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Die auf breiter internationaler Quellen- und Literaturbasis erarbeitete Monographie erörtert die Entwicklung der politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und militärischen Konfliktgemeinschaften in den böhmischen und südslawischen Ländern Österreich-Ungarns, die epochalen Erschütterungen des Ersten Weltkrieges und den Bruch der Tschechen, Slowaken und Südslawen mit der Habsburgermonarchie, die schwierige Bildung der Nachfolgestaaten, die Innen- und Außenpolitik der Tschechoslowakei und Jugoslawiens, die Zerschlagung der Friedensordnung von…mehr

Produktbeschreibung
Die auf breiter internationaler Quellen- und Literaturbasis erarbeitete Monographie erörtert die Entwicklung der politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und militärischen Konfliktgemeinschaften in den böhmischen und südslawischen Ländern Österreich-Ungarns, die epochalen Erschütterungen des Ersten Weltkrieges und den Bruch der Tschechen, Slowaken und Südslawen mit der Habsburgermonarchie, die schwierige Bildung der Nachfolgestaaten, die Innen- und Außenpolitik der Tschechoslowakei und Jugoslawiens, die Zerschlagung der Friedensordnung von Versailles/Saint-Germain/Trianon durch Hitler, die NS-Eroberungs- und Besatzungspolitik in Böhmen, Mähren, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Slowenien, den Völkermord an den Juden im Protektorat, in der Slowakei, im Ustasa-Staat und in Serbien, die Vergeltung an den und die Vertreibung der Sudeten- und Karpatendeutschen sowie der Deutschen in Slowenien, Kroatien und der Vojvodina, schließlich die Erinnerung und Historisierung der mehr als 100-jährigen Konfliktgeschichte östlich und westlich des Eisernen Vorhangs und in den post-kommunistischen Nationalstaaten am Ende des 20. Jahrhunderts in Ostmittel- und Südosteuropa. Im Mittelpunkt stehen einerseits die ethnisch-nationalen Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Tschechen, Slowaken, Serben, Kroaten und Slowenen sowie zwischen Magyaren und Slowaken, Serben und Kroaten, andererseits die staatlich-nationalen Auseinandersetzungen des Deutschen Reiches und Österreichs mit der Tschechoslowakei und Jugoslawien. Obwohl in der 150-jährigen historischen Entwicklung Ostmittel- und Südosteuropas seit 1848 eine Reihe von Kaisern, Königen, Präsidenten, Kanzlern, Ministerpräsidenten, Ministern, Großunternehmern, Generaldirektoren, Botschaftern, Generälen, Gauleitern und Höheren SS- und Polizeiführern als Akteure auftraten, sind es drei Personen, die auch in der historischen Erinnerung am Beginn des 21. Jahrhunderts noch immer präsent sind: der deutsche "Führer" und Reichskanzler Adolf Hitler (1889-1945), der tschechoslowakische Außenminister und Präsident Edvard Benes (1884-1948) und der jugoslawische Partisanenführer und Präsident Josip Broz Tito (1892-1980).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für Karl-Peter Schwarz steht fest: Das Erinnern an die großen historischen Verwerfungen vor und den Tiefpunkt zu der Zeit zwischen 1938 und 1948 ist noch nicht abgeschlossen und braucht Anleitung. Schwarz findet sie in diesem monumentalen Versuch des Historikers Arnold Suppan mit seinen Kurzbiografien zu Tito, Benes und Hitler, mit seinem Forschungsüberblick und seinen Antworten auf die Frage, wie es dazu kommen konnte. Wie Suppan ausgehend von den Volkskämpfen in der Habsburgermonarchie über die Weltkriege bis heute zerstörerische Dynamiken erkennbar macht, faktografische Fehler und politische Interpretationen polemisch markiert und keine akademische Empfindlichkeit berücksichtigt, hat dem Rezensenten nachhaltig imponiert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.04.2014

Tiefpunkttreffen der Altösterreicher
Wie Hitler, Benes und Tito die mitteleuropäische Lebenswelt gewaltsam zerrissen

