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Um die Liebe seiner Ehefrau zu testen, erfindet der Opernsänger Elkanah ein Engagement in Philadelphia, das die Familie zum Umzug zwingen würde. Während sich der Rest der Familie damit abfindet, hat die Lüge unerwartete Konsequenzen für den sensiblen Samuel, der Australien nicht verlassen möchte. In seiner Not wendet er sich an seinen Großvater Elias. Da dieser als Jude aus Nazideutschland geflohen ist, ist für ihn die Vorstellung einer Deportation furchtbar. Außerdem verbindet ihn eine besondere Beziehung zu seinem Enkel. Elias fasst kurzerhand den Entschluss, Samuel zu entführen und ihn so…mehr

Produktbeschreibung
Um die Liebe seiner Ehefrau zu testen, erfindet der Opernsänger Elkanah ein Engagement in Philadelphia, das die Familie zum Umzug zwingen würde. Während sich der Rest der Familie damit abfindet, hat die Lüge unerwartete Konsequenzen für den sensiblen Samuel, der Australien nicht verlassen möchte. In seiner Not wendet er sich an seinen Großvater Elias. Da dieser als Jude aus Nazideutschland geflohen ist, ist für ihn die Vorstellung einer Deportation furchtbar. Außerdem verbindet ihn eine besondere Beziehung zu seinem Enkel. Elias fasst kurzerhand den Entschluss, Samuel zu entführen und ihn so bei sich zu behalten eine Entscheidung, die für Samuel beinahe das Todesurteil bedeutet
Autorenporträt
Andreas Steinhöfel, geb. 1962 in Battenberg, Studium der Anglistik, Amerikanistik und Medienwissenschaften in Marburg. Tätig als Übersetzer, schreibt Drehbücher und rezensiert Jugendliteratur für die FAZ und DIE ZEIT. Zahlreiche Veröffentlichungen von Kinder- und Jugendbüchern mit nationaler und internationaler Auszeichnung. 2009 erhielt Andreas Steinhöfel den 'Erich Kästner Preis für Literatur', 2013 den 'Deutschen Jugendliteraturpreis'.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.08.2013

Wo sich alles fügt, fangen die Deutungen erst an

Schreibend die Welt ordnen: Wer an der australischen Jugendbuchautorin Ursula Dubosarsky vorübergeht, verpasst ein schillerndes Werk voller Abgründe.

Als im vergangenen Jahr der Roman "Nicht jetzt, niemals" erschien, war das eine mittlere Sensation (F.A.Z. vom 14. Juli 2012). Seine Autorin, die 1961 geborene Australierin Ursula Dubosarsky, war zuvor auf dem deutschen Jugendbuchmarkt komplett unbekannt gewesen, obwohl sie in ihrer Heimat bereits einige Bücher für junge Leser veröffentlicht hatte. Doch ihr kühler Roman, der eine Mädchenschulklasse porträtiert, die mit dem plötzlichen Verschwinden ihrer charismatischen Lehrerin fertigwerden muss, setzte inhaltlich wie formal unübersehbar Maßstäbe. Denn Dubosarskys ebenso anspruchsvolle wie abgründige Geschichte lässt am Ende zwei widerstreitende Deutungen des Geschehens zu, so dass die Leser sich entscheiden müssen: Handelt es sich einige Jahre später bei der zufälligen Begegnung der mittlerweile fast erwachsenen Schulklasse mit der Lehrerin um die glückliche Auflösung eines rätselhaften Falls? Oder haben es die Abiturientinnen mit einer Geistererscheinung zu tun?

Dieser Tage ist Ursula Dubosarskys "Der kürzeste Tag des Jahres" in der Übersetzung von Andreas Steinhöfel erschienen. Das Original ist schon alt, es erschien 1995 unter dem Titel "The First Book Of Samuel". Auch hier geht es um das Verschwinden eines Protagonisten - Samuel, einziger Sohn in einer kuriosen Patchworkfamilie aus dem australischen Sydney, kommt am Nachmittag seines zwölften Geburtstags nicht mehr von der Schule nach Hause. Er setzt damit in seinem Elternhaus einen Prozess in Gang, in dessen Verlauf einiges auf den Tisch kommt, was bis dahin unterschwellig die Atmosphäre vergiftet hatte, allem voran die Vermutung, dass Samuels Mutter Hannah eine Affäre mit der schlaffen Supermarktbekanntschaft Randolph begonnen hatte.

Schwerer wiegt die nun offenbare wirkliche Bedrohung der Familie: Samuel, so stellt sich im Gefolge seiner Abwesenheit heraus, hatte sich als Kind mit Malaria infiziert, ohne dass irgendjemand dies bemerkt hätte. Der Ausbruch der Krankheit an seinem Geburtstag bringt ihn in Lebensgefahr. Und beendet auch die Eskapade, die sein Großvater Elias für ihn ausgeheckt hatte: Statt auf Samoa landet Samuel im Krankenhaus.

