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Dieses Buch ist ein Erfahrungs- und Forschungsbericht über eine 30-jährige Beschäftigung mit jungen Menschen, die ein Tötungsdelikt begangen oder versucht haben. In denjenigen Fällen, in denen es nicht zur vollendeten Tötung kam, wurden die Opfer meist schwer verletzt und trugen dauerhafte körperliche oder psychische Schäden davon. Die Legalentwicklung der Stichprobe, auf die sich diese Darstellung stützt, wurde über lange Jahre hinweg anhand der Auszüge aus dem Bundeszentralregister und der Erziehungskartei verfolgt. In einer Reihe von Fällen war es auch, zum Teil viele Jahre nach der…mehr

Produktbeschreibung
Dieses Buch ist ein Erfahrungs- und Forschungsbericht über eine 30-jährige Beschäftigung mit jungen Menschen, die ein Tötungsdelikt begangen oder versucht haben. In denjenigen Fällen, in denen es nicht zur vollendeten Tötung kam, wurden die Opfer meist schwer verletzt und trugen dauerhafte körperliche oder psychische Schäden davon. Die Legalentwicklung der Stichprobe, auf die sich diese Darstellung stützt, wurde über lange Jahre hinweg anhand der Auszüge aus dem Bundeszentralregister und der Erziehungskartei verfolgt. In einer Reihe von Fällen war es auch, zum Teil viele Jahre nach der Indextat, möglich, mit den Probanden persönlich Kontakt aufzunehmen und auf diese Weise Informationen über ihre Biographie zu erhalten.
Eine einmalige Langzeitstudie zum Thema Gewaltentwicklung
Autorenporträt
Prof. em. Dr. med. Dr. phil. Helmut Remschmidt Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Philipps-Universität Marburg, Schützenstraße 49, 35033 Marburg. Unter Mitarbeit von Matthias Martin, Gerhard Niebergall und Reinhard Walter. Mit einem Beitrag von Britta Bannenberg
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit großem Interesse hat Rezensentin Martina Lenzen-Schulte die von Helmut Remschmidt nun veröffentlichte Studie zu Tötungs- und Gewaltdelikten junger Menschen gelesen. Der ehemalige Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Marburg lege darin seine Untersuchungsergebnisse aus der drei Jahrzehnte langen Beschäftigung mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor, die in ihrem Leben bereits Morde und Gewaltverbrechen begangen haben, informiert die Kritikerin. Sie liest in dieser bedeutsamen Studie nicht nur wertvolle Nachuntersuchungen über einen Zeitraum von fast dreizehn Jahren, der ihr Einblicke in die spätere kriminelle Entwicklung und die individuelle Biografie der Delinquenten gewährte, sondern auch die interessante Beobachtung, dass nur eine relative kleine Gruppe von Intensivtätern für etwa achtzig Prozent aller Gewalttaten einer Alterskohorte verantwortlich ist. Neben den wesentlichen von Remschmidt geforderten Verhaltensdirektiven lobt die Rezensentin insbesondere den Beitrag von Britta Bannenberg, die Fälle von Mehrfachtötungen von Jugendlichen als Amokläufer analysierte. 

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.04.2013

Was man von jungen Totschlägern und Mördern wissen kann
Fatale Biographien: Helmut Remschmidt hat eine wichtige Längsschnittstudie über kindliche und jugendliche Gewalttäter in Deutschland vorgelegt

Der typische Tagesablauf eines Jugendlichen, der das Potential hat, zum Gewalttäter, Mörder oder Totschläger zu werden, sieht so aus: "Er ist 17 Jahre alt, er stammt aus einer problematischen Familie ... Der Vater ist Alkoholiker, die Mutter depressiv, er lebt ... bei seiner alleinerziehenden Mutter im 5. Stock eines Mehrfamilienhauses einer Großstadt. Er hat die Hauptschule abgebrochen, den Berufsvorbereitungslehrgang ,geschmissen', Bewerbungen ... gar nicht erst geschrieben. Seine Mutter, die eine Teilzeitstelle als Reinigungskraft hat und morgens um 7 Uhr das Haus verlässt, hat jeden Einfluss auf ihren Sohn verloren. Er schläft bis nachmittags um 16 Uhr ... und trifft sich um 18 Uhr mit seiner Clique, bewaffnet mit einer Flasche Wodka und einem Messer."

