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An einem kalten, klaren Wintermorgen sitzt sie plötzlich auf der roten Stiege zur Bibliothek: Lady Earl Grey. Die Treppenmaus zeigt dem Hausbesitzer Russla ihr angekokeltes Schwänzchen und trägt eine bittere Beschwerde vor: Gerade hatte sie es sich im Kamin zwischen den Holzscheiten bequem gemacht, da ging ihr Heim in Flammen auf. Nur mit knapper Not ist Lady Earl Grey der Feuersbrunst entkommen und seitdem obdachlos. Zwischen Russla und der Treppenmaus entspinnt sich ein hintersinniges Gespräch über das Geschlecht und die Geschichte der Greys, über Ururgroßmutter Rosalin Duchess of First…mehr

Produktbeschreibung
An einem kalten, klaren Wintermorgen sitzt sie plötzlich auf der roten Stiege zur Bibliothek: Lady Earl Grey. Die Treppenmaus zeigt dem Hausbesitzer Russla ihr angekokeltes Schwänzchen und trägt eine bittere Beschwerde vor: Gerade hatte sie es sich im Kamin zwischen den Holzscheiten bequem gemacht, da ging ihr Heim in Flammen auf. Nur mit knapper Not ist Lady Earl Grey der Feuersbrunst entkommen und seitdem obdachlos.
Zwischen Russla und der Treppenmaus entspinnt sich ein hintersinniges Gespräch über das Geschlecht und die Geschichte der Greys, über Ururgroßmutter Rosalin Duchess of First Flush, die in einem Haus im Haus gehaust hat, über Lady Earl Greys Stiefmutter, die Duchess of Darjeeling, über den Kater Rotpeter, den Scherenschleifer und über das Leben und das Lesen. Lady Earl Grey erweist sich dabei als ebenso gewitzt wie weise. Kein Wunder, hat sie sich doch in der Bibliothek bereits durch die gesammelten Werke von Balzac geknabbert.
Autorenporträt
Hanns Zischler, geboren 1947, ist Schauspieler, Publizist und freischaffender Künstler. Neben zahlreichen Fernsehauftritten ist er in internationalen Filmproduktionen zu sehen, wie z.B. Wim Wenders' "Im Lauf der Zeit" und Steven Spielbergs "München".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.06.2012