Dubosarskys Roman erzählt im Wesentlichen die Geschichte einiger Wochen und eines Tages im australischen Winter und greift doch weit zurück bis in die Zeit vor Samuels Geburt. Dass alles, was passiert, unabsehbare Folgen für die Zukunft hat, ist dem Text eingeschrieben. Mal sind oder werden sie für alle offensichtlich wie etwa Samuels Infektion im Säuglingsalter, die zur Katastrophe führt, mal sind die Fäden feiner gesponnen: Samuels Vater, der Opernsänger Elkanah, ebenso kinderlieb wie naiv, führt durch eine Liebesnacht in Melbourne mit seiner geschiedenen Frau Pearl eine Familienkonstellation herbei, die Samuel, dem gemeinsamen Kind von Elkanah und Hannah, schon vor seiner Geburt eine weitere Halbschwester namens Theodora beschert hat, die zusammen mit ihm in Sydney aufwächst, weil Pearl sich von dem neuen Baby überfordert fühlt.

Was der enge Kontakt mit dem lebhaften Mädchen für den stillen Samuel bedeutet, lässt sich nur schwer ermessen. Und auch, ob nicht gerade dieser Kontrast die Zeichen lange überschattete, die vielleicht schon früher auf Samuels Krankheit hätten deuten können. Über diese Folie von Ursache und weitverzweigter Wirkung legt die Autorin aber eine weitere, die auf literarische Vorbilder verweist, die hier aus der Bibel stammen und sich etwa in der Namenskonstellation abbilden: Auch der Prophet Samuel des Alten Testaments hat eine Mutter namens Hanna und steht unter dem beherrschenden Einfluss seines Lehrers Eli, der wohl Pate für Dubosarskys Holocaust-Flüchtling Elias gestanden hat.

Was bedeutet das für den Roman? Glücklicherweise nehmen die Figuren irgendwann ihr Geschick selbst in die Hand, schicksalhafte Verknüpfungen hin oder her, und setzen angesichts von Verdächtigungen, Hirngespinsten und einer faustdicken, monatelang immer neu bekräftigten Lüge auf das, was einst diese Familie zusammengebracht hat und in der Akzeptanz der unterschiedlichen Wunderlichkeiten wurzelt. Wo man sich klar darüber ist, wie man zueinandersteht, was man voneinander erwartet und was man gegenseitig bereit ist zu tolerieren, weil der andere eben so gestrickt ist, wie er ist, da braucht es vermutlich mehr als Elkanahs an den Opern des neunzehnten Jahrhunderts geschulte Phantasien, um eine Familie zu zerstören.

Die literarische Klasse, die Ursulas Dubosarskys Erfolgsroman von 2012 besitzt, hat dieses frühere Werk noch nicht. Wo "Nicht jetzt, niemals" mit großer Leichtigkeit elementare Fragen von Verführung und Verantwortung stellt, tut sich "Der kürzeste Tag des Jahres" damit schwer, ein angemessenes Verhältnis von literarischer Erzählung und Gehalt zu finden.

Immerhin bereitet die Autorin auch in diesem Roman schon früh ein Finale vor, das einen Menschen mündig werden lässt. Hier ist es Samuels Freiheit, die daraus erwächst, schreibend die Welt zu ordnen, auch gegen eine übermächtige Tradition: Aus dem Originaltitel, dem "Ersten Buch Samuel", wird so "Samuels erstes Buch".

TILMAN SPRECKELSEN.

Ursula Dubosarsky: "Der kürzeste Tag des Jahres".

Aus dem Englischen von Andreas Steinhöfel. Ueberreuter Verlag, Berlin 2013. 154 S., br., 12,95 [Euro]. Ab 14 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Seit Ursula Dubosarskys bahnbrechendem Roman "Nicht jetzt, niemals" aus dem Jahre 2012 weiß Rezensent Tilman Spreckelsen: Wer diese Autorin übergeht, verpasst ein "schillerndes Werk voller Abgründe". Das gilt auch für ihren 1995 erschienenen, jetzt ins Deutsche übertragenen Roman "Der kürzeste Tag des Jahres", der allerdings laut Spreckelsen den inhaltlichen und formalen Maßstäben seiner Nachfolger noch nicht ganz gerecht werden kann. Der Kritiker liest hier die Geschichte einer eigensinnigen Patchworkfamilie, in der nach dem plötzlichen Verschwinden des zwölfjährigen Samuel immer weitere Familiengeheimnisse auf den Tisch kommen, die bereits seit Samuels Geburt das Familienleben vergiftet haben. Spreckelsen erfährt etwa, dass Samuel eine gleichaltrige Halbschwester hat, die Samuels Vater, ein liebevoller und naiver Opernsänger, mit seiner Ex-Frau zeugte. Nicht nur das atmosphärisch dicht gewebte Netz aus familiären Abgründen, sondern auch Dubosarskys zahlreiche Bibel-Verweise machen diesen Roman zu einem spannenden Leseereignis, lobt der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.02.2014

