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1870 ereignete sich in Rom ein politisches Erdbeben: Der seit dem 8. Jahrhundert bestehende Kirchenstaat existierte nicht mehr und italienische Soldaten trieben dem Vatikan mit Gewalt die letzten politischen Ambitionen aus. Der Papst hat keine Truppen mehr und keinerlei politische Machtmittel. Und doch verzeichnet das 20. Jahrhundert den beispiellosen Aufstieg des Papsttums. Ludwig Ring-Eifel zeichnet die atemberaubende Geschichte dieses Aufstiegs auf. Er verschweigt die Affären und Abgründe päpstlicher Politik und Geheimdiplomatie nicht, aber er enthüllt auch kenntnisreich den singulären…mehr

Produktbeschreibung
1870 ereignete sich in Rom ein politisches Erdbeben: Der seit dem 8. Jahrhundert bestehende Kirchenstaat existierte nicht mehr und italienische Soldaten trieben dem Vatikan mit Gewalt die letzten politischen Ambitionen aus. Der Papst hat keine Truppen mehr und keinerlei politische Machtmittel. Und doch verzeichnet das 20. Jahrhundert den beispiellosen Aufstieg des Papsttums. Ludwig Ring-Eifel zeichnet die atemberaubende Geschichte dieses Aufstiegs auf. Er verschweigt die Affären und Abgründe päpstlicher Politik und Geheimdiplomatie nicht, aber er enthüllt auch kenntnisreich den singulären politischen Beitrag der Päpste: Johannes XXIII., der tausenden von Juden das Leben rettete und entscheidend bei der Lösung der Kubakrise half; Johannes Paul II., der die Weichen zum Fall des Eisernen Vorhangs stellte und zur internationalen Galionsfigur des Widerstandes gegen Bushs Irakkrieg wurde ...
Autorenporträt
Ludwig Ring-Eifel ist einer der angesehensten Vatikan-Korrespondenten. Von der FAZ wechselte er als Rom-Berichterstatter zur KNA (Katholische Nachrichtenagentur). Ring-Eifel gilt als intimer Kenner des Vatikans, dessen vielfältige Initiativen er mit Kenntnisreichtum und Sympathie, aber auch kritischer Distanz beleuchtet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.12.2004

Die Politik im Segen der Päpste
Ludwig Ring-Eifel über die Weltmacht des Vatikans

"Wohin steuert der Vatikan?" fragte 1973 Reinhard Raffalt, Vatikan-Korrespondent des Bayerischen Rundfunks, und blickte mit Skepsis auf die Modernisierung der römisch-katholischen Kirche unter Paul VI. Verkaufte dieser "Papst zwischen Religion und Politik" - wie der Untertitel von Raffalts Buch lautete - die Tradition und lief Modeströmungen nach, um die Kirche und den Vatikan als politischen Faktor am Leben zu erhalten? "Weltmacht Vatikan" antwortet wenig mehr als dreißig Jahre nach Raffalt Ludwig Ring-Eifel, Vatikan-Korrespondent der Katholischen Nachrichtenagentur und kaum minder ausgewiesener Kenner jener rätselhaften Welt hinter Mauern. "Päpste machen Politik", behauptet der Untertitel seines Buches, und, verglichen mit den bohrend zweifelnden Fragen Raffalts zum Zustand des römischen Papsttums unter Paul VI., erzählt Ring-Eifel die Geschichte eines überwältigenden Erfolges - erzählt diese Geschichte vor dem Hintergrund des mehr als ein Vierteljahrhundert währenden Ausnahmepontifikats Johannes Pauls II.

