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t 1913 Vorsitzender der Deutschkonservativen Reichstagsfraktion, kehrte Graf Westarp als Abgeordneter der Deutschnationalen Volkspartei 1920 wieder in die parlamentarische Arena zurück. Die Konservative Partei war mit der Monarchie in den Wirren der Revolution 1918 untergegangen. Diesen Traditionsbruch hat Graf Westarp nie verwunden. In der DNVP, einer konservativen Sammlungspartei, unter deren Gründungsaufruf sein Name als "kompromittiert" noch unerwünscht war, machte er erneut Karriere, wurde 1925 Vorsitzender der Reichstagsfraktion, 1926 Parteivorsitzender. Im Streit mit Alfred Hugenberg…mehr

Produktbeschreibung
t 1913 Vorsitzender der Deutschkonservativen Reichstagsfraktion, kehrte Graf Westarp als Abgeordneter der Deutschnationalen Volkspartei 1920 wieder in die parlamentarische Arena zurück. Die Konservative Partei war mit der Monarchie in den Wirren der Revolution 1918 untergegangen. Diesen Traditionsbruch hat Graf Westarp nie verwunden. In der DNVP, einer konservativen Sammlungspartei, unter deren Gründungsaufruf sein Name als "kompromittiert" noch unerwünscht war, machte er erneut Karriere, wurde 1925 Vorsitzender der Reichstagsfraktion, 1926 Parteivorsitzender. Im Streit mit Alfred Hugenberg legte er 1928/29 seine Ämter nieder und gründete ein Jahr später mit Gottfried R. Treviranus die Konservative Volkspartei, für die er 1930 wieder in den Reichstag gewählt wurde. Nach dem Wahl debakel 1932 zog er sich enttäuscht aus der Politik zurück. 1935 erschienen seine Erinnerungen unter dem Titel "Konservative Politik im letzten Jahrzehnt des Kaiserreiches". Die vorliegende Edition macht das weitere Memoirenwerk zugänglich, in dem Graf Westarp als eine Art Sprecher der Konservativen deren Kampf gegen die Republik und die Weimarer Koalition beschreibt. Friedrich Freiherr Hiller von Gaertringen (1999 gestorben), ein Enkel des einflußreichen preußisch-konservativen Politikers, hat dessen Nachlaß bearbeitet und den vielschichtigen Text kritisch erschlossen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.03.2002

Im Kampf gegen die "doppelte Schmach"
Kuno Graf von Westarp: Gedemütigt durch die Abschaffung der Monarchie und den Versailler Vertrag

Kuno Graf von Westarp: Konservative Politik im Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik. Bearbeitet von Friedrich Hiller Freiherr von Gaertringen unter Mitwirkung von Karl J. Mayer und Reinhold Weber. Droste Verlag, Düsseldorf 2001. 615 Seiten, 85,90 Euro.

Kuno Graf von Westarp war einer der profiliertesten konservativen Politiker in der Weimarer Republik. Im altpreußischen Konservatismus des Kaiserreichs wurzelnd und letzter Vorsitzender der deutschkonservativen Reichstagsfraktion, setzte er seine politischen Aktivitäten auch unter der neuen Staatsform fort und übernahm 1925/26 die zwei wichtigsten Führungsämter der im November 1918 ins Leben gerufenen "Deutschnationalen Volkspartei" (DNVP): den Fraktions- und den Parteivorsitz.

Im Zeitraum von 1935 bis 1937 sowie von 1941 bis 1942 schrieb Westarp einen Rückblick auf die Übergangszeit vom Ende der Monarchie im November 1918 bis zur ersten Reichstagswahl im Juni 1920 nieder - eine Zeit, in der er unfreiwillig eine politische Auszeit als Abgeordneter genommen hatte, weil ihn die DNVP gar nicht erst als Kandidat für die Wahl zur Nationalversammlung im Januar 1919 nominiert hatte. Dennoch übte Westarp in dieser Zeit eine einflußreiche Tätigkeit als Repräsentant des konservativen Flügels innerhalb der DNVP aus und trug dezidiert konservative Positionen in seiner Eigenschaft als Chefredakteur der "Kreuzzeitung" in die Öffentlichkeit. Insofern führt das vorzüglich edierte Manuskript seiner "Erinnerungen" in die Interna konservativer Politik in einer überaus formativen Phase ein.