Über Ost-, Mittel- und Südosteuropa ist im vergangenen Vierteljahrhundert eine wahre Flut an Büchern hereingebrochen. Allerdings wurde die Geschichtsschreibung, wie Arnold Suppan anmerkt, "immer wieder in den Dienst der Vergangenheitsbewältigung gestellt, mittels Geschichtsklitterung wurden bestimmte Bestandteile der damaligen Realität besonders hervorgehoben, andere Aspekte bewusst marginalisiert oder gänzlich verschwiegen". Suppan legt jetzt ein Mammutwerk zur Geschichte Ostmittel- und Südosteuropas vor: Auf mehr als 2000 Seiten schildert er in drei kiloschweren Bänden die Geschichte der nationalen Konflikte, der Kriege und der Genozide, beginnend mit den Volkstumskämpfen in der Habsburgermonarchie über die beiden Weltkriege und ihr nationalistisches Zwischenspiel zu den kollektiven Entrechtungen und Enteignungen, Vertreibungen und Zwangsaussiedlungen bis hin zu den jüngsten Bemühungen, die im "Zeitalter der Extreme" gelegten Minen erinnerungspolitisch zu entschärfen. Er behandelt die Dynamik, die die habsburgisch geprägte mitteleuropäische Lebenswelt gewaltsam zerriss und durch ethnische Säuberungen die Trennung von Deutschen und Österreichern auf der einen, Tschechen, Slowaken, Slowenen, Kroaten und Serben auf der anderen Seite besiegelte.

In der Einleitung gibt der Autor einen Überblick über den Stand der Forschung und die erinnerungspolitischen Kontroversen in Österreich, Deutschland, der Tschechischen Republik, der Slowakei und in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens. Er verweist darin ohne diplomatische Umschweife auf faktographische Fehler und politisch induzierte Interpretationen. Und er nimmt weder auf akademische Empfindlichkeiten Rücksicht noch auf den Kodex der politischen Korrektheit "deutscher Fachhistoriker der 68er-Generation". An Österreich kritisiert er die Tendenz, den Vertreibungskomplex "wider besseres Wissen" aus der eigenen Geschichte zu lösen und in die deutsche auszulagern. Schon nach wenigen Seiten wird dem Leser klar, dass Suppan nicht darauf aus ist, Polemiken aus dem Weg zu gehen und Konflikten auszuweichen.

Der gebürtige Kärntner des Jahrgangs 1945 lehrte von 1994 bis 2001 an der Wiener Universität, leitete von 1988 bis 2002 das Ost- und Südosteuropainstitut und von 2003 bis 2011 die Historische Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Als einer der wenigen Historiker beschäftigte sich Suppan schon während des Kalten Krieges intensiv mit "Zwischeneuropa", dem geopolitischen Raum, der sich östlich von Deutschland und westlich von Russland von der Ostsee bis zur Adria und zum Schwarzen Meer erstreckt. Als die kommunistischen Regime stürzten, stand er bereits seit vielen Jahren mit tschechischen, slowakischen, ungarischen, südslawischen Historikern in Verbindung, war mit ihren wissenschaftlichen Stärken ebenso vertraut wie mit ihren politisch bedingten Schwächen.

Historiker, die über die Geschichte dieses komplexen, sprachlich und kulturell heterogenen Raums im 20. Jahrhundert forschten, wurden als Politikberater nach 1989 unentbehrlich. Der Zerfall des sowjetischen Imperiums sowie der jugoslawischen und der tschechoslowakischen Föderation beanspruchte die Geschichte in ihrer doppelten Funktion als Lehrerin und Magd der Politik. Suppan beteiligte sich an den scharfen Debatten über die Benes-Dekrete ebenso engagiert wie an jenen über die Beschlüsse des "Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens" (AVNOJ), mit denen der deutschen Volksgruppe in Jugoslawien die Existenzgrundlage entzogen wurde.

In diesen politisch meist fruchtlosen und schließlich aus Ermattung eingestellten Debatten, mit denen sich im Vorfeld des tschechischen und slowenischen EU-Beitritts die Regierungen, die nationalen Parlamente und die Gremien der EU befassten, mangelte es, so Suppan, meist an der Berücksichtigung des "Gesamtzusammenhangs von nationaler Konfliktgeschichte - Besatzungspolitik - Widerstand - Kollaboration - Vergeltung - Vertreibung - Erinnerung". Diesen Informations- und Bewertungsmangel will er beheben. Es geht ihm um eine schlüssige Antwort auf die Frage, wie es zu diesem "absoluten Tiefpunkt" kommen konnte, den das Jahrzehnt zwischen 1938 und 1948 in der "tausendjährigen Beziehungsgeschichte zwischen den Bevölkerungen an Elbe, Moldau, Oder, March, Donau, Mut, Drau und Save" darstellt.

