Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 57,30 €
  • Gebundenes Buch

Wie sehr sich der buchstäbliche Sinn der Souveränität seit den Tagen Bodins und Hobbes' verdunkelt haben mag, die Figur der Souveränität hört nicht auf, auch moderne, 'dezentrierte' Gesellschaften, die die souveräne Macht dem Gesetz der Gewaltenteilung unterwerfen, heimzusuchen. Souveränität verweigert sich nicht nur hartnäckig der Historisierung, sondern zugleich auch der Alternative von moralischer Affirmation oder Verwerfung. Souveräne sind nicht bloß ausgezeichnete öffentliche Amts- und Würdenträger oder diejenigen, die sie mit souveräner Macht investieren. Die souveräne Funktion ist in…mehr

Produktbeschreibung
Wie sehr sich der buchstäbliche Sinn der Souveränität seit den Tagen Bodins und Hobbes' verdunkelt haben mag, die Figur der Souveränität hört nicht auf, auch moderne, 'dezentrierte' Gesellschaften, die die souveräne Macht dem Gesetz der Gewaltenteilung unterwerfen, heimzusuchen. Souveränität verweigert sich nicht nur hartnäckig der Historisierung, sondern zugleich auch der Alternative von moralischer Affirmation oder Verwerfung. Souveräne sind nicht bloß ausgezeichnete öffentliche Amts- und Würdenträger oder diejenigen, die sie mit souveräner Macht investieren. Die souveräne Funktion ist in einem gewissen Vermögen verankert, in der Fähigkeit, das Gesetz zu geben oder es im Ausnahmefall zu suspendieren. Souveräne Macht kann aber auch im Widerspruch und in der Manifestation gegen eine bestimmte institutionalisierte Herrschaftsordnung zum Ausdruck kommen, in der Beanspruchung einer Gleichheit durch diejenigen, die ungleich sind oder denen ein gleicher Anteil an der politischen Ordnung verweigert wird. Die Untersuchungen spannen einen Bogen, der von den klassischen Texten der antiken politischen Philosophie über die frühneuzeitlichen Souveränitätslehren bis hin zur politischen Ontologie Martin Heideggers reicht. Da die rechtsetzende Gewalt mit den Techniken der vorgängigen Figuralisierung oder Sichtbarmachung eines Raumes sowie mit der Entwicklung komplexer expressiver Codes, Wissensformen und Subjektivierungstechniken verbunden ist, wird die Lektüre der philosophischen Texte durch die Analyse solcher literarischen Werke (Sophokles, Shakespeare, Montaigne, Racine, Kafka) ergänzt, in denen die Probleme und Aporien, die Widersprüche und Störungen der politischen Verkörperung auf eine zugespitztere Weise verhandelt werden als in der politischen Theorie.
Autorenporträt
Prof. Dr. phil. Friedrich Balke ist Professor für 'Geschichte und Theorie künstlicher Welten' an der Fakultät Medien der Bauhaus-Universität Weimar. Seine Forschungsschwerpunkte sind Medien- und Kulturtheorie, Französische Gegenwartsphilosophie, Wissenschaftsgeschichte und Biopolitik.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.01.2010