Spurlos
verschwunden
In der Familienbiografie „Der kürzeste Tag
des Jahres“ rettet sich der Held durch das Schreiben
VON CHRISTINE KNÖDLER
Als im vergangenen Jahr der erste, von Silvia Schrör ins Deutsche übertragene Roman der australischen Autorin Ursula Dubosarsky erschien, war das eine kleine literarische Sensation. Keine, die große Wellen geschlagen hätte. Nicht jetzt. Niemals ist in der aktuellen Jugendliteratur ein Solitär und Geheimtipp geblieben. Aber die Geschichte vom spurlosen Verschwinden einer Lehrerin und deren zum Schweigen verpflichteten, mehr noch verurteilten Schülerinnen, hat die Erwartungen an einen weiteren Roman hoch geschraubt. Jetzt ist er da: Der kürzeste Tag des Jahres überrascht zunächst mit einem gänzlich anderen Ton. Wo Ursula Dubosarsky im ersten Fall allenfalls andeutet, montiert, zitiert und in ausgefeilter sprachlicher Schönheit in der Schwebe hält, ist sie hier explizit; schon der erste Satz ein Paukenschlag: „Samuel Cass verschwand an seinem 12. Geburtstag.“
  Was dem vorausgegangen ist, kommt auf den ersten Blick als, wenn auch reichlich abgedrehte, Familien-Patchwork-Geschichte daher; im Zentrum: Elkanah, lärmender Opernsänger, seine Kinder, komplizierte Frauen und deren nicht minder komplizierte Väter. Geschieden von Pearl, in zweiter Ehe verheiratet mit Hannah, hat Elkanah aus erster Ehe vier Töchter, die fünfte, Theodora, wurde gezeugt, als Pearl und Elkanah bereits getrennt waren, sie wächst bei ihm und Hannah auf, die wiederum endlich ein eigenes Kind zur Welt bringt: Samuel, Gegenpol zum extrovertierten Powervater, hält sich lieber an Theodora und vor allem an seinen Großvater Elias. Samuel, der Schutzlose, der sich mit seinen fast 12 Jahren wie ein hilfloser Neugeborener fühlt, und Elias mit der Erfahrung der historischen Tragödie des Holocaust, lieben einander so innig wie verzweifelt.
  Es ist eine Bindung, die in dem Moment fatal wird, als Elkanah, um Hannahs Treue zu prüfen, ein Engagement in Amerika vortäuscht und die Familie zum (fiktiven) Umzug bewegt. Doch Samuel will nicht weg, nicht jetzt, niemals, und Elias, der weiß, was es heißt, die Heimat wider Willen verlassen zu müssen, greift zu einem drastischen Mittel. Das kostet Samuel beinahe das Leben, zwingt ans Licht, was über Generationen verschwiegen worden ist, gipfelt im kürzesten Tag des Jahres, der, gefühlt, zum längsten wird, und versöhnt am Ende die versprengte Familie.
  Zugegeben: So ausgereift und kunstvoll wie Nicht jetzt. Niemals ist Der kürzeste Tag des Jahres, vor fast 20 Jahren, in Australien erschienen, nicht. Dass es ein frühes Werk ist, merkt man bei aller Sprachkunst der Autorin wie des Übersetzers Andreas Steinhöfel der Geschichte an, und doch ist bereits hier ablesbar, was das Schreiben von Ursula Dubosarsky einmal auszeichnen wird: Die Handlung ist vordergründig und lediglich Vorwand für das, worum es eigentlich geht. Zunehmend wird der Roman zu Elias’ und Samuels Geschichte, zu einer Geschichte der vorsichtigen Rekonstruktion. Entlang der Koordinaten Verfolgung, Flucht, Entkommen, Verschwinden, Verschweigen, Vergessen, für immer Verlieren wird nicht nur sichtbar, was Schweigen mit Menschen macht – zugleich kommt ein poetologisches Selbstverständnis zur Sprache: das Motiv des Bewahrens und Entkommens übers Erzählen. Nicht zuletzt wird Samuel, am Ende allen Schreckens, sein erstes Buch zu Papier bringen, denn weit über eine Familiengeschichte mit zeithistorischem Hintergrund hinaus gibt der Roman davon eindrücklich Zeugnis ab: Wer schreibt, schweigt nicht. (ab 14 Jahre)
Ursula Dubosarsky: Der kürzeste Tag des Jahres. Aus dem Englischen von Andreas Steinhöfel. Ueberreuter 2013. 154 Seiten, 12,95 Euro.
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