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Rund 100.000 Kaukasier - Georgier, Armenier, Aserbaidschaner, Tschetschenen usw. - haben während des Zweiten Weltkriegs an der Seite der Deutschen Wehrmacht mit der Waffe in der Hand gegen die Sowjettruppen gekämpft, mehrere hunderttausend haben daneben in Bau- und Hilfseinheiten Dienst geleistet. Die meisten von ihnen waren in national gegliederten Ostlegionen bzw. -bataillonen organisiert. Daneben gab es den kaukasischen Sonderverband "Bergmann", dem Angehörige aller Völker der Region angehörten. Ihr Kommandeur war Hauptmann Dr. Theodor Oberländer. Eingesetzt wurden sie im östlichen…mehr

Produktbeschreibung
Rund 100.000 Kaukasier - Georgier, Armenier, Aserbaidschaner, Tschetschenen usw. - haben während des Zweiten Weltkriegs an der Seite der Deutschen Wehrmacht mit der Waffe in der Hand gegen die Sowjettruppen gekämpft, mehrere hunderttausend haben daneben in Bau- und Hilfseinheiten Dienst geleistet. Die meisten von ihnen waren in national gegliederten Ostlegionen bzw. -bataillonen organisiert. Daneben gab es den kaukasischen Sonderverband "Bergmann", dem Angehörige aller Völker der Region angehörten. Ihr Kommandeur war Hauptmann Dr. Theodor Oberländer. Eingesetzt wurden sie im östlichen Hochkaukasus und am Terek, später auf der Krim und schließlich - 1943 in drei Bataillone geteilt, deren Geschichte hier ebenfalls behandelt wird - auf verschiedenen Kriegsschauplätzen der Ostfront, zuletzt in Griechenland und Jugoslawien.Nach dem Krieg wurden dem Verband und seinen meist deutschen Offizieren von sowjetischer Seite verschiedene Kriegsverbrechen vorgeworfen. Heute gilt er auch in der russischen Literatur als völlig rehabilitiert. Nach Öffnung der russischen Archive konnte nun erstmals ein umfassender Dokumentationsband erstellt werden. Neben Gesamtdarstellungen unter Einbeziehung der aktuellen wissenschaftlichen Literatur wird hier eine Fülle von Zeitzeugenberichten präsentiert, und zwar nicht nur des deutschen Rahmenpersonals, sondern, und das macht dieses Buch so spannend, auch aus der Sicht der kaukasischen Freiwilligen, von denen einige noch am Leben sind.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.2004

Oberländer und das Feuilleton

Der Fall Theodor Oberländer gehört zu den großen Legenden der jüngeren deutschen Geschichte. Er, der Vertriebenenminister unter Adenauer von 1953 bis 1960, wurde mit dem Kanzleramts-Staatssekretär Hans Globke zum Inbegriff der tiefbraunen Kontinuitäten zwischen dem nationalsozialistischen Reich und der frühen Bundesrepublik. Belastet war Oberländer nicht nur durch seine Mitgliedschaft in der NSDAP und den Hitlerschen Putschversuch von 1923, an dem er als achtzehnjähriger Student teilgenommen hatte. Denn die Vorwürfe, die man seit 1959 gegen ihn zu erheben begann, waren gravierender. Aus Ost-Berlin kam eine massive und zunächst durchaus präzis erscheinende Anklage: Als Mitglied des Bataillons "Nachtigall" sollte Oberländer an einem Pogrom in Lemberg teilgenommen haben, später an der Ermordung polnischer Intellektueller und schließlich, als Kommandeur des "Sonderverbandes Bergmann", den man unter Angehörigen von Kaukasusvölkern rekrutiert hatte, an Folterungen, Vergewaltigungen und neuen Morden. Sein Name, so verlautete aus der DDR, sei ein "Synonym für die rücksichtslose Unterdrückung, für die grausamsten Untaten und für die Massaker zur Ausrottung der osteuropäischen Völker". In Ost-Berlin veranstaltete man einen Schauprozeß. Inzwischen ist im einzelnen dokumentiert, wie er vom Ministerium für Staatssicherheit gesteuert wurde. Oberländer wurde in Abwesenheit zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Von seinem Ministeramt mußte er zurücktreten. Aber er gab seinen privaten Kampf gegen die Anschuldigungen nicht auf. Zwei Tage nach seinem Tod kam ein Gericht zur endgültigen Entscheidung, das Verfahren wegen nicht vorhandener Verdachtsmomente einzustellen: Beweise für eine Beteiligung Oberländers an Greueltaten hatten sich nicht finden lassen, der Ost-Berliner Prozeß war ein windiges Unternehmen gewesen - und selbst sein DDR-Pflichtverteidiger Friedrich Wolff, der 1960 auf "schuldig" plädiert hatte, war inzwischen zum Mitstreiter für die völlige Rehabilitierung geworden.

Nun ist ein Band mit Erinnerungen an Oberländer und die "Bergmann"-Truppe erschienen, der die Geschichte aus der Binnenperspektive der Soldaten erzählt (Albert Jeloschek, Friedrich Richter, Ehrenfried Schütte und Johannes Semler: "Freiwillige vom Kaukasus. Georgier, Armenier, Aserbeidschaner, Tschetschenen und andere auf deutscher Seite. Der ,Sonderverband Bergmann' und sein Gründer Theodor Oberländer". Leopold Stocker Verlag, Graz 2004. 374 S. geb, zahlreiche Abb., 29, 90 [Euro]). Sicher ist es keine historiographische Höchstleistung mit den Finessen zeitgenössischer Theorie, sondern vor allem eine Sammlung von autobiographischen Zeugnissen der Beteiligten, mit dem stolzen Schlußbild einer späten Ordensverleihung durch Eduard Schewardnadse - und als solche durchaus respektabel.