Der Mensch, die Schlange, der Elefant – und immer wieder der Wolf
Wie Jacques Derrida einen Zoo politischer Tierfiguren eröffnete: Zur florierenden philosophischen Literatur über Souveränität, Macht und Biopolitik
Sind Tiere politische Wesen? Oder, umgekehrt gefragt, bezeichnet die Fähigkeit, in einer politischen Gemeinschaft zu leben, die Schwelle vom Tier zum Menschen? Mit Aristoteles’ berühmter Kennzeichnung des Menschen als ein politisches Lebewesen trat diese Frage auf die Bühne der Philosophie – und sie wurde zuletzt durch die Unterscheidung des italienischen Philosophen Giorgio Agamben zwischen einem „nackten” und einem „politisch qualifizierten” Leben in das Zentrum aktueller Debatten gerückt.
In seinem letzten Seminar aus den Jahren 2001 bis 2003 widmete sich der französische Philosoph Jacques Derrida, der 2004 verstorben ist, unter dem Titel „Das Tier und der Souverän” in einer Reihe von Einzelinterpretationen den unterschiedlichsten Szenarien, in denen sich die Wege von Mensch und Tier kreuzen – von politischen Herrschern wie von Königen des Tierreichs. Tatsächlich begegnet dem Leser dieser bisher nur auf Französisch erschienenen Seminar-Aufzeichnungen im Laufe der Lektüre nichts weniger als ein ganzer Zoo politischer Tierfiguren – von der Schlange über den Elefanten bis zum Löwen, und natürlich taucht dabei zuerst und immer wieder der Wolf auf, in der berühmten Wendung des römischen Komödiendichters Plautus, wonach ein Mensch dem anderen als solcher gegenübertrete.
Dabei wird das Feld der politischen Tiermetaphorik im Laufe von Derridas Untersuchung zunehmend unübersichtlich: Ist der Mensch selbst ein Tier, das zum Zwecke der Vergemeinschaftung gezähmt und dessen natürliche Instinkte in Schach gehalten werden müssen? Oder muss die höchste Macht im Staate, die des Souveräns, zu ihrer Durchsetzung nicht auch etwas von der ungebändigten Kraft der Tiere besitzen, wie Derrida anhand einer Interpretation von Machiavellis „Fürsten” fragt: Überwindet die Staatlichkeit die naturwüchsige Logik vom Recht des Stärkeren – oder benötigt das Recht nicht vielmehr zu seiner Durchsetzung immer auch eine Form von Gewalt? Fragen zum Zusammenhang von Recht, Macht und Gewalt hatten Derrida seit den späten achtziger Jahren in unterschiedlicher Form beschäftigt, sei es in seinen Interpretationen von Walter Benjamin und Carl Schmitt zur „Gesetzeskraft”, sei es in seiner Kritik an der internationalen Politik, die im Interesse hegemonialer Bestrebungen sogenannte Schurkenstaaten aus der internationalen Gemeinschaft ausgrenzt und mit Waffengewalt angreift. In der hier aufgerufenen Tiermetaphorik finden diese Überlegungen ihre Fortsetzung, indem sie auf aufschlussreiche Weise mit weiteren Strängen der aktuellen Diskussionen um das Thema der Souveränität verknüpft werden.
Ausgangspunkt ist auch bei Derrida die klassische Frage der politischen Ideengeschichte nach dem Ort der höchsten politischen Gewalt, die ein Kennzeichen von Staatlichkeit schlechthin darstellt. Derrida setzt bei den Stichwortgebern für die neuzeitliche Souveränitätstheorie, bei Bodin oder Hobbes an, auch wenn deren Werke, wie er einschränkend anmerkt, in starker Weise von den politischen Turbulenzen ihrer eigenen Zeit geprägt sind. Wenn er dennoch am Konzept der Souveränität festhalten will, so ergibt sich das gewissermaßen ex negativo aus seiner Diagnose der gegenwärtigen politischen Situation. Denn dass die ökonomischen und politischen Grundlagen des modernen Nationalstaates brüchig werden, dass wir uns, so schließt sich Jacques Derrida zumindest auf der deskriptiven Ebene Carl Schmitts Überlegungen an, in einer Zone der Entpolitisierung und Neutralisierung bewegen, soll nicht das letzte Wort zur Möglichkeit von politischem Eingreifen bedeuten. Dekonstruktion heißt hier also, das Konzept der Souveränität nicht zu verabschieden, sondern dessen unterschiedliche Formen und Logiken aufzuzeigen.
