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Produktdetails
  • Verlag: Residenz
  • Originaltitel: Romulus, My Father
  • Seitenzahl: 208
  • Abmessung: 210mm x 135mm x 22mm
  • Gewicht: 361g
  • ISBN-13: 9783701712397
  • ISBN-10: 3701712395
  • Artikelnr.: 09380468
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.06.2001

In Gottes Werkstatt
Australien, Provinz: Raimond Gaita erzählt das Leben seines Vaters

In Australien begann der Multikulturalismus - das öffentliche Bewußtsein also, nicht nur britisch bis auf die Knochen zu sein - in den frühen siebziger Jahren, nach einem Regierungswechsel von den Konservativen zur Labour Party. Es wurde ein langer, langsamer Prozeß, und der italienische Frisör, der sich noch im vergangenen Jahr Joseph nannte, heißt erst seit ein paar Monaten wieder Giuseppe, geschäftsfördernd, wie er glaubt. Damals aber, im Jahre 1950, als der gelernte Schmied Romulus Gaita aus dem rumänischsprachigen Teil Jugoslawiens mit seiner Familie in den fünften Kontinent auswanderte, kümmerte man sich ganz und gar nicht um das, was er an Erfahrung und Tradition mitbrachte, sondern drückte ihm eine Spitzhacke in die Hand und rief ihn Jack. Im übrigen gehörte er zur Kategorie der "Balten", denn große Mühe machte man sich nicht, das von Europa her angeschwemmte Heer von "Neuaustraliern" ethnisch zu differenzieren.

Die Lebens- und Leidensgeschichte dieses Romulus Gaita hat nun sein Sohn aufgezeichnet; daß das Buch in Australien mehrfach mit Preisen bedacht wurde, zeugt von der Intensität der Darstellung ebenso wie von dem endlichen Triumph multikultureller Akzeptanz. Denn bei allen Reibungen und Konflikten ist dieser Prozeß des Zusammenwachsens von mehreren Dutzend unterschiedlicher Nationalitäten dort friedlich verlaufen und ohne die häßlichen Gewaltsamkeiten der Ausländerfeindlichkeit.

Romulus Gaitas Nöte und Leiden haben allerdings zu einem beträchtlichen Teil ganz private Ursachen, von denen nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, daß sie in diesem Jahrhundert der Kriege, Fluchten und Vertreibungen ihren Ursprung haben. Gaitas Mutter, eine Deutsche, war es vor allem, die der jungen Familie Unruhe und Verstörung brachte; Depressionen trieben sie in Promiskuität, in neue, unsichere Bindungen und schließlich zu mehreren Suizidversuchen, bis der letzte gelang. Danach wurde für Romulus die Brieffreundschaft mit der schönen Lydia zur neuen Katastrophe, die ihn nun selbst in die Hände der Psychiatrie brachte: Die schöne Lydia, die er verliebt auf seine Kosten einwandern läßt, trifft mit einem Ehemann ein, den sie verschwiegen hatte. Erst eine zweite Ehe mit der Jugoslawin Milka wird ihm ein ruhiges Alter im letztlich doch fremd gebliebenen Land bescheren.

Die eigentliche erzählerische Substanz des Buches bilden die Schilderungen des Lebens irgendwo im ländlichen Teil des Staates Victoria im Süden des australischen Kontinents. Frogmore heißt das verfallende Haus, Jack der Kakadu, Orloff der Hund; auf schlechten Straßen werden wilde Motorradfahrten veranstaltet, Freundschaften entstehen und zerfallen, Slibowitz-Gelage und Prügeleien wechseln mit herzlicher Solidarität. Eine eigentümliche Schönheit aber entfaltet zuweilen die weite Landschaft mit ihren dürren Bäumen im magischen Licht des Mondes oder gegen den tiefblauen Himmel. "Es war, als ob Gott mich in das Innerste seiner Werkstatt geführt und mir etwas ganz Besonderes gezeigt hätte."

Denn nicht eine Tragödie ist am Ende diese Lebensgeschichte des Romulus Gaita, sondern eher ein Bild von Leidenschaft und Torheit, Arbeit und Not einer Generation, die finstere Zeiten durchleben mußte und immer wieder den Versuch machte, sich in ihrer Menschenwürde zu behaupten. Gedacht ist das Buch als Monument, das ein dankbarer Sohn seinem Vater errichten möchte. Raimond Gaita wurde 1946 in Deutschland geboren und hat in Melbourne Psychologie und Philosophie studiert. Jetzt lehrt er in London Moralphilosophie, für die er nun auch als Erzähler tätig geworden ist.

GERHARD SCHULZ

Raimond Gaita: "Romulus, mein Vater". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Wolfgang Astelbauer. Residenz Verlag, Salzburg, Frankfurt und Wien 2001. 208 S., geb., 39,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Auch wenn sich Gerhard Schulz einer deutlichen Bewertung des Romans des 1946 in Deutschland geborenen und heute in London Philosophie lehrenden Raimond Gaita enthält, so wird in seiner Besprechung doch deutlich, dass er das Monument, das der Autor dem Vater errichten wollte, recht gelungen findet. 1950 wanderte Romulus Gaita aus dem rumänischsprachigen Teil Jugoslawiens nach Australien aus. Die Lebens- und Leidensgeschichte des Vaters und der Familie hat nun der Sohn aufgezeichnet. Und zwar sehr anschaulich, sonst wäre der Roman in Australien kaum mit mehreren Preisen bedacht worden, mutmaßt der Rezensent. Auch wenn das Leiden eine zentrale Rolle in der Familiengeschichte spielt - für Schulz ist der Roman keine Tragödie, sondern "ein Bild von Leidenschaft und Torheit, Arbeit und Not einer Generation, die finstere Zeiten durchleben musste und immer wieder den Versuch machte, sich in ihrer Menschenwürde zu behaupten."

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