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Als europäischer Historiker des 19. Jahrhunderts übt der Basler Jacob Burckhardt bis heute eine ungebrochene Faszination aus. Burckhardt war mehr als ein politischer Historiker, er war Kulturhistoriker und Pionier der Kunstgeschichte - aus einer riesigen Photosammlung hat er ein erstes musée imaginaire geschaffen. Das vorliegende Portrait zeigt das vielschichtige Werk in seinen Spannungen und Polaritäten: Kritisch wendet sich Burckhardt gegen die Aufbruchstimmung seiner Zeit, gegen Fortschrittsoptimismus und Demokratisierung, gegen Massenkultur und Nationalismus. Bei ihm, dem konservativen…mehr

Produktbeschreibung
Als europäischer Historiker des 19. Jahrhunderts übt der Basler Jacob Burckhardt bis heute eine ungebrochene Faszination aus. Burckhardt war mehr als ein politischer Historiker, er war Kulturhistoriker und Pionier der Kunstgeschichte - aus einer riesigen Photosammlung hat er ein erstes musée imaginaire geschaffen. Das vorliegende Portrait zeigt das vielschichtige Werk in seinen Spannungen und Polaritäten: Kritisch wendet sich Burckhardt gegen die Aufbruchstimmung seiner Zeit, gegen Fortschrittsoptimismus und Demokratisierung, gegen Massenkultur und Nationalismus. Bei ihm, dem konservativen Denker, gingen auch Antimodernismus und Antisemitismus Hand in Hand. Diese erste, an ein großes Publikum adressierte Biografie und komplette Werkschau mit zum Teil nie gesehenen Bildern offenbart: Burckhardt ist alles andere als ein grauer Fachgelehrter gewesen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.12.2009