Eine dieser Formen, die durch das Aufgreifen der Tiermetaphorik teils untergründig, teils ausdrücklich mit aufgerufen wird, ist Michel Foucaults folgenreiches Konzept der Bio-Politik. Damit ist die Tatsache bezeichnet, dass seit dem 18. Jahrhundert die Körper der Untertanen und die Bevölkerung als Gesamtheit zum Gegenstand der administrativen Regulierung wurden. Foucault nahm Prozesse in den Blick, die parallel zur oder unterhalb der Ebene der staatlichen Gesetzgebung elementare biologische Vorgänge wie Geburt, Tod, Reproduktion oder die Gesundheit der Bevölkerung steuerten. Seine Entzifferung dieser gesonderten Machttechnologien warf immer wieder die Frage nach deren innerer Zusammengehörigkeit auf, um schließlich sogar zum Ausgangspunkt von Agambens Überlegungen in „Homo sacer” zu werden. Dessen Antwort darauf ist eben die Theorie des „nackten” Lebens, über das die souveräne Macht verfügt, das sie aber gleichzeitig aus sich heraus erzeugt, und worin Agamben konsequent die verschiedenen Souveränitätsformen in eine, umfassende verschmilzt.
Man wird aus Derridas Feder wohl kaum eine vehementere Kritik lesen können als die an Agambens forcierter Unterscheidung zwischen bios und zoe, gedacht als Ergänzung und Berichtigung Foucaults. „Armer Foucault!”, entfährt es Derrida an einer Stelle, „Hatte er je einen grausameren Bewunderer?” Die Annahme einer vor- oder unpolitischen Kreatürlichkeit hält er mehr oder minder unumwunden für biologistisch. Stattdessen, so sein Fazit, nachdem er Agambens Argument im Detail zerpflückt hat, ist der Mensch nach der aristotelischen Definition als zoon politikon ein unmittelbar auf die Politik angelegtes Wesen. Das Tier taucht dagegen in der titelgebenden Paarung mit dem Souverän sozusagen als Grenzwert des Menschlichen nach unten auf, denn nur im Menschen können sich Dummheit (französisch: bêtise) und Bestialität vereinen.
Originell ist an Derridas Überlegungen weniger die Tatsache, dass er politische Tiermetaphern aufgreift, und viele seiner Thesen sind im Grunde nicht neu. Originell ist vor allem, lässt man sich auf das Umwegige seines Vortrags ein, der Parcours, auf dem die bekannten Theorien abgeschritten und in neue Perspektiven gerückt werden. Ähnlich ergeht es einem bei der Lektüre der umfangreichen Habilitationsschrift des Weimarer Philosophen Friedrich Balke, deren Einzelstudien zur Antigone, zu Hobbes, Heidegger oder Kafka lose unter der Überschrift „Figuren der Souveränität” zusammengehalten werden. Auch Balke geht es darum, die klassischen Theorien monarchischer Gewalt und die Souveränitätspraktiken moderner Staaten gemeinsam in den Blick zu bekommen. Eine stärkere inhaltliche Fokussierung, etwa auf die im Zusammenhang mit Bodin und Hobbes behandelten Fragen der Repräsentierbarkeit und Sichtbarkeit der Macht, wäre im Hinblick auf die Vielzahl der behandelten Aspekte allerdings wünschenswert gewesen. Andererseits führt die fast leitmotivische Verwendung des Konzepts der Biopolitik weniger zu einer thematischen Bündelung, als vielmehr zu teilweise unplausiblen Interpretationen, so wenn Balke Heideggers Todesverständnis mit der Konzeption des französischen Anatomen Xavier Bichat kurzschließt. Etwas gewaltsam nimmt sich auch seine Hobbes-Interpretation aus, wo er zu dem Ergebnis kommt, dessen politische Theorie sei „in einem fundamentalen Sinne Biopolitik”, „da sie den Souverän mit der Aufgabe betraut, die ,bloße Existenz‘ der Bürger zu schützen und sie zu diesem Zweck zu allererst als ,nacktes Leben‘ zu konstituieren”. Vielleicht wird daran aber auch nur deutlich, dass die in den letzten Jahren florierende Literatur zum Themenkreis um Souveränität, Macht und Biopolitik mittlerweile den Punkt ihrer maximalen Ausdehnung erreicht hat. SONJA ASAL
FRIEDRICH BALKE: Figuren der Souveränität. Verlag Wilhelm Fink, München 2009. 545 Seiten, 58 Euro.
JACQUES DERRIDA: Séminaire La bête et le souverain. Volume I (2001-2002). Éditions Galilée: Paris 2008. 469 Seiten, 33 Euro.
„Armer Foucault!”, entfuhr es Derrida in seinem letzten Seminar, als es um Giorgio Agamben ging
Die Theorien souveräner Gewalt und die Praxis moderner Staaten sind gemeinsam zu betrachten
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.11.2010

