Produktdetails
  • Verlag: Residenz
  • Seitenzahl: 205
  • Deutsch
  • Abmessung: 22mm x 119mm x 195mm
  • Gewicht: 295g
  • ISBN-13: 9783701712410
  • ISBN-10: 3701712417
  • Artikelnr.: 09380435
Autorenporträt
Alex Capus, geboren 1961 in Frankreich, studierte Geschichte, Philosophie und Ethnologie in Basel und arbeitete während und nach seinem Studium als Journalist und Redakteur bei verschiedenen Tageszeitungen und bei der Schweizer Depeschenagentur. 1994 veröffentlichte Alex Capus seinen ersten Erzählband, dem seitdem neun weitere Bücher mit Kurzgeschichten, historischen Reportagen und Romanen folgten. Capus verbindet sorgfältig recherchierte Fakten mit fiktiven Erzählebenen, in denen er die persönlichen Schicksale seiner Protagonisten einfühlsam beschreibt. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt; für seine schriftstellerische Arbeit erhielt er zahlreiche Preise. Daneben hat Capus auch als kongenialer Übersetzer von Romanen des US-amerikanischen Autors John Fante gewirkt. Alex Capus lebt als freier Schriftsteller mit seiner Familie in Olten/Schweiz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.08.2001

Weltenbummler im Güterzug
Ewige Konditorei: Alex Capus studiert bejahrte Kleinstadthelden

Mit einer Tätowierung allein fällt man heutzutage nicht mehr auf. Ein zarter Schmetterling auf der Schulter oder ein grinsender Delphin über dem Fußknöchel gehören fast schon zum vertrauten Erscheinungsbild moderner Jugendlichkeit. Bei Johnny Türler aber ist das anders, denn er hat "Tätowierungen an Stellen, an denen anständige Leute nicht einmal Stellen" haben. Ein Pinguin aus Nantucket, eine Schildkröte aus Hawaii oder ein Segelschiff, dessen Herkunft und Liegeplatz nicht verraten werden: Johnnys gesamter Körper ist mit bunten Bildern bedeckt, was auf junge Mädchen, zumal wenn sie in einem kleinen Schweizer Städtchen leben, gewaltigen Reiz ausübt.

Johnny hingegen ist die Bilderpracht seines Leibes etwas peinlich. Auch Abenteurer kommen in die Jahre, und bei der Rückkehr in die väterliche Konditorei, wo er eine Zeitlang gewissenhaft die berühmten Leckereien des Familienbetriebs verkauft ("Türlers Champagner-Truffes sind die besten!"), muß sich Weltumsegler Johnny wie ein bestaunter Exot vorkommen.

Aber auch Johnnys Altersgenossen, allesamt in den angeblich besten Jahren, um die vierzig herum also, fühlen sich nicht wohl in ihrer Haut. Max Mohn zum Beispiel, ein verträumter Reporter, den Alex Capus schon in den Mittelpunkt seines ersten Romans "Munzinger Pascha" (1997) gestellt hatte, erlebt staunend das Ende seiner kurzen Ehe, ohne recht zu begreifen, warum seine Frau genug hat von den Geschichten, die er so gerne erzählt. Und Ackermann, ein Aussteiger mit grünen Haaren und vielen Ringen am Ohr, der sich seit seiner Jugend scheinbar nonchalant allen gesellschaftlichen Verpflichtungen ferngehalten hat, macht ausgerechnet eine Zivilschutzübung zum Schauplatz eines blutigen Selbstmordes.

Idyllisch ist die kleine Welt gewiß nicht, von der Alex Capus in den vierzehn Episoden seines jüngsten Romans erzählt. Manche seiner Figuren erscheinen sogar ziemlich seltsam - die alte Madame Alice etwa, die nach genau geregeltem Wochenplan einen kleinen Salon unterhält; der Kellner im Bahnhofsrestaurant, der akribisch alle Todesfälle aus der Zeitung notiert, oder Max' Tante Olga, die ihrem sterbenskranken greisen Vater zu einer grotesken Mahlzeit mit den erwähnten Champagner-Trüffeln verhelfen will. So sicher aber Capus die Unzulänglichkeiten und lächerlichen Seiten seiner Kleinstadthelden porträtiert, so sehr vermeidet er es aber auch, ihnen mit Spott oder Herablassung zu begegnen. Er bewahrt als Erzähler Loyalität und Sympathie für sie. Das erinnert an den Humor Gottfried Kellers, mit dem er die Bewohner seines Seldwyla bedacht hatte.

