. 210 S., br., 54,- DM (29,65 ).

Annette von Kalckreuth: "Geschlechtsspezifische Vielfalt im Rundfunk". Ansätze zur Regulierung von Geschlechtsrollenklischees. Schriften zur Gleichstellung der Frau, Bd. 24. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2000. 245 S., br., 78,- DM (39,88 ).

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Wer über Gleichstellungspolitik spricht, muss Bilanzen des Scheiterns ziehen." So kategorisch beginnt Milos Vec seine Rezension zum Thema der Gleichstellung von Mann und Frau in Medien und Politik .Es steht recht trist um das Frauenbild im Fernsehen - so viel lässt sich aus Vecs zustimmender Rezension zu Annette von Kalckreuths Untersuchungen entnehmen. Danach werde das Frauenbild zunehmend wieder sexualisiert. Pornografische Darstellungen würden allenfalls aus Jugendschutzgründen problematisiert, nicht aber weil sie die Würde der Frau beschädigen. Sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Anstalten hätten ein ganzes Arsenal von Methoden entwickelt, um selbstgesetzte Normen des Frauenschutzes auszumanövrieren. Auch in den Gremien der Sender würden Frauenbeauftragte kaum an Entscheidungen beteiligt. Insgesamt folgt Vec den Ergebnissen Kalckreuths und meldet allenfalls bei ihren Schlussfolgerungen leise Zweifel an: Sie wolle das Problem mit juristischen Methoden beheben, scheine dabei aber gleichzeitig pessimistisch. Und diesen Pessimismus möchte Vec, der juristische Mittel für durchaus effizient hält, nicht teilen.

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