Der Titel "Hitler - Benes - Tito" verweist auf den zeitlichen Ablauf und auf den mit Einschränkungen kausalen Zusammenhang der Vertreibungen und Vertreibungsverbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg mit der gewaltsamen Neuordnung Europas durch Hitler und die nationalsozialistischen Verbrechen. Die Schuldanteile lassen sich nicht gegeneinander aufrechnen, Verbrechen bleiben Verbrechen, auch wenn sie in der Folge anderer Verbrechen begangen wurden. Die Erwähnung von Benes und Tito in einer Zeile mit Hitler wird dem Autor vermutlich den gängigen Vorwurf einbringen, Unvergleichliches vergleichen zu wollen. Doch abgesehen davon, dass sich Vergleichen und Gleichsetzen voneinander unterscheiden wie der Gedankenstrich vom Gleichheitszeichen, gibt es zwischen Tito, Benes und Hitler zahlreiche Gemeinsamkeiten, die sich nicht nur auf ihre verhängnisvolle Rolle als Urheber der größten Vertreibungen auf dem Gebiet der ehemaligen Donaumonarchie beschränken. Als Einstieg bietet Suppan kurze Biographien der drei Politiker, die man - wider Willen, auch explizit gegen ihren eigenen - als Altösterreicher begreifen muss, um sie verstehen zu können.

Hitler, Benes und Tito gehörten der Generation an, die im ausgehenden 19. Jahrhundert geboren wurde und zwei Weltkriege verursachte und erlitt. Benes, geboren 1884, war der älteste, Hitler war um fünf Jahre jünger, Tito um acht Jahre. Sie entstammten einfachen Verhältnissen, wurden katholisch getauft und waren in ihrer Jugend den geistigen Strömungen des Positivismus, Sozialismus und Nationalismus ausgesetzt, die im Wien der Jahrhundertwende vorherrschten. Sie waren sich einig in der Ablehnung des etablierten Liberalismus, des katholischen Universalismus und der supranationalen Ordnung des Habsburgerreiches, und sie verachteten den "Parasitismus" des Wiener Hofs. Nur Tito kämpfte in der österreichisch-ungarischen Armee, Hitler flüchtete nach Bayern, Benes wurde - vermutlich wegen seiner geringen Körpergröße - vom Wehrdienst freigestellt. Aus der Schule des Weltkriegs ging Hitler als Nationalsozialist, Benes als tschechischer Nationalist, Tito als Kommunist hervor. Einig waren sie sich in der Rolle des Staates als Instrument einer an kollektiven Zielen orientierten Volksgemeinschaft, die dazu legitimiert wäre, ihre vermeintlichen Interessen mit Gewalt durchzusetzen.

Alle drei dachten und handelten in unterschiedlichen Zusammenhängen totalitär, auch der Demokrat Benes, der sich in seinem "ethnic engineering" Hitlers Bevölkerungsverschiebungen explizit zum Vorbild nahm. Die Alliierten sanktionierten diese Politik 1945 in Potsdam und erfüllten damit "die wesentlichste Intention der tschechischen, slowakischen und südslawischen Nationalisten: Sie wollten das Land - aber ohne dessen deutsche Bevölkerung, einerlei, ob sie eine Mehrheit oder Minderheit dargestellt hatte." Titos späterer Landwirtschaftsminister Faso Cubrilovic - einer der Attentäter in Sarajevo am 28. Juni 1914 - forderte während des Zweiten Weltkriegs die Aussiedlung der deutschen und der anderen nichtserbischen Minderheiten. Sepp Janko, der deutsche Volksgruppenführer im westlichen Banat, plädierte für Zwangsumsiedlungen, um gegenüber den Serben "Volksboden" zu gewinnen. Im Schatten des braunen und des roten Totalitarismus wurden nationale Projekte realisiert, die tief im 19. Jahrhundert wurzelten.

Die Flut an Literatur über Flucht und Vertreibung zeugt von einer Gegenwart im Zeichen fortwährenden Gedenkens, in der das Bereden an die Stelle des Beschweigens getreten ist. Es muss erinnert werden, um einmal vergessen zu können. Dieses Kapitel der Geschichte ist noch nicht abgeschlossen, es wirkt weiter in seinen politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen, demographischen und kulturellen Folgen. Mit seiner großen Erzählung hat Suppan einen wichtigen Beitrag geleistet, dass es richtig erinnert werden kann.

KARL-PETER SCHWARZ.

Arnold Suppan: Hitler - Benes - Tito. Konflikt, Krieg und Völkermord in Ostmittel- und Südosteuropa. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2013. 2060 S., 148,- [Euro].

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