Doch ist Alex Capus kein Keller-Epigone, der vergangene Erzählmuster nachzuahmen versucht. Im Gegenteil: Mit diesem schmalen Buch, seinem dritten, hat der Schweizer Autor, der in diesem Jahr selbst vierzig wird, endgültig seinen eigenen Stil gefunden. Capus gelingt es beeindruckend, das Leben der glückshungrigen, wohlstandsgesättigten Mitt- und Enddreißiger mit geradezu schmerzlicher Präzision zu beschreiben und die Banalität alltäglicher Katastrophen in lakonische Wendungen zu fassen. Die Schauplätze seines Romans sind die Orte des modernen bürgerlichen Mittelstands: Ob im Bioladen oder während eines Betriebsfestes, ob in einer komfortablen Etagenwohnung, im Nachrichtenraum des Fernsehsenders oder auf einer Versammlung von Kaufleuten - immer wieder scheitern Johnny, Max und ihre Freunde bei der Suche nach jener Lebenserfüllung, von der sie vor mehr als zwanzig Jahren schon als Schüler geträumt haben. War es damals noch ein prickelndes Abenteuer, eine ganze Schulklasse nackter Mädchen in der Umkleidekabine des Schwimmbads heimlich zu beobachten, hat für die Erwachsenen längst auch die Sexualität ihren Zauber verloren: "Max denkt daran, daß viele Menschen in diesen Wohnblocks nur deshalb Kinder zeugen, weil die Hausordnung das Halten von Hunden und Katzen verbietet."

Mit solchen Aperçus setzt sich Capus immer wieder in Distanz zu seinen Helden, deren Nöte und Ängste er so genau kennt. Einen echten Weltenbummler aber kann die wohlgeordnete Provinz nicht dauerhaft fesseln oder gar lähmen. Am Ende, so lesen wir fast mit Erleichterung, verläßt der tätowierte Johnny die heimische Konditorei samt ihren Champagner-Trüffeln, verzichtet auf die bewundernden Blicke junger und alter Kundinnen und liegt sturzbetrunken in einem Güterzug, der ihn irgendwohin in den Süden bringen wird. Von seinem Aufwachen wird womöglich Capus' nächster Roman berichten. Wir dürfen neugierig sein.

SABINE DOERING.

Alex Capus: "Mein Studium ferner Welten". Ein Roman in 14 Geschichten. Residenz Verlag, Salzburg 2001. 208 S., geb., 34,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.04.2001

Olten ist Alles
Alex Capus’ neuer Roman „Mein Studium ferner Welten”
Der Schweizer verbringt die meiste Zeit seines Lebens auf dem Bahnhof, ohne je wegzufahren – die Geschichte ist alt und wird immer gerne wie ein Witz erzählt. Aber der Schweizer will immer fort. Fort aus Olten zum Beispiel, der literarischsten Stadt der Schweiz. Franz Hohler war hier und ging weg. Peter Bichsel war in Olten, und Otto F. Walter ging weg aus Olten. Aber Alex Capus – der jüngste und eleganteste von all diesen – hat Olten zur Bühne seines kleinen Romantheaters gemacht.
Alex Capus schreibt Geschichten, aus denen man am liebsten immer wieder zitieren möchte, damit die Nichtgeschichtenleser sehen, wie einem alles zur Geschichte werden kann: „Unser Sohn ist eine Geschichte. Das Auto ist eine Geschichte. Dieser Küchentisch ist eine Geschichte. Unser Liebesleben ist eine Geschichte. Alle unsere Hoffnungen sind eine Geschichte, unsere Enttäuschungen sind eine Geschichte. Sogar du selbst bist eine Geschichte.” So schimpft Ingrid auf ihren Ehemann Max Mohr in Capus’ neuem Roman „Mein Studium ferner Welten”. Und dann geht sie weg, verlässt den Geschichtenmann. Aber „Max blühte auf wie ein Baum nach überstandener Zeit der Dürre”.
Und Alex Capus erzählt weiter von Max’ Jugendfreund Johnny Türler, der einmal ein bunt tätowierter Abenteurer war und jetzt die berühmten Türler- Truffes in der Konditorei seines Vaters verkaufen muss. Erzählt vom Großvater, der mit offenem Mund im Altersheim liegt und erst, als Tante Olga ihm eine Truffe in den Mund stecken will, seinen Alemannenfluch entlässt: „Gopferdammi- Gopferdammi–Huergopferdammiseckelsiechnomol!” Das Leben in Olten ist aufregender als in Zürich, Paris oder Berlin. Weil hier alles so nah beieinanderliegt – der Goldene Ochse mit der Trinkerrunde, das Haus von Madame Alice, die sich in jungen Jahren die Haare grau färbte, um nicht mehr von den Männern belästigt zu werden.
„Ich glaube, man muss sich bescheiden und kleine Blitzlichter auf das menschliche Leben werfen”, sagt Alex Capus, dessen erster Roman „Munzinger Pascha” auch schon von Max Mohr erzählt, dem schreibgehemmten Lokalredakteur, der sich an die Lebensgeschichte des Olteners Werner Munzinger hängt, der hundert Jahre zuvor nach Ägypten ausgezogen war, um dort Frieden und Freiheit zu stiften. Mit „Munzinger Pascha” ist Alex Capus berühmt geworden. Und das ist auch eine dieser unglaublichen Geschichten, die in Olten anfangen: „Ich war Agenturjournalist und hatte nie einen Gedanken daran verschwendet, in den Literaturbetrieb einzusteigen.” Capus veröffentlichte seine Kurzgeschichten im Eigenverlag mit dem hübschen Namen „édition des copains”. Dann lief er mit einer Plastiktüte voller Geschichtenbändchen durch die Kneipen. Als Daniel Keel, der Chef des Diogenes-Verlages, ein Bändchen Capus-Geschichten in die Hand bekam, rief er den Oltener an und machte ihn zum Hausautor. „Das war dann sozusagen meine Hollywoodgeschichte.”
Bei Diogenes erschien nach dem „Munzinger Pascha” der Kurzgeschichtenband „Eigermönchundjungfrau”. Sein neues Buch „Mein Studium fremder Welten” hat Capus im Salzburger Residenzverlag veröffentlicht: „Es ist im modernen Fußball so: Man spielt eine Saison da und die andere da.”
Aber das Leben von Alex Capus spielt immer noch die meiste Zeit in Olten, dem kleinen Industriestädtchen, vierzig Kilometer von Basel. Eine Kleinstadt, die früher von der Schwerindustrie gelebt hat. Und die sich heute, wie Capus sagt, „in Richtung neue Märkte wandelt” – alles irgendwie unbestimmt wie das, was um Max Mohn und Ingrid und Johnny Türler und die anderen herum passiert.
Capus’ Erzählungen handeln vom Glück – auch vom Glück des Scheiterns. Zum Beispiel wenn Johnny Türler am Ende eines langen Abends im Bahnhofsrestaurant versehentlich im Güterzug einschläft und sechzehn Stunden später auf einem nach Thymian duftenden Feld bei Avignon erwacht und hinausblinzelt „ins flimmernde Licht des Südens”. (Alex Capus liest um 20 Uhr im Café Muffathalle, Zellstraße4.)
HILMAR KLUTE
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Menschen mit eigenem Gesicht, eigenem Charakter und eigenen Geschichten ist Agnes Hüfner bei der Lektüre des Buches begegnet. Anders als in so vielen Romanen der jungen deutschsprachigen Literatur diene das Dasein der Figuren hier nicht allein dem Helden als Reflexionsebene seiner eigenen Eigenschaften. Gut so, meint die Rezensentin, gut auch, dass der Held des Buches immer so genau hinschaut. Und dass für den Autor einfach "alles eine Geschichte hat" - mitunter gar eine "schräge" -, ihm "die Welt lesbar ist" und er uns "leicht und elegant" seine Erkundungen (aus dem Reich der Gummibäume und Staubmäuse) mitzuteilen vermag, gefällt Hüfner dermaßen gut, dass sie glatt überhört, wie wenig elegant es tatsächlich klingt, wenn ein Blatt, und sei es von einem Gummibaum, aufs Linoleum "aufschlägt".