Das ist mitnichten ein Vorausurteil, das jemand klischeehaft fällt. Das ist im Gegenteil ein Fazit aus drei Jahrzehnten Beschäftigung mit jenen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die in ihrem Leben bereits Gewalttaten und Morde verübt haben. Helmut Remschmidt, der ehemalige Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Marburg und international anerkannter Experte für Fragen von Gewaltdelikten junger Menschen, umreißt mit solchen Worten eine Risikogruppe, deren Existenz immer noch lieber geleugnet oder deren Beschreibung zumindest politisch korrekt geschönt wird.

Remschmidts Ansicht nach "müssen derartige junge Menschen von der Straße geholt werden", um zu lernen, ihren Tag zu strukturieren. Er hält es für eine Präventionspflicht, ihnen beizubringen, "dass Anstrengung und Arbeit zufriedenstellen und das Selbstbewusstsein stärken". Das ist nicht wohlfeil dahergeredet, und der Imperativ "müssen" kommt nicht unbedacht zur Anwendung. Da sich diese jungen Menschen erkennbar nicht mehr aus eigenem Antrieb auf Förderungsangebote einlassen und diese auch nicht durchhalten können, sei "der Gesetzgeber gefragt, eine Verpflichtung an die Stelle der Freiwilligkeit zu setzen".

Remschmidt hat als Forscher eine der bedeutendsten Längsschnittstudien über kindliche und jugendliche "Tötungsdelinquenten" koordiniert. Das Buch, das er darüber vorlegt, umfasst in der Hauptsache die Detailanalyse von 114 Delinquenten - 103 männliche Täter und 11 Täterinnen. Eingegangen in diese Untersuchung sind die Gutachten von allen jugendlichen Delinquenten, die zwischen 1976 und 2007 an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Marburg begutachtet wurden. Die Täterinnen und Täter waren zwischen vierzehn und einundzwanzig Jahre alt, gut die Hälfte von ihnen (54,2 Prozent) tötete oder ermordete insgesamt 70 Menschen. In den übrigen Fällen handelte es sich um versuchte Tötungsdelikte oder um Körperverletzungen. Dreißig Prozent dieser Straftäter waren Ausländer oder hatten einen Migrationshintergrund. Der Anteil der Vierzehn- bis Einundzwanzigjährigen mit Migrationshintergrund an der gesamten Bevölkerung liegt bei 6,37 Prozent und der Anteil dieser Altersgruppe an der Bevölkerung mit Migrationshintergrund liegt bei 8,57 Prozent. Das stimmt mit manchen, allerdings längst nicht mit allen Studien überein, die zu dem Ergebnis gelangen, dass unter jugendlichen Gewalttätern solche mit Migrationshintergrund überproportional vertreten sind.

Parallel zur Gruppe der Delinquenten wurde eine Vergleichsgruppe aus 114 Jugendlichen gebildet, die im Hinblick auf Alter, Geschlecht, Intelligenz und hinsichtlich ihrer psychiatrischen Diagnose vergleichbar waren. Das geschah, weil häufig für beides - bestimmte psychiatrische Erkrankungen und Gewalt- und Tötungsdelikte - dieselben Risikofaktoren und Belastungen genannt werden. Was diese Studie zu einer der bisher wertvollsten in diesem Bereich macht, ist die langjährige Beobachtung der Lebensschicksale - Nachuntersuchungen konnten im Durchschnitt noch nach fast dreizehn Jahren vorgenommen werden. Überdies konnte die spätere kriminelle Entwicklung nicht nur anhand des Bundeszentralregisters verfolgt werden, sondern es gelang zum Teil noch viele Jahre nach der Tat durch persönliche Kontaktaufnahme, etwas über die individuelle Biographie zu erfahren.

