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Was ist ein Herausgeber? Wie verhalten sich Autorschaft und Herausgeberschaft zueinander? Welche Funktion hat der Herausgeber als diskursive Instanz im Rahmen und am Rahmen literarischer Texte? Diesen Fragen geht Wirths Untersuchung sowohl mit Blick auf die literaturwissenschaftlichen Ansätze zum Thema Autorschaft nach, als auch mit Blick auf die Literatur des Zeitraums 'um 1800', in dem sich der moderne Autorschaftsbegriff entfaltet. Vor dem Hintergrund dieser Konstellation bleibt zu klären, welche Rolle der fiktive Herausgeber bei der Genese moderner Autorschaft spielt, ja ob der emphatische…mehr

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Produktbeschreibung
Was ist ein Herausgeber? Wie verhalten sich Autorschaft und Herausgeberschaft zueinander? Welche Funktion hat der Herausgeber als diskursive Instanz im Rahmen und am Rahmen literarischer Texte? Diesen Fragen geht Wirths Untersuchung sowohl mit Blick auf die literaturwissenschaftlichen Ansätze zum Thema Autorschaft nach, als auch mit Blick auf die Literatur des Zeitraums 'um 1800', in dem sich der moderne Autorschaftsbegriff entfaltet. Vor dem Hintergrund dieser Konstellation bleibt zu klären, welche Rolle der fiktive Herausgeber bei der Genese moderner Autorschaft spielt, ja ob der emphatische Autorbegriff der Genieästhetik womöglich nur eine spezifische Transformation der Funktion Herausgeber ist. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den Problemen der Schrift und des Schreibens, wie sie im Rahmen von Editions-Szenen dargestellt werden.
Autorenporträt
Uwe Wirth ist Professor für Literatur- und Kulturwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Er studierte Germanistik, Philosophie und Geschichte in Heidelberg, Frankfurt und Berkeley. Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Performanz- und Medientheorie, Semiotik, Literatur um 1800.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.07.2009

Wenn der Kater erzählt
Eine Studie über die Versteckspiele von Autoren

Als Paratext bezeichnet man mit Gerard Genette das "Beiwerk zum Buch". Buchtitel, Vorworte oder Fußnoten zählen hierzu. Sie übernehmen eine Rahmungsfunktion in Bezug auf den Haupttext und enthalten oftmals programmatische Selbstaussagen. Besonders wichtig werden diese Elemente, wenn man es mit Werken zu tun hat, denen eine Herausgeberfiktion zugrunde liegt, wie es in den Romanen um 1800 häufig der Fall ist. Dass hier das Auftreten des gleichsam autonomen Autors vorbereitet wird und somit "die Geburt literarischer Autorschaft aus dem Geist der Herausgeberfiktion erfolgt", gehört zu den Leitthesen von Uwe Wirths ambitionierter Studie.

Ein gleichermaßen beeindruckendes wie abschreckendes theoretisches Instrumentarium breitet er in einem überlangen ersten Teil seiner Arbeit aus, um damit den genannten Paratexten zu Leibe zu rücken. Neben Genette gehören Foucault und Derrida zu Wirths Gewährsleuten, theoretische Überlegungen zu Schrift und Edition, zum Performanzbegriff und zur Erzähltheorie schließen sich an. Wirth verschafft sich hier nicht zuletzt ein Arsenal an Grundthesen und Kunstwörtern, die seine weiteren Ausführungen leitmotivisch durchziehen.

Erste konkrete Überlegungen gelten Wielands Roman "Die Geschichte des Agathon", wo sich zu Beginn ein Herausgeber zu Wort meldet, der angeblich auf das Buch eines griechischen Autors zurückgreifen kann. Orientiert Ersterer sich, den zeitgenössischen Bestimmungen für den Roman folgend, an einem Konzept der Wahrscheinlichkeit, so zielt Letzterer auf das Arrangement eines glücklichen Endes ab - ein Widerspruch, wie ihn Wirth in allen untersuchten Texten aufdeckt. An Goethes "Werther" zeigt sich dann gleichsam idealtypisch die Geburt des Autors aus der Herausgeberfiktion. Im letzten Teil des "Werther" wird nämlich der anonyme Herausgeber, der bis dahin nur Werthers Briefe präsentiert hatte, zum dokumentarischen Berichterstatter über Werthers letzte Stunden und so zum eigentlichen Erzähler des Romans.