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein begnadeter Erzähler." Die Weltwoche

"Federleicht geschrieben, spannend zu lesen und damit eine Rarität für den deutschen Sprachraum." Der Spiegel

"Was Alex Capus interessiert, sind ganz alte Themen: die Verheißungen und Hindernisse des Glücks, und unter diesen Hindernissen das fatalste, der Tod. Meisterhaft." Frankfurter Allgemeine Zeitung

"Alex Capus ist ein wunderbarer Erzähler, für den alles eine Geschichte hat, die Welt lesbar ist; komische Geschichten, traurige, schräge und schlichte. Wo immer Capus eine Spur aufgreift, wird er fündig und teilt uns leicht und elegant seine Erkundungen mit." Süddeutsche Zeitung

"Wie wohl kein anderer Autor seiner Generation kann Capus für sich in Anspruch nehmen, das Werk seiner Vorbilder Anton Tschechow und Raymond Carver fortzuschreiben ... Es hat etwas Beeindruckendes, wie dieser Autor so gänzlich unberührt von Modeströmungen an der Gattung der Kurzgeschichte arbeitet, ihre Tradition weiterentwickelt und ihr Neues abverlangt. Mit 'Mein Studium ferner Welten' ist Capus zum dritten Mal ein großartiges Buch gelungen." Der Standard

"Alex Capus sieht im Nichts der uninteressanten Stadt ein Biotop kleiner, halbwegs geglückter oder verunglückter Lebensgeschichten, und wir wollen sofort nach Olten ziehen...Wie macht Alex Capus das? Indem er uns zeigt, welche Fülle an Geschichten überall um uns herum zu entdecken sind, wenn man nur richtig gucken kann. Und wenn man dann auch noch so schwebend leicht, liebevoll genau erzählen kann wie er, dann sind wir Leser glücklich und wünschen uns, dass wir mehr erfahren ..." Elke Heidenreich, WDR2

"Federleicht geschrieben, humorvoll und klug: ein wunderbarer kleiner Roman über das schrecklich-schöne Leben in der Provinz." Focus Online

"Alex Capus präsentiert die traurig-komischen Helden Johnny Türler und Max Mohn mit soviel Zärtlichkeit und Ironie ..., dass man ihnen noch lang nach der Lektüre hinterher weint." Die Welt, Kultur Online

"Eine Sammlung meisterlicher Short-Stories über die Abgründe des normalen Bürgertums." Hamburger Morgenpost
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