Denn man erfährt Einzelheiten aus den Denkschriften, die Oberländer zwischen 1941 und 1943 der Führung zukommen ließ. Anders als Hitler, mit dem er im rein militärischen Ziel der Niederwerfung der Sowjetunion übereinstimmte, war Oberländer der Ansicht, daß dies mit einer Versklavungs- und Ausbeutungspolitik nicht zu erreichen sei. Darin war er mit Claus von Stauffenberg, mit Reinhard Gehlen von der Geheimdienstabteilung "Fremde Heere Ost" und mit dem Admiral Canaris einig, die den Krieg im Osten ähnlich beurteilten. 1943 wurde Oberländer deshalb auf Geheiß Himmlers - wegen "politischer Betätigung" - in Prag unter Hausarrest gestellt. Gerade Himmler war es, der sich in diesem Jahr bei seiner berüchtigten Rede vor den Gauleitern in Posen höhnisch über jene äußerte, die sich von der Hilfe russischer Verbände auf deutscher Seite, also vor allem der Wlassow-Armee, irgend etwas versprachen. Noch einmal wurde hier das Bild vom "Untermenschen" bekräftigt, gegen das Oberländer argumentiert hatte. Ungeklärt bleibt allerdings die Frage, ob und in welchem Maße der "Sonderverband Bergmann" oder Teile von ihm nach Oberländers Entlassung an den furchtbaren Massakern beteiligt waren, die sich deutsche Truppen bei der Niederschlagung des Warschauer Aufstands im Sommer 1944 zuschulden kommen ließen.

Man könnte den Fall, der letztinstanzlich geklärt ist, auf sich beruhen lassen und die Veröffentlichung der alten "Bergmann"-Kameraden als Landser-Folklore beiseite legen - wenn die Geschichte von Theodor Oberländer nicht auch das deutsche Feuilleton und die Umgangsformen, den Ton und die Selbstverständlichkeiten der Intellektuellen beträfe. Zwar hatte schon Philipp-Christian Wachs in seiner bei Michael Wolffsohn vorgelegten Dissertation (Der Fall Theodor Oberländer. Ein Lehrstück deutscher Geschichte, 2000) ein anderes, heute wohl weitgehend akzeptiertes Bild gezeichnet: sehr wohl das eines Nationalsozialisten, nicht jedoch eines Funktionärs der Vernichtung. Den von der DDR veranstalteten Prozeß sieht Wachs als eine "Groteske scheinbar objektiver Wahrheitsfindung". Aber noch vor knapp zwei Jahren konnte Gustav Seibt in seiner Laudatio auf Götz Aly zur Verleihung des Heinrich-Mann-Preises der Berliner Akademie der Künste vom "Massenmörder Oberländer" sprechen und so die Ost-Berliner Legende von 1960 in die Gegenwart verlängern. Proteste gab es nicht. Moralische Sensibilitäten sind in der deutschen Intelligenz nun einmal ungleich verteilt: Ginge es um Ulrike Meinhof, die verlorene Ehre der Katharina Blum und um die "Bild"-Zeitung, wir hätten längst einen handfesten Presseskandal. Aber mit ihrem Plädoyer für die Ehre von Theodor Oberländer werden, wie die Dinge liegen, seine alten Freunde wohl unter sich bleiben.

LORENZ JÄGER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nach den Worten von Rezensent Lorenz Jäger handelt es sich bei diesem Buch von Albert Jeloschek, Friedrich Richter, Ehrenfried Schütte und Johannes Semler über einen Sonderkampfverband der deutschen Wehrmacht zwar sicher nicht um eine"historiografische Höchstleistung mit den Finessen zeitgenössischer Theorie", sondern "vor allem eine Sammlung von autobiografischen Zeugnissen der Beteiligten". Als solche sei aber sie "durchaus respektabel". Vor allem will der Rezensent diese Veröffentlichung "der alten 'Bergmann'-Kameraden", und zugleich ein "Plädoyer für Theodor Oberländer" gelesen, aber nicht "als Landser-Folklore" beiseite gelegt sehen. Für Jäger geht es im "Fall Theodor Oberländer" nämlich auch um "das deutsche Feuilleton und die Umgangsformen, den Ton und die Selbstverständlichkeiten der Intellektuellen". 1959 wurde Oberländer als Vertriebenenminister zurückgetreten und von der DDR in Abwesenheit zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Ein weiteres Verfahren gegen Oberländer wegen Beteiligung an Gräueltaten während des zweiten Weltkriegs, so erfährt man von Jäger, zwei Tage nach seinem Tod "wegen nicht vorhandener Verdachtsmomente" eingestellt worden. In diesem Zusammenhang erregt den Rezensenten dann besonders, dass SZ-Autor Gustav Seibt Oberländer noch vor zwei Jahren in einer Rede einen "Massenmörder" genannt habe: "Proteste gab es nicht. Moralische Sensibilitäten sind in der deutschen Intelligenz nun einmal ungleich verteilt: Ginge es um Ulrike Meinhof, die verlorene Ehre der Katharina Blum und um die 'Bild'-Zeitung, wir hätten längst einen handfesten Presseskandal."

© Perlentaucher Medien GmbH
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