Haben die frühen Herausgeberfiktionen oftmals die Funktion der Faktizitätsbeglaubigung und reagieren damit, bei allem spielerischen Einsatz, auf die zeitgenössischen Vorbehalte gegenüber fiktionalem Erzählen, so lösen sich die romantischen Romane aus diesem Bezugsrahmen und treiben das leserverwirrende Spiel programmatisch auf die Spitze. Am berühmtesten ist der Befund von E.T.A. Hoffmanns "Kater Murr", dessen Vorwort die "Geschichte eines editorialen Fehlschlags" erzählt: Vereinzelte Blätter der Biographie des Kapellmeisters Kreisler sind als Makulatur zwischen die Lebensgeschichte des Katers geraten, und so präsentiert sich der Roman als Mischung zweier Bücher. Dass es dabei innere Widersprüche zuhauf gibt, sich der Herausgeber als ebenso unzuverlässig erweist wie nun offensichtlich die Instanz des Druckers wichtig wird, der für das eigenartige Erscheinungsbild des Werkes letztlich verantwortlich ist, zeigt Wirth mit einer Fülle von subtilen, mitunter bis an die Grenzen der Logik führenden Beobachtungen.

Das vielleicht stärkste Kapitel gilt Brentanos "verwildertem" Roman "Godwi". Buchtitel, Vor- und Nachworte lassen den Text unter ständig neuer Perspektive erscheinen und unterminieren einmal gewonnene Einsichten. Was als Briefroman eines Verfassers namens "Maria" beginnt, endet mit dem Bericht über dessen Tod. Maria ist einmal Autor, dann nur noch (unzuverlässiger) Herausgeber und schließlich selbst Gegenstand des Erzählens, während die Romanfigur Godwi ihrerseits zum Erzähler wird. Die Kunst der permanenten Digression und assoziativen Abschweifung wird auf die Spitze getrieben, jeder Versuch einer Einheitsstiftung läuft ins Leere. Kein Wunder, dass weniger theoretisch beschlagene Lesergenerationen ein Verdammungsurteil über Brentanos frühen Roman ausgesprochen haben.

Nach der Romantik nehmen solch überbordende Herausgeberfiktionen schlagartig ab, hat sich das fiktionale Erzählen etabliert. In einem kurzen Ausblick weist Wirth aber darauf hin, dass in der Literatur um 1900 mit ihrer Vorliebe für Montagen etwas gleichsam Gegenläufiges zur Präsentationsweise um 1800 geschieht: Nun versteckt sich der reale Autor nicht mehr hinter einem erfundenen Herausgeber, sondern beharrt auch dann nachdrücklich auf seiner Autorschaft, wenn seine Leistung eher die eines Herausgebers ist: Aus dem Autor als fiktivem Herausgeber ist ein faktischer Herausgeber geworden, der sich als Autor ausgibt.

THOMAS MEISSNER

Uwe Wirth: "Die Geburt des Autors aus dem Geist der Herausgeberfiktion". Editoriale Rahmung im Roman um 1800: Wieland, Goethe, Brentano, Jean Paul und E.T.A. Hoffmann. Wilhelm Fink Verlag, München 2008. 473 S., br., 59,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Äußerst respektvoll begegnet Thomas Meissner den Ambitionen des Autors. Vom mächtigen theoretischen Apparat, den Uwe Wirth auffährt, um mit Gerard Genette, Foucault und Derrida dem gleichermaßen beeindruckten wie verschreckten Rezensenten den Performanzbegriff und die Erzähltheoretie nahe zu bringen, lässt sich Meissner allerdings nicht einfach so überrollen. Welche Aufgabe dem Paratext (Vorworte, Fußnoten usw.) in den Romanen um 1800 zukommt, wie eine Herausgeberfiktion entsteht, wird Meissner als Belohnung im zweiten Teil der Studie anhand konkreter Überlegungen, zu Goethes "Werther", E.T.A. Hoffmanns "Kater Murr" und Brentanos "Godwi" bis in die textimmanenten Widersprüche hinein erläutert und mit einem kurzen Ausblick auf die Literatur um 1900 historisch vergleichend eingeordnet.

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