Bergamotte!
Pergamente!
Hanns Zischlers geschmackvolles
Märchen „Lady Earl Grey“
Die Lady hat Stil, sie ist versiert und wendig in der Art, wie sie ihre Konversation treibt, mit dem Hausherrn, dem sie eines winterlichen Morgens plötzlich über den Weg läuft. „Er duftet ja nach Bergamotte“, lobt sie ihn , und: „Steht Er immer so früh auf?“
Lady Earl Grey, die überraschende Besucherin, ist alter Mäuse-Adel, offenkundig britischer Provenienz, sie lässt sich gern auch als Königin der Mäuse titulieren, entwickelt bemerkenswerten Verwandtschaftssinn, begehrt resolut Hausrecht für die Ihren und kann ziemlich schnippisch sein allen anderen – weniger kultivierten – Gattungen und Lebewesen gegenüber, morgendlichen Störenfrieden zum Beispiel: einem Scherenschleifer oder einem Kater mit dem literarisch anzüglichen Namen Rotpetar, der Pazifismus bei Katzen diskutiert und sich an seinem eigenen Aperçu von der „natürlichen Mauslese“ berauscht.
Hanns Zischler – Schauspieler, Archivforscher, Schriftsteller und manches mehr – hat mit „Lady Earl Grey“ ein verspieltes Märchen geschrieben, in dem seine lange, liebevolle Beschäftigung mit Kafka und Joyce kräftig durchscheint. Der Hausherr – Erzähler der delikat absurden Konfrontation, er hat in seiner Physiognomie durchaus Ähnlichkeit mit dem Autor Hanns Zischler – hat erst mal einige Mühe, mit ihr mitzuhalten. Das Stil-Empfinden geht hart an die Grenze zur Manier, gespreizt und ohne Anflug von Ironie. Geschmack aber beweist sie im Umgang mit dem Kulturgut Buch. „Handschriften! Handschriften lieben Wir über alles. Tinte! Pergamente! Drucke auf Japanpapier! Es hat einen bittersüßen Beigeschmack, wie duftender Reis, da geht nichts drüber.“ Und auf Touren kommt die Konversation, wenn die Lady mit eigenen und Familien-Erinnerungen prunken kann. Beim schmalen blauen Band zum Beispiel, den sie aus dem Morgenmantel des Hausherrn lugen sieht – „Das Kummerfell“. „Balzac! Wie honorig! Wir verehren ihn. Meine Vorfahren mütterlicherseits, ehemalige Refugiés, haben in seiner Wohnung gehaust. Den Marquis de Choucroûte, Er wird von ihm gehört haben, erwähnt Balzac mehrmals, und die Maîtresse des Marquis, Élisire de Cassecroûte!. Nicht zu vergessen La Négresse, die Kaffeemaus! Mussjöh Honoré lebte in einem überwältigenden Kruscht. Ganze Lawinen von Papier! . . .“
Ein Wirbel von Tratsch und Bildungshuberei durchzieht die Konversation, es ist ein dezenter Minimalismus, den Hanns Zischler hier praktiziert, die mäusischen Spreizereien sind in einer gezierten Type gedruckt, kleiner als die Erzählung des Hausherrn. Ein Buch, das sich nicht schließt aufs Ende zu, die morgendliche Moment-Aufnahme, die es schildert, wird nicht fixiert in Zeit und Raum und es bleiben viele Spuren und Zeichen, die sich nicht deuten lassen, in den Passagen von Hanns Zischler und in den Bildern von Hanno Rink. Das Buch hat die diaphane Unberührbarkeit eines klaren Wintermorgens, in den der Tag sich noch nicht eingeschrieben hat. Eine Idylle, die dann doch trügerisch ist – am Ende gibt es eine wilde Invasion, auf einem berühmten Foto des jungen Fotografen Bolucevschi Vitali aus dem Jahr 2009, Ameisen bei einem Fallschirmkommando mit Löwenzahnsamen. Der Hausherr ist müde, als er wieder aufwacht, scheint die Sonne. „Es waren Jahre vergangen, und ich weiß nicht wohin.“
FRITZ GÖTTLER
HANNS ZISCHLER: Lady Earl Grey. Pinselzeichnungen Hanno Rink. Arche Verlag, Zürich und Hamburg 2012. 64 Seiten, 14,95 Euro.
Foodnotes, Kleingedruxtes, Dreckfehler . . . : Die Lady gibt sich resolut im Filz der Gartenpantinen. Abb.: Verlag
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nach der Lektüre von "Lady Earl Grey" weiß Rezensent Andreas Platthaus einmal mehr, dass der Schauspieler Hanns Zischler auch ein talentierter Schriftsteller ist. In Zischlers Erzählung, die dem Kritiker als Märchen, Parabel und Satire erscheint und ihn zugleich an Montesquieus "Lettres persanes" erinnert, begegnet ihm der an den Autor selbst angelehnte Herr Russla, der eines Morgens auf eine Maus trifft, die sich leicht überheblich als letzte Überlebende eines alten Adelsgeschlechts mit dem Namen "Lady Earl Grey" vorstellt. Amüsiert folgt Platthaus den gelehrten Literatur-Gesprächen zwischen dem Ich-Erzähler und der Maus, die ihre Vorliebe für Bücher mit dem Satz "Nur wer es frisst, behält es auch" begründet. Leider muss der Kritiker allerdings gestehen, dass die großzügig abgedruckten Bilder des eigentlich "virtuosen" Illustrators Hanno Rink neben der ebenso eleganten wie brillanten Erzählung Zischlers verblassen.

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