Mitten in die Ereignisse gestellt
Jenseits der Verehrungsfront: Kurt Meyer porträtiert Jacob Burckhardt
Ein Biograph des Schweizer Kultur- und Kunsthistorikers Jacob Burckhardt hat es leicht und schwer zugleich. Leicht, weil er auf einen umfangreichen Nachlass zurückgreifen kann, der innerhalb einer hervorragenden kritischen Edition der Verlage C. H. Beck in München und Schwabe in Basel zugänglich gemacht wird. Zudem hat ihm ein Vorgänger, nämlich Werner Kaegi, die meisten Hindernisse aus dem Weg geräumt. Auf knapp 4000 Seiten findet ein Biograph bei Kaegi eine authentische, die knapp achtzig Lebensjahre Burckhardts quasi Tag für Tag rekapitulierende Nacherzählung vor, die ihn allerdings von allem menschlichen Maß entrückt. Es ist üblich geworden, Kaegi für die Nähe zu seinem Helden zu schelten und auf kleinere und größere Fehler hinzuweisen, doch noch jeder Interpret hat sich bei ihm bedient.
Warum aber hat es der Biograph schwer? Es mag merkwürdig klingen, aber Burckhardt wurde schon immer gelobt. Ein eigenständiges kritisches Urteil will folglich hart erarbeitet sein, denn es steht einer massiven Verehrungsfront gegenüber. Seit gut hundert Jahren erschallen Stimmen, die versichern, dass der Historiker Griechenlands und Roms noch gar nicht in seiner „wirklichen” Bedeutung erkannt sei. Das gelte nicht minder für sein Verständnis der Renaissance und die Kritik an der Logifizierung der Geschichte im deutschen Idealismus. Die fein gewobenen Porträts großer Männer seien in ihrer psychologischen Verdichtung Meisterwerke eines verschwundenen Denk- und Schreibstils europäischen Ausmaßes. Das konnte man schon 1927 in der Neuen Rundschau nachlesen und heute erklingt der Chor von Burckhardts Anhängern mächtiger denn je. Doch gutgetan hat der Forschung diese Harmonie noch nie.
Große Augenblicke
Seit jeher treten leichtfertige Epigonen auf, die Burckhardt zum Idol verklären, die sich und ihre Leser mit behutsamer Quellenkenntnis und urteilsfreudigem Erzählen auf die saftigen Wiesen der Geschichte zurückführen möchten. Große Augenblicke, die immer und immer wieder festgehalten zu werden verdienten, die jenseits aller Erfahrung zu außerordentlichen Verdichtungen von Geist und Macht führten, enthielten das Eigentliche der Geschichte. Der Wunsch, dass dies so gewesen sein möge, ist verständlich, doch mehr auch nicht.
Schon Friedrich Meinecke war das verdächtig. Ganz gewiss möchte man sich heute, nach all den Jahren, in denen der Bielefelder Schule-Stempel „Dieses Buch ist theoriegesättigt!” höchste Qualität versprach, endlich dem Verlangen nach ziselierten Urteilen und kraftvollen Strichen einfach nur hingeben. Dass da eine riesige Gefahr lauert, sollte man allerdings im Hinterkopf haben. Denn Burckhardts Schriften taugen nicht zur Nachahmung, hinterließ er doch keine Rezepte fürs Geschichteschreiben. Und seine Abstinenz in systematischen Fragen verdankt sich nicht nur seiner Lebensklugheit, sondern auch mangelnder Kenntnis möglicher Alternativen. Aus diesen guten Gründen endeten die Versuche, Burckhardt als Gründungsvater einer neuen Kulturwissenschaft auszurufen und ihn so gegen den auf manchem gemeinsamen Acker arbeitenden Aby Warburg auszuspielen, allesamt in fruchtlosen Überbietungsgesten.
Nun hat der Schweizer Publizist Kurt Meyer eine Biographie vorgelegt, die sich einigen der genannten Herausforderungen stellt. Mit seinem Buch liegt eine gediegene Einführung vor, die zuverlässig die Lebens- und Werkstationen abschreitet. Burckhardts Auseinandersetzungen mit den politischen Verhältnissen, seine Aufenthalte in Deutschland, Belgien und natürlich Italien werden ebenso referiert, wie die wichtigsten Thesen der Schriften. Die Zitate sind allesamt gut ausgewählt, man bekommt Lust, Burckhardt aufzuschlagen und sich von dessen Berichten mitten in die Ereignisse stellen zu lassen. Die Helden sind „tragisch”, die Stadt befindet sich vor dem Ausbruch der Unruhen im „Fieber”. Große Bewunderung erfährt der Kunstbetrachter, der sich mit klaren (Vor-)Urteilen den italienischen Meistern, ihrer Größe und ihrem Scheitern wortmächtig aussetzte.
Schmaler geht es auch
Doch Meyer verweilt nicht bei schönen Stellen, sondern benennt deutlich das Zeitbedingte in Burckhardts Schaffen. Gerne hat er kompiliert und abgeschrieben, jedoch auch nie an eine Veröffentlichung dieser Manuskripte gedacht. Unter den nachgelassenen Schriften ist die über das „Revolutionszeitalter” die mit weitem Abstand bedeutendste. Die Aufklärungs- und Modernekritik ist weder argumentativ ausgeführt, noch hebt sie sich von der allgemeinen bürgerlichen Verunsicherung ab, wenn Neues hervortritt.
Schon Hans Liebeschütz hat vor über vierzig Jahren behutsam Burckhardts Antisemitismus verurteilt, seitdem beschäftigt sich die Forschung damit. Meyer findet auch hierzu deutliche Worte. Überhaupt ist er um Klarheit bemüht, zitiert kompetente Stimmen, wenn das eigene Wissen an Grenzen gerät. Nach Kaegis magistraler Arbeit zeigt Kurt Meyers Buch, dass es auch schmaler geht. Eine große intellektuelle Biographie für unsere Zeit steht gleichwohl noch aus. Vielleicht auch deshalb, weil das Leichte und Schwere in Burckhardts Leben und Werk einen Erzähler von außerordentlichem Rang benötigen würde. THOMAS MEYER
KURT MEYER: Jacob Burckhardt. Ein Porträt. Wilhelm Fink Verlag, München 2009. 286 Seiten, 24,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Angetan zeigt sich Rezensent Urs Hafner von Kurt Meyers "einfühlsamem Porträt" des Schweizer Historikers Jacob Burckhardt. Dem Autor gelingt es in Hafners Augen nämlich, dem "Monument Burckhardt" menschliche Züge zu verleihen. Dass Meyer nicht erst den Anspruch erhebt, ein "geschlossenes Bild" des berühmten Kulturhistorikers zu liefern, scheint ihm durchaus begrüßenswert. Besonders schätzt Hafner die "unprätentiöse" Art, mit der Meyer sich dem Autor und seinem Werk nähert. Die Sympathie des Autors für den Kulturpessimismus des Porträtierten führt laut Hafner auch nicht dazu, dass die reaktionären Seiten dieses "konservativen Nonkonformisten" ignoriert werden.

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