Die Auswertung der so erhobenen Informationen und Daten erlaubte die Bildung zahlreicher Kategorien und Vergleichsgruppen; beispielsweise von Gruppentätern, die für etwa vierzig Prozent aller Straftaten unter Jugendlichen und Heranwachsenden verantwortlich sind, was die große Bedeutung der Peergroup auch an diesem Ende der Verhaltensskala unterstreicht. Wichtig dürfte auch die Beobachtung sein, dass etwa ein Drittel der Stichprobe passager straffällig wurde, knapp vierzig Prozent jedoch chronisch Straftaten begingen, unter denen die Intensivtäter mit mehr als je dreißig Straftaten eine Untergruppe ausmachten: Sie waren zwar bereits früh in jeder Beziehung "auffälliger", unterschieden sich jedoch beispielsweise hinsichtlich der familiären Belastung nicht von den anderen Teilgruppen.

Diese verhältnismäßig kleine Gruppe von Intensivtätern ist für bis zu 80 Prozent aller Gewalttaten einer Alterskohorte verantwortlich. Nicht ignorieren sollte man außerdem den Befund, dass sich auch die schiere Summe aller Eigentumsdelikte vor dem vierzehnten Lebensjahr negativ auf die Prognose auswirkt. Selbst wenn diese Delikte nicht registriert werden, birgt solch ausgeprägt delinquentes Verhalten in der Kindheit offenbar keine geringe Gefahr, dass die Betroffenen sich zu chronischen Straftätern entwickeln.

Besondere Aufmerksamkeit verdient in dem Band die umfangreiche Aufarbeitung der Mehrfachtötungen von Jugendlichen als Amokläufer durch Britta Bannenberg vom Institut für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug. Diese Straftäter unterscheiden sich zum Teil erheblich von den übrigen jungen Gewalttätern. Analysiert wurden achtzehn Fälle aus Deutschland und je einer aus Finnland und den Vereinigten Staaten, weil vor allem der Fall an der Columbine High School viel Dokumentationsmaterial bot. Spätere Amokläufer - und deren Elternhäuser - weisen nicht die typischen Risikofaktoren auf, sie werden zum Beispiel nicht in der Schule durch Gewalt, Aggressionen oder gestörtes Sozialverhalten auffällig, und deutlich häufiger kommen Schusswaffen zum Einsatz.

Wichtig für künftige Verhaltensdirektiven an Schulen dürfte der Abschnitt sein, in dem Bannenberg beispielhaft drei Fälle vom Umgang mit angekündigten Amokläufen darstellt. Von ernsthaften Drohungen erfahren am ehesten die Mitschüler, Lehrer sind darüber kaum je genügend informiert. Das Stoppen von Amokläufern in letzter Sekunde traut man Lehrern dennoch zu, jedenfalls im amerikanischen Bundesstaat South Dakota. Dort wurde im März erstmals die flächendeckende Bewaffnung von Lehrern in Schulen gestattet.

MARTINA LENZEN-SCHULTE.

Helmut Remschmidt: "Tötungs- und Gewaltdelikte junger Menschen".

Mit einem Beitrag von Britta Bannenberg. Springer Verlag, Berlin/Heidelberg 2012. 462 S., geb., 59,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Aus den Rezensionen:

"... Dieses Buch leistet einen fachlich fundierten Beitrag zu einem durch Medien und Politik emotional aufgebauschten Thema und wird sicherlich insbesondere für Jugendforensiker zu einem Referenzwerk werden." (Christian Perler, in: Schweizwer Archiv für Neurologie und Psychiatrie, Swiss Archives of Neurology and Psychiatry, 2014, Vol. 165, Issue 1, S. 34)

"... Dem Buch gebührt der Verdienst, Forschung für den Praktiker lesbar und nachvollziehbar zu machen. So bietet es sowohl dem forensisch Erfahrenen als auch dem Laien viele neue Aspekte auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand ..." (Renate Schepker, in: Deutsches Ärzteblatt, 08/Juli/2013, Issue 27-28)