Wer über die Herzen der Untertanen gebietet

Politische Macht hat viele Gesichter: Friedrich Balke untersucht, was die neuzeitlichen Souveränitätslehren von ihren mittelalterlichen Vorgängertheorien unterscheidet.

Das Bild, das Hegel, der vermeintliche Apologet des preußischen Obrigkeitsstaates, von der Rolle des Herrschers zeichnet, ist wenig schmeichelhaft. Der Monarch sei nichts weiter als "ein mehr oder weniger abstrakter Mittelpunkt innerhalb für sich bereits ausgebildeter und durch Gesetz und Verfassung feststehender Einrichtungen". Nicht anders als der letzte seiner Untertanen gehöre er einer bestehenden Ordnung der Gesellschaft an und erscheine daher "nicht als die selbständige, totale und zugleich individuell lebendige Gestalt dieser Gesellschaft selber, sondern nur als ein beschränktes Glied derselben".

Auf den ersten Blick liegt ein Abgrund zwischen Hegels Verbeamtung des Herrschers und dem anderthalb Jahrhunderte früher von Hobbes entworfenen Modell einer absorptiven Repräsentation der Bürger durch den Souverän. Der um Verfallsdiagnosen niemals verlegene Carl Schmitt hat die auf Hobbes folgende politische Philosophie denn auch der inneren Aushöhlung des mächtigen Leviathan geziehen. Eine eindrucksvolle Gegenerzählung zu dieser wirkmächtigen Dolchstoßlegende legt der Weimarer Kulturphilosoph Friedrich Balke vor.

Was die neuzeitlichen Souveränitätslehren von ihren mittelalterlichen Vorgängertheorien unterscheidet, ist, wie Balke hervorhebt, ihr Ausgangspunkt: das Volk. "Wie absolut die Macht des Fürsten auch immer sein mag: Er verdankt sie weder einfach sich selbst noch göttlicher Berufung, sondern einem Akt der Einsetzung durch diejenigen, die ihm im Anschluss an diesen, wie auch immer im einzelnen vorgestellten Vorgang unterworfen sind." Dies beinhaltet einen geltungstheoretischen Primat der Volkssouveränität gegenüber der Herrschersouveränität. "Das Volk wird einmal souverän gewesen sein müssen, um sich anschließend für immer in einer anderen Person verkörpern zu können."

Ist es aber ernsthaft plausibel, dem Volk den Willen zu seiner politischen Selbstentmachtung zuzuschreiben? Hobbes nimmt dies bekanntlich an. Seine Naturzustandsdarstellung verfolgt den Zweck, die Selbstunterwerfung als Bedingung der Möglichkeit des eigenen Überlebens zu erweisen. Der Gehorsam gegenüber dem Souverän beruht der Logik von Hobbes' Konzeption zufolge letztlich darauf, dass die kühl kalkulierende instrumentelle Vernunft der einzelnen Untertanen ihn als zweckmäßig bewertet. In dieser Zuspitzung liegt eine Funktionalisierung der Herrscherrolle, die noch weit radikaler ist als die Position Hegels.

Sie hat freilich ihren Preis. Auf dem schwankenden Grund individueller Nutzenkalkulationen errichtet, bleibt das Regime des Leviathan in Balkes Worten "unaufhebbar prekär". Diese Instabilität muss überwunden werden, und dazu bedarf es einer Stärkung der Gehorsamsmotive. Die von Carl Schmitt als Degenerationsprozess gedeutete nachhobbesianische Staatsphilosophie und Staatspraxis stellt sich für Balke deshalb gerade umgekehrt als der Versuch dar, die Autorität des Staates unter den neuen souveränitätstheoretischen Rahmenbedingungen zu befestigen.

Bereits Spinoza erkennt, dass die größte Herrschaft derjenige innehat, der über die Herzen der Untertanen gebietet. Die Rechtsgesetze müssten daher zugleich in der Vernunft und in der den Menschen gemeinsamen Affektivität ihre Stütze haben. Wie aber lässt sich dieses Ziel am besten erreichen? Spinoza selbst empfiehlt eine möglichst umfassende Beteiligung aller Bürger an der Regierung.