Zudem handelt es sich bei Westarps Werk um keinen üblichen Fall von Memoirenliteratur, deren Quellenwert im Regelfall durch schwerwiegende Erinnerungsfehler und penetrante Selbstrechtfertigung mehr als eingeschränkt ist. Er hat vielmehr eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Darstellung vorgelegt, die sich meilenweit von der unzuverlässigen Erinnerungsliteratur abhebt, die der professionelle Historiker nur mit spitzen Fingern anfassen sollte. Denn Westarp präsentiert sich sowohl als getreuer Chronist wie als scharfer Analytiker, der vergangenes Geschehen ohne Selbststilisierung und Glättung darbietet und zu diesem Zweck seine Ausführungen anreichert mit einer Fülle dokumentarischer Zeugnisse aus seinem Privatarchiv.

Westarps Studie ist daher eine wahre Fundgrube, die vor allem auf drei Feldern enormen Erkenntnisgewinn abwirft: a) für das ideengeschichtliche Profil des preußisch-deutschen Konservatismus nach 1918, b) für die Konstituierung eines organisatorisch verfestigten konservativen Milieus und c) für die Parteigeschichte der DNVP.

Ideengeschichtlich zeugt sie von der nationalistischen Aufweichung des klassischen altpreußischen Konservatismus, für den der Staatsgedanke der überragende gedankliche Fixpunkt war. Auch für Westarp und seine Gesinnungsfreunde blieb der Konservatismus staatspolitisch verankert: Der Staat fungiert bei ihm als eine unhinterfragbare Größe, welche die innere Einheit der Gesellschaft verbürgen und die daher um ihrer Handlungsfähigkeit willen von einer monarchischen Spitze gesteuert werden sollte. Doch die im Kaiserreich sozialisierten Konservativen vom Schlage Westarps ketteten den Staat immer stärker an die Idee der Nation, welcher die Altkonservativen noch distanziert gegenübergestanden hatten. Sie schätzten die mobilisierende und integrative Kraft des Nationalismus deswegen, weil er die Staatsgewalt potenzierte und wie ein dynamisches Kraftwerk das Kaiserreich mit einer scheinbar nie versiegenden Zufuhr von Energien versorgte, die zu einer einzigartigen Machtentfaltung der Staatsgewalt im Kaiserreich führten. Daher konnten sie in der Weimarer Republik politisch paktieren mit den Kräften des extremen Nationalismus, der ansonsten keine Rücksicht auf das monarchische Bekenntnis und die gesellschaftpolitischen Ordnungsvorstellungen des Konservatismus nahm.

Diese nationalistische Infizierung des Weimarer Konservatismus hängt aber auch mit den Umständen der nachgeholten Milieubildung zusammen, die der protestantisch geprägte Konservatismus nach 1918 durchlief. Hier erlaubt Westarps Studie eine Fülle von Anschlüssen an die jüngsten Ergebnisse der Milieuforschung, welche die Entstehung von Milieus - verstanden als distinkte, organisatorisch verdichtete Lebenswelten mit eingebauten politischen Handlungsanweisungen - aus dem aus einer fundamentalen Abwehrerfahrung herrührenden Politisierungs- und Mobilisierungsschub ableiten.