Im polnischen Papst gipfelt für Ring-Eifel eine Entwicklung, die ein Jahrhundert zuvor niemand dem Papsttum zugetraut hätte. Als am 20. September 1870 die Truppen des italienischen Nationalstaats durch die Porta Pia nach Rom eindrangen, endete nach über tausend Jahren die Geschichte des Patrimonium Petri, der weltlichen Machtbasis des Papstes. Einem Phönix aus der Asche gleich habe sich das Papsttum von diesem Tiefpunkt, der vielen ein Endpunkt schien, zu neuem Glanz und weltpolitischer Bedeutung erhoben, bis hin zu einem Pontifex, der maßgeblich dazu beitrug, ein waffenstrotzendes kommunistisches Imperium lautlos in sich zusammenfallen zu lassen, und der zuletzt zum umworbenen Gesprächspartner der großen Politiker der Welt wurde, als es um Krieg oder Nicht-Krieg im Irak ging.

Ring-Eifel nähert sich dieser Erfolgsgeschichte in drei Schritten. "Wie der Papst Politik macht" beschreibt Aufbau, Struktur und Funktionsweise der römischen Kurie, die eigenartige Verzahnung strenger Hierarchie und differenzierter Vielfältigkeit, das Mit- und Gegeneinander der vatikanischen Behörden und Kongregationen. "Wie der Vatikan zu seiner Macht kam", das umfangreichste Kapitel, erzählt ein Jahrhundert vatikanischer Geschichte, vom Ende des Kirchenstaates bis zum Pontifikat Pauls VI., bevor sich "Der Vatikan unter Wojtyla" ausgiebig mit dem aktuellen Pontifikat befaßt. Ein Ausblick, "Vatikanische Weltpolitik im 21. Jahrhundert", zeigt Perspektiven und Problemlagen für die Zeit nach Wojtyla.

Eine Menge Stoff: Ring-Eifel bewältigt ihn mit Geschick, indem er Schlaglichter setzt, Grundpositionen vatikanischer Politik anhand von Exempeln vorführt, der Haltung des Papstes zum sogenannten Beratungsschein etwa, anhand seines Einsatzes für Solidarnosc oder der spezifischen Interessen des Heiligen Stuhls im Heiligen Land. So entsteht das Bild eines "global and moral players", der, gestützt auf das weltumspannende Netz seiner "Heerscharen" aus Priestern und Ordensleuten, in den zentralen Bereichen von Politik und Gesellschaft agiert.

Die gegenwärtige weltpolitische Rolle und Bedeutung des Papsttums entwickelte sich keineswegs zwangsläufig oder bruchlos, wenngleich ihr Grundstein durch die Friedenspolitik Benedikts XV. während des Ersten Weltkriegs gelegt wurde. Eugenio Pacelli verfolgte als Kardinalstaatssekretär zwischen 1930 und 1939 sowie anschließend als Papst Pius XII. diese Linie weiter: Unparteilichkeit und moralische Integrität sollten dem Heiligen Stuhl die Rolle des Friedensstifters auf den Leib schreiben. Freilich brachten ihn die offen verbrecherischen totalitären Regime, allen voran das nationalsozialistische Deutschland, in Konflikt zur eigenen Linie. Mußte nicht das unparteiliche "Schweigen" zugunsten parteilichen Sprechens und Handelns im Sinne der universalen Barmherzigkeit gegenüber allen vom Krieg Verfolgten und Geschundenen aufgegeben werden?

Nach dem Tod von Pius' XII. öffnete Johannes XXIII. die Kirche den Strömungen einer veränderten Welt. Zum Programm seines "Aggiornamento" gehörte nicht nur das Konzil, sondern auch - unter Pius XII. undenkbar - eine vatikanische Ostpolitik. Was Johannes XXIII. im Bewußtsein der Kürze seines Pontifikats kühn anriß, hinterließ seinem Nachfolger Paul VI. zahllose konfliktgeladene Probleme. Hin und her gerissen zwischen den Forderungen der Progressisten und den Beharrungskräften der Konservativen, fiel diesem Papst die kirchenpolitisch undankbarste Aufgabe des Jahrhunderts zu. Die aufgeheizte Debatte der Jahre nach 1968 um die "Pillenenzyklika" "Humanae Vitae" charakterisiert stellvertretend jene Krise der Kirche, die Raffalt so eindringlich analysierte und kritisierte. Aus der Distanz von dreißig Jahren kommt Ring-Eifel zu einem gerechteren Urteil über Paul VI.

Die historischen Passagen seines Buches erzählen das Wesentliche präzise und mit nur wenigen Ungenauigkeiten (Leo XIII. harrte, beispielsweise, am Pfingstsonntag des Jahres 1889 nicht den ganzen Tag betend "unter freiem Himmel", sondern in der Peterskirche aus, während Antiklerikale auf dem Campo de' fiori das Denkmal für Giordano Bruno enthüllten). Die traditionell heiklen Themen Vatikan und Faschismus beziehungsweise Nationalsozialismus sowie Vatikan und Zweiter Weltkrieg versteht Ring-Eifel abgewogen zu erörtern. Aus dem Skandal der achtziger Jahre um die Vatikanbank IOR und den Erzbischof Marcinkus formt er ein kleines Kabinettstück.

Auf dem Tiefpunkt des zwanzigsten Jahrhunderts, nach dem jähen Tod des "33-Tage-Papstes" und Hoffnungsträgers Johannes Pauls I., mußte die Wahl Wojtylas als Glücksfall, als Wink der Vorsehung erscheinen. Der erklärte Konservative und Mystiker Johannes Paul II. setzte den "Ausverkauf" nicht fort. Unbeugsamkeit in den Grundsätzen verband er mit unbezwingbarem Charisma; seine persönliche Authentizität verhalf ihm über die Länge seines Pontifikats hinweg zu jener weltweit anerkannten moralischen Autorität, von der viele seiner Vorgänger nur träumen konnten. Freilich scheint es in der Abenddämmerung des Pontifikats Johannes Pauls II. leichter, seine weltpolitische Bedeutung zu bewerten, als seine Impulse für die innerreligöse Entwicklung, die von ihm geöffneten Perspektiven der katholischen Dogmatik im einundzwanzigsten Jahrhundert sowie auch seinen Beitrag für die Zukunft der römischen Kurie einzuschätzen. Ring-Eifels Darstellung der letzten 130 Jahre Papstgeschichte liefert nicht nur dazu reichlichen Diskussionsstoff. Sachlich, hervorragend informiert, im guten Sinne populär, schreitet sie auf den Spuren Raffalts weiter und hebt sich auf erfreuliche Weise von der Masse jener Vatikanbücher ab, denen es zu oft nur um reißerische "Enthüllungen" geht.

THOMAS BRECHENMACHER.

Ludwig Ring-Eifel: "Weltmacht Vatikan". Päpste machen Politik. Pattloch Verlag, München 2004. 304 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensent Markus Brauck findet Ludwig Ring-Eifels "Weltmacht Vatikan. Päpste machen Politik" recht aufschlussreich. Der Autor schildere die Doppelrolle, die der Papst als staatlices und religiöses Oberhaupt spielt, und zeige, wie der Vatikan seinen diplomatischen Einfluss nutze, um in der Weltpolitik mitzumischen. Die Grundzüge der vatikanischen Diplomatie, einerseits moralische Instanz zu sein und andererseits für eigene Interessen zu arbeiten, stelle Ring-Eifel "sehr sachlich" dar. Brauck hebt hervor, dass Ring-Eifel nebenbei ein "überraschend ausgeglichenes Porträt" des jetzigen Papstes gelingt. Ring-Eifel sei kein Gegner dieses Papstes, gehe aber auch nicht dem Mythos Johannes Paul II. auf dem Leim. Den politischen Mut dieses Papstes und mancher seiner Vorgänger führe er plastisch vor Augen. Vor allem aber zeige Ring-Eifel, "wie nah die "Weltmacht Vatikan", die in der Tat keine Divisionen hat, immer wieder am Rand der Ohnmacht vorbeischrammt".

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