Einen anderen Weg schlägt der französische Absolutismus ein. Wie Balke unter Berufung auf Montaigne und Pascal darlegt, ist auch dort die königliche Würde allem rhetorischen Prunk zum Trotz nicht mehr in einer höheren Natur oder einem königlichen Wesen verankert, sie residiert vielmehr ausschließlich in den äußeren Attributen des Königtums. "Der König ist nackt, er weiß um seine wirkliche Situation, kann und darf sie aber nicht akzeptieren. Er weiß, dass er kein Herrscher ist, dass es vielleicht niemals mehr einen Herrscher, der diesen Namen verdient, geben wird; er stellt deshalb aber nicht etwa sein Amt zur Verfügung, sondern verlegt sich auf die Strategie, den Herrscher, der er nicht ist, zu zeigen."

Damit begibt sich der Herrscher freilich ebenfalls in die Hände seiner Untertanen. Sie müssen sein Verhalten mit ihren Erwartungen an ein königliches Auftreten in Übereinstimmung bringen können. Insofern ist auch die sich als absolut gerierende Herrschaft "paradoxerweise von der Zustimmung derer abhängig, die sie beherrscht".

Ein dritter Weg, auf dem die Gehorsamsbereitschaft der Bürger erhöht werden kann, ist Balke zufolge der totalitäre. Die "guten Bürger" eines totalitären Staates warten nicht erst auf den ausdrücklichen Befehl der Regierung, um tätig zu werden, denn sie verstehen die Anliegen des Staates unmittelbar als ihre eigene Sache. Damit eliminieren sie die von Hobbes noch ganz selbstverständlich vorausgesetzte Grenze zwischen privat und öffentlich.

"Der Souverän Hobbesschen Typs hat zwar ein Recht auf alles, aber seine Herrschaft erstreckt sich ausdrücklich nicht auf die innere Handlung des Gemütes; der totale Staat dagegen ist durch den Liberalismus ,hindurchgegangen', da er die Freiheit des Individuums zwar negiert, insofern sie in Form von Beschränkungen staatlicher Hoheitsrechte artikuliert wird, diese Freiheit aber zugleich voraussetzt und ,aktiviert', weil seine Existenz mit der Erzeugung einer totalen Folgebereitschaft steht und fällt, die einem bloßen Tyrannen, der über furchtsame Bürger herrscht, gerade versagt ist." Im Nachweis der jedenfalls partiellen funktionalen Äquivalenz von demokratischen und totalitären Legitimationsbeschaffungsstrategien liegt die der heutigen politikphilosophischen Orthodoxie vermutlich schmerzlichste Pointe von Balkes Buch.

Im Vergleich zu den Gefahren einer übermäßigen Politisierung der Bürgerschaft ist Hegels Modell einer Profanierung und engen rechtlich-institutionellen Einhegung politischer Macht die risikoärmere Option. Die prosaischen Züge dieses Modells erregen freilich regelmäßig den Unmut politischer Romantiker Plettenberger, Frankfurter oder Pariser Provenienz. Auch Balke hält es für "erschreckend", dass die moderne souveräne Machtausübung sich auf dem Feld der Regierungspraktiken und des alltäglichen Verwaltungshandelns abspiele. "Liegt hier nicht eine Verwechselung polizeilicher mit politischen Aufgaben vor?" Ist Politik "nicht vielmehr unablösbar von der Stiftung einer gewissen Unordnung und Unruhe?". Nun für die Unruhe sorgen schon die Wahlkämpfe. Dafür, dass sich nach einem Regierungswechsel in der Sache zumeist nur wenig ändert, sorgen das Haushaltsrecht und die Ministerialbürokratie. Und das ist gut so.

MICHAEL PAWLIK.

Friedrich Balke: "Figuren der Souveränität".

Wilhelm Fink Verlag, München 2009. 545 S., geb., 58,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

In ihrer eingehenden Besprechung von Jacques Derridas "Seminaire La bete et le souverain" wirft Sonja Asal auch einen Seitenblick auf Friedrich Balkes Habilitationsschrift "Figuren der Souveränität". Die Arbeit kann sie deshalb nicht überzeugen, weil die disparaten Einzelstudien zu Antigone, Hobbes oder Kafka nur mühsam unter dem Titel zusammengehalten werden und bei geradezu "leitmotivischer" Verwendung von Derridas Begriff der "Biopolitik" zu nicht gerade plausiblen Deutungen kommen. Vielleicht, überlegt die Rezensentin, ist die "florierende" Forschungsliteratur zum Thema auch einfach mal an ihr natürliches Ende gekommen.

© Perlentaucher Medien GmbH