Mit dem Sturz der Monarchie im November 1918 und dem Versailler Vertrag vom Juni 1919 brach für Konservative im doppelten Sinne eine Welt zusammen: einerseits büßten sie die Monarchie als vermeintlichen Garanten staatlicher Autorität ein, andererseits erlebten sie den Versailler Friedensvertrag als Demütigung der Nation, die ihnen so ans Herz gewachsen war. Wie ein roter Faden zieht sich durch Westarps Darlegungen sein brennendes Verlangen, diese "doppelte Schmach" rückgängig zu machen, welche den Konservatismus kulturell und damit auch politisch heimatlos machte. In Westarps Person spiegelt sich jene erbitterte Milieukonfrontation wider, welche den politischen Kämpfen der Weimarer Republik den Stempel aufdrückte. Dabei war Westarp insofern noch ein Ausnahmefall, als ihn die heftigen Konfessionsstreitigkeiten kaltließen und er einen für seine Herkunftswelt erstaunlich vorurteilsfreien Umgang mit Katholiken pflegte. Aber auch er kannte bei der Bekämpfung des linken Flügelmannes der katholischen Zentrumspartei, Matthias Erzberger, keine Gnade, weil er Erzberger persönlich für die Kriegsniederlage haftbar machte und er überdies als sozialer Aufsteiger für ihn der Prototyp des allein über die Parteischiene zu Einfluß gelangten Politikers - ein Exponent der "Parteiherrschaft" - war.

Aber auch die DNVP mußte sich zumindest partiell in der Republik einrichten und ebenfalls die Konkurrenz der Parteien um die Wählergunst mitmachen. Westarp zog aus diesen Umständen den Schluß, daß allein eine rechte Integrationspartei, deren Einzugsbereich weit über die konservativ-agrarischen Kernlande Altpreußens hinausreichte, die nötige Schlagkraft in diesem politischen Wettbewerb aufbringen könnte. Insofern zählte er zu jenen Konservativen, welche den Bestand der Vorkriegskonservativen gezielt in die neue Sammelpartei DNVP einbringen wollten, obgleich diese Neugründung in den Anfängen viele Konservative vor den Kopf stieß. Westarp zeigt an einer Fülle von Beispielen die politische Marginalisierung seiner Gesinnungsfreunde vor allem bei der Kandidatenaufstellung zur Wahl der Nationalversammlung auf, von der nicht zuletzt er selbst betroffen war.

Die Dominanz der alldeutschen, christlich-sozialen und völkischen Einflüsse in der neuen Partei ließ Westarp sogar bis weit in das Jahr 1920 eine Sezession der Konservativen als realistische Möglichkeit erscheinen. Westarp legte daher großen Wert auf das unabhängige Fortbestehen der alten konservativen Parteiorganisation als Auffangorganisation für diesen Fall. Erst nach der Reichstagswahl vom Juni 1920 wurde Westarp für ein Jahrzehnt in der DNVP so heimisch, daß er seine Hauptaufgabe im mühsamen Ausgleich der innerparteilichen Interessengegensätze erblickte. Mit dem Aufstieg des alldeutschen Nationalisten Hugenberg mußte sich Westarp allerdings wieder stärker als konservatives Gewissen innerhalb der DNVP profilieren, die er daher nach der innerparteilichen Gleichschaltung durch Hugenberg konsequenterweise verließ. Wie in einem Brennglas bündeln sich in der Person des Grafen Westarp somit die zentralen Entwicklungslinien des preußisch-deutschen Konservatismus im frühen 20. Jahrhundert.

WOLFRAM PYTA

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

In seiner eingehenden Besprechung des Bandes mit Aufzeichnungen und Dokumenten aus den Jahren 1918-1920 sowie zwei Texten aus den Jahren 1936 und 1942 begrüßt Heinrich August Winkler, dass diese aufschlussreichen Quellen nun einer breiteren Leserschaft zugänglich gemacht worden sind. Winkler zeichnet detailliert den politischen Werdegang Westarps nach, der Vorsitzender der Deutschnationalen Volkspartei war, die er 1928 verließ, um 1930 die Konservative Volkspartei zu gründen. Er lobt den Band als "sorgfältig ediert" und findet, dass er Aufschluss über die politische Haltung und Entwicklung